Blogeintrag 4
Konsumwunderland China, Halloween und die Sache mit der Planung
Happy Halloween! Als letztes Unterrichtsthema meines dreiwöchigen Englischunterrichts stand der irische Feiertag auf dem Plan. Die sorgfältig erstellte Power Point Präsentation musste ich jedoch nach nahezu jeder Stunde abändern. Gründe dafür sind: Fragend schauende Schüler, nicht funktionierende Technik und die Erkenntnis, dass man im Unterricht der meisten Klassen schon gewonnen hat, wenn man ein Video zeigt. Leider muss immer diejenige Klasse als Versuchskaninchen herhalten, bei welcher die Stunde zuerst durchgeführt wird. Da aufgrund eines Virus' im Netzwerk der Schule am Ende letzter Woche kein Internet verfügbar war, gab es in genau dieser Klasse statt der beiden geplanten Videos zu den Ursprüngen des Feiertags leider nur Texte und Rätsel. Als Trost zeigte ich ein Video von Super Simple Learning. Dieses hatte Marcel eigentlich für seine Grundschulklassen heruntergeladen, weshalb es zufällig noch auf meinem Speicherstick war. Niedliche Dinge kommen hier aber immer gut an. Als ich also ein Video zeigte, das zusätzlich noch einen hohen Niedlichkeitsfaktor hatte, klebten die Augen der 47 Schülerinnen und Schüler am Bildschirm.
Die letzte Klasse hatte das Glück, gleich drei Videoclips schauen zu dürfen, wobei die anderen beiden nicht niedlich, sondern durchaus gruselig waren. Eines davon war "This is Halloween" aus dem Filmklassiker Nightmare before Christmas. Nachdem wir die Kreaturen besprochen hatten, sollten die Schüler nun heraus schreiben, welche sie im Video wiederentdecken. Das mit dem Schreiben hat eher so semi funktioniert, allerdings mag ich das Lied, also habe ich das Video auch in jeder Klasse gezeigt. Es kamen am Ende ja trotzdem einige Kreaturen zusammen.Wenn ich nicht gerade versucht habe im Schneckentempo Videos herunter zu laden (das WLAN hier scheint sich mit dem Router in Peking zu verbinden), habe ich in der letzten Woche vor allem viel Zeit in die Suche nach heimischen Lebensmitteln investiert. Schuld daran ist nicht nur die Angewohnheit der Chinesen jedes Tier zu essen "dessen Rücken zum Himmel zeigt" (Zitat von Katherine, Hongkongerin und Freundin aus Schwedenzeiten), oder jene, alle Teile desselben zu verwerten, sondern auch der hohe Fettgehalt des Essens, das auch in der Schule zum Frühstück und zum Mittag serviert wird. Einen interessanten und nicht wenig amüsanten Einschub an dieser Stelle: Als ich mich über letzteren Punkt mit Megan, der amerikanischen Praktikantin, austauschte, war sie zuerst verwundert was ich meine, denn sie hat in ihrem Monat hier schon einiges abgenommen. Marcel hörte beim Gespräch mit seinem Kollegen, welcher ebenfalls aus den USA kommt, dieselbe Geschichte. Es ist ja immerhin viel (in Fett eingelegtes) Gemüse dabei.
Ein Ausflug ins Kulinarische China und noch mehr Halloween
Meine persönlichen Grenzen in Bezug auf diese drei Punkte erreichte ich allesamt letzte Woche. Es begann am Dienstag mit Hühnerfüßen in der Mensa. Dass man hier alle Teile des Huhns verwertet ist ja erfreulich, aber aus der Schale in der sich mein Mittag befinden sollte, schaute mich neben den Bambussprossen und dem trockenen Reis ein kompletter Fuß an, wonach sich das mit dem Hunger direkt verabschiedet hat.Ebenfalls verabschiedet hat sich dann am Freitag mein Magen. Wir waren zu einem Halloweenevent eingeladen, das von einer anderen Schule ausgerichtet war. Wie ich erst im Bus auf dem Weg zur Feier erfuhr wollten sie, dass wir ausländischen Lehrkräfte ein bisschen was zum Thema Halloween mit den Kindern machten, bevor einige obligatorische Spiele anstanden. Ich hatte natürlich nichts vorbereitet. Als wir das Gebäude betraten, das von außen einer Mall glich (und vermutlich in den anderen zehn Stockwerken auch eine Mall war), brach direkt der Ausnahmezustand aus. Die Schüler belagerten uns, als wären wir die Stars der neuesten Boygroup - dabei war Marcel, der diesem Bild noch am ehesten entspricht, aufgrund seiner Erkältung nicht einmal mit. Kurz danach wurden wir weiter gereicht ins verrauchte Zimmer des Direktors und seiner Stellvertreter, wo es Tee und einen netten Englischlehrer gab, der zur Abwechslung kein Foto, sondern zur Verbesserung seiner Sprachkenntnisse nur eine nette Unterhaltung wollte. Als nächstes ging es weiter zum Abendessen in den Nachbarraum und schließlich zurück zur Meute der aufgedrehten Schüler. Das eigentlich Event begann damit, dass wir mit Kunstblut vollgeschmiert wurden, bevor Megan über den Beamer die Halloweenmonster vorstellte. Mein Beitrag bestand letztlich darin, den "Go away" Song mit den Schülern zu singen. Ich mit Mikro. Lief großartig. Zwischendurch wurden aber immer wieder Süßigkeiten verteilt, auf die die Kinder ähnlich wie auf Videos konditioniert sind. Schließlich ging es für die durch den vielen Zucker aufgeputschten Kinder in einigen lustigen Spielen um noch mehr Süßes, welches großzügig an die Gewinner und Teilnehmer ausgegeben wurde. Der Lärmpegel sank so gegen 21 Uhr, als die Feier zu Ende und die Selfies geschossen waren. Im Taxi auf dem Weg zurück überreichte man uns dann das "Überraschungsgeschenk" - ein Honorar für unseren Einsatz. Prestige gab an diesem Abend im Austausch für einen roten Umschlag. Am Ende des kuriosen Abends lud uns Yahui, Englischlehrerin der Schule und Megans Betreuerin, zum Nachtimbiss ein. Es gab Spieße aus dem Hot Pot (so ähnlich wie Ölfondue) in einem Etablissement, das den Namen nicht verdient hat. Es war ein etwa 6m² großer Raum mit einem Tisch, in dem der heiße Wok eingelassen war, vier Hockern und einer Bierzeltbank. Von außen sah das Ganze weniger als unscheinbar aus, denn man sah nur die Bank. Obwohl wir abgewunken haben, schließlich gab es zuvor schon ein Dinner, hatten wir unsere in Folie eingewickelten Schälchen innerhalb kürzester Zeit voll mit diversen vor Fett triefenden Spießen mit Tofu in vielerlei Ausführungen und Gemüse, das ich noch nie im Leben gesehen hatte. Um das Fleisch kam ich Gott sei Dank herum, weil Megan Vegetarierin ist (durchaus mutig von ihr, trotzdem nach China zu gehen). Zum Geschmack der Spieße muss ich sagen, dass ich auch schon schlimmeres gegessen habe, aber es war vor allem sehr scharf und sehr fettig. Und es war ausnahmslos braun. Ich schätzte, dass die Farbe durch das sehr würzige Öl kam, denn die Spieße lagen vermutlich mindestens den ganzen Tag im Wok. Am nächsten Tag war ich mir dann ziemlich sicher, dass sie mindestens mehrere Wochen darin lagen, denn ich verbrachte den halben Tag im Bad. Das Beste des Samstages waren die Spaghetti Bolognese, die Yahuis Sohn am Abend zuvor verschmäht hatte. Da Megan als Abnehmer wegfiel und sie Yahui wahrscheinlich zu trocken waren, hatte ich das große Glück. Neben einer Banane und mehreren Tassen Kamillentee, der ursprünglich als Gastgeschenk gedacht war, waren sie auch das einzige was ich an dem Tag zu mir nahm.
Jetzt fehlt noch der dritte Punkt, dessen Grenze ich schließlich am Sonntag erreichte. Wir waren zu Yings Familie aufs Land eingeladen, wo ihre Tante den Einmonatigen ihres Enkelsohns feierte. Es war eine riesige Feier für Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte, die ähnlich aufwändig war wie eine Hochzeit. Ja richtig gelesen, ihr Enkel wurde einen Monat alt. In China feiert man dies mit viel Feuerwerk, viel Reisschnaps und viel zu Essen. Da wäre auch schon der Haken. Mein Magen nahm mir das fettige Essen immer noch übel und so musste ich auf scharfe und fette Gerichte verzichten. Übrig blieben Reis und ein paar Lotuskerne, die mit Gojibeeren süß eingelegt waren. Marcel probierte wieder von allem, was diesmal ein Tier einschließt, das laut Ying "so etwas wie eine Schlange, aber keine Schlange" ist. Nach einer längeren Suche bei Bing (wir sollten Google mehr zu schätzen wissen) stellte sich das Tier als eine Art Blindschleiche heraus, die etwa 50cm lang wird. Soll wohl nicht besonders geschmeckt haben. Für mich war es das mal wieder mit dem Mittagessen.
Die Feier (nach dem Essen) | © Christiane Pohl Der Rest des Tages war allerdings wirklich toll, denn die Landschaft war trotz des voranschreitenden Jahres noch sehr schön und ein paar gelb leuchtende Felder haben wir zwischen den angelegten Bewässerungsteichen und den Reisterassen noch gesehen. Bei Yings Eltern gab es Tee, bei ihren Großeltern Pomelo (große Zitrusfrucht) und immer herzliche Menschen, die sich über unseren Besuch sichtlich freuten. Das überall reichlich angebotene Obst rettete mich an dem Tag, denn irgendetwas musste ich ja essen. Wir machten am Nachmittag auch einen Abstecher zu den Gemüsebeeten der Großeltern, wo wir Süßkartoffeln ernteten. Nebenan wuchsen auch zahlreiche Chilipflanzen. Auf dem Rückweg durch die Dörfer sahen wir viele Terassen und Hauseingänge, auf denen Reis, Distelsamen, Bohnen und ähnliches trocknete, obwohl ich zugeben muss, dass ich das in Zhuzhou auch vereinzelt gesehen habe.
Volleyball mit dem Kollegium
In der letzten Woche wurden wir außerdem eingeladen, mit einigen Lehrern Volleyball zu spielen. Praktischerweise sogar direkt vor unserem Haus. Es war dann mehr ein lockeres hin- und her - Gespiele als richtiges Training, worüber ich aber auch nicht böse war. Wenigstens konnte ich beweisen, dass ich in den Augen der Lehrerin wie eine Profivolleyballerin aussehen mag, jedoch absolut unterdurchschnittlich spiele. Ein klarer Erfolg! Jedes widerlegte Vorurteil zeigt, dass unsere vielleicht ungewohnte Erscheinung noch lange nicht mit Qualität gleichzusetzen ist. Das Spiel war auch ohne Sprach- und Volleyballkenntnisse sehr lustig und es gesellten sich sogar drei Schülerinnen zu uns, die ursprünglich einen Teil ihrer freien Zeit mit mir Deutsch üben wollten. Wir machten am Ende aber ein Termin für ein anderes Treffen aus, das am Montag im gemeinsamen Vorbereiten der Halloweenparty endete.Volleyball mit dem Kollegium | © Christiane Pohl Warum alltäglich nicht gleich alltäglich ist
Sieht aus wie Frühstücksbrötchen ist aber eine Falle | © Christiane Pohl Neben der Suche nach diversen Gegenständen, die für die Party gebraucht wurden, suchte ich in der letzten Woche mal wieder einige bestimmte Lebensmittel im Supermarkt. Hier eine Liste von scheinbar alltäglichen, aber nicht aufzutreibenden Dingen:- Brot, das nicht süß und fettig ist.
- Vollkornmehl
- gemahlener Zimt
- Milch, die nicht süß ist
- Tampons
- Teelichter
- pure geschälte Nüsse
Die Liste wird sicher noch erweitert.
Grenzenlose Hilfsbereitschaft
Nach dem Volleyballspiel, also gegen 19 Uhr versuchte ich übrigens verzweifelt Zugang zum Internet zu bekommen, um die nicht funktionierenden Halloweenvideos neu herunterzuladen. Zumindest wirkte ich wohl verzweifelt, denn die Aktion "Ich versuche mich mal vor Yings Büro sitzend mit dem dortigen WLAN zu verbinden" endete damit, dass ein Lehrer das halbe Kollegium abtelefonierte und meine Betreuerin letztlich von zu Hause in die Schule zitiert wurde. Bevor sie eintraf (und übersetzen konnte) probierte der Lehrer ein gutes Dutzend Netzwerke mit diversen Passwörtern durch und stöpselte das LAN-Kabel an meinen Laptop. Wie oben bereits erwähnt, war aber das ganze Schulnetzwerk an dem Tag abgestürzt, sodass all die Mühe ergebnislos blieb. Völlig erschrocken über Yings plötzliches Auftauchen versicherte ich zum gefühlt einhundertsten Mal, dass das Ganze nicht lebenswichtig ist und ich meine Stunde auch umstellen kann, doch sie bestand darauf, dass ich sie in solchen Fällen ruhig anrufen soll.Am Ende des Abends saßen Megan und ich vor ihrer Tür und knibbelten die Plastikfolie ab, die immer noch an ihrer Tür klebte. Ein weiterer typisch chinesischer Tick, denn solange neue Dinge noch eingeschweißt sind, wirken sie neu. Auch nach 10 Jahren noch (wie meine Badezimmertür, auf deren Folie ist das Lieferdatum nämlich aufgedruckt). Naja, nicht wirklich, aber diesen Eindruck soll das ganze wohl erwecken. Generell wird hier einfach alles eingeschweißt oder in Folie verpackt. Beziehungsweise zuerst eingeschweißt und danach nochmal in Folie eingepackt. Mein Highlight: Eingeschweißtes Geschirr im Restaurant, das keineswegs neu ist, sondern abgewaschen und danach foliert. Ohne Worte. Nach etwa einer Stunde gesellte sich Marcel zu unserer Abknibbelaktion, der sich mit seiner Erkältung auf eine vierstündige Veranstaltung geschleppt hat. Diese hatte zum Ziel 15 Schüler auszuwählen, die an einem Austauschprogramm nach Deutschland teilnehmen durften. Die Bewerber stellten sich mit einem englischsprachigen Text (ihr Deutsch war nicht gut genug) und einer Vorführung ihres Talentes vor. Von Kalligrafie über Tanz und Klavierspiel bis hin zu schlechter Zauberei war alles vertreten.
Der Beginn dieser Woche war vor allem von Vorbereitungen für die Halloweenparty geprägt. Megan und ich saßen oft zusammen und malten, bastelten und planten alles für die inzwischen sogar durch selbst gemalte Plakate angekündigte Feier. Diese sollte ursprünglich am Dienstag stattfinden. Dann hieß es wir machen sie am Montag. Dann wieder Dienstag. Ähnlich ging es weiter bei der Suche nach einem Ort. Eigentlich stand schon fest, dass es im Foyer stattfindet. Dann: vielleicht doch eher draußen. Dann: vielleicht auch in der Turnhalle. Dann: vielleicht in der Bibliothek. Dann: ich habe die Turnhalle reserviert. Ihr bekommt die Bühne und das erste Badmintonfeld. Ich malte also die Poster und Megan und ich rührten in unseren Englischklassen die Werbetrommel. Am Montagabend änderte sich dann auch nochmal die Zeit, sodass wir nicht in der 9. sondern in der 8. und 9. Stunde feiern konnten. Gut, dass wir eine Woche lang allen gesagt hatten, wir treffen uns zur 9. Stunde.
Halloweenspektakel in der Turnhalle
Am Montag besorgte Megan zusammen mit ihrer Betreuerin alles Notwendige. Vor allem waren das Massen an Süßigkeiten! Zum Glück wurde der komplette Einkauf am Dienstagfrüh geliefert, sodass sie es nicht tragen mussten. Ich bespaßte dafür die 7. Klasse in meiner vorerst letzten Englischstunde. Dienstag versuchte ich dann die noch fehlenden Sachen aufzutreiben: Teelichte und Würfel. Das Teelichteproblem habe ich ja oben schon angesprochen. Bezüglich der Würfel fehlte es uns wohl einfach an einem Spielzeugladen, also fing ich an welche zu falten (juchu). Die Kerzen, die ich statt der Teelichte gekauft hatte, waren für unsere selbstgeschnitzten Kürbisse. Am Vorabend legten wir unsere Küchenutensilien zusammen und versuchten möglichst ohne uns die Finger zu amputieren gruselige Gesichter in die, winzigen, chinesischen Kürbisse zu schneiden. Ursprünglich war mal geplant, die Aktion mit den Schülern durchzuführen, aber so viele Erste Hilfe Kästen besitzt Megan nicht. Mit Mühe und Not bekamen wir auch die Kerzen in die beiden "Jack-o-lantern" - Kürbisse und am Ende brannten diese sogar, obwohl zwischendurch auch noch das Feuerzeug auseinander fiel.Vorbereitung auf das Halloweenspektakel | © Christiane Pohl Unsere Deko kam bei der Feier super gut an. Und obwohl es sehr viele Schüler waren, die natürlich nicht alle gleichzeitig bespielt werden konnten, verliefen unsere geplanten Spiele großartig. Es war zwischendurch sehr chaotisch, was vor allem auch daran lag, dass alle Aktivitäten angeleitet oder überwacht werden mussten, weil sich keiner traute oder keiner Lust hatte von selbst herauszufinden was zu tun war. Gegen Ende wurden wir vom leicht aggressiven Badmintontrainer noch vom ersten Feld gescheucht. Wären wir also wieder bei der komplizierten Planung. Ihn hatte offenbar keiner informiert. Das letzte Spiel war ein kleines Highlight für mich, denn wir spielten eine Variante "Quidditch", der Sport aus den Harry Potter Büchern. Die Besen wurden allerdings zu Anfang noch als Schläger, ähnlich dem beim Eishockey, verwendet, bis wir die Schüler darüber aufklärten, dass sie den Ball (Quaffel) gern auch mit der Hand ins gegnerische Tor (Reifen) befördern können. Der im Original von selbst umherfliegende Snitch (kleiner goldener Ball mit Flügeln), welcher vom Seeker/Sucher gefangen werden muss um Extrapunkte zu kassieren und das Spiel zu beenden, ist in der realen Variante eine Person, die gefangen werden muss. Weil sich die beiden Teams aber nur um den Quaffel prügelten, stand die Snitch-spielende-Person die meiste Zeit am Rand und schaute zu. Alles ein wenig seltsam aber sehr witzig. Die Kürbisse fanden übrigens ihren Weg zu zwei Schülern, die sie mit nach Hause nahmen.
Weitere Alltagsgeschichten
Am Ende des, doch wieder etwas länger gewordenen, Eintrages erzähle ich noch von den Kleinigkeiten, die sich so ganz nebenbei hier abspielen. Beispielsweise ist uns sowohl bei der Fahrt raus aufs Land als auch innerhalb der Stadt aufgefallen, dass das Spurensystem auf den Straßen eher als ein fließender Übergang interpretiert wird. Genauso wie der Zebrastreifen höchstens die Stelle der Straße markieren kann, an der es statistisch gesehen am sichersten ist ebendiese zu überqueren. Es hält nämlich kein Auto an, ob da nun Streifen auf der Straße sind oder nicht. Das wichtigste Teil am Auto ist hier sowieso die Hupe. Bei einem Gespräch mit seinen Kollegen fand Marcel außerdem heraus, dass die Schuldzuweisung nicht nach logischen Regeln erfolgt, sondern nach einer Hierarchie. Motorradfahrer genießen gesonderte Rechte. Besagter Kollege nutzte dazu folgendes Beispiel: Ein Auto steht an der roten Ampel, als ihm von hinten ein Motorrad rein fährt. Natürlich trägt hier der Autofahrer die Schuld (das wurde mir inzwischen von zwei weiteren Chinesen bestätigt). Ich denke, es ist völlig in Ordnung, dass wir unsere Führerscheine zu Hause gelassen haben. Genutzt hätten sie uns hier sowieso nichts.Wie jeden Abend werden wir übrigens um 22:30 Uhr zusammen mit den Schülern sanft in den Schlaf gepfiffen. Auf Marcels Campus ist das schon um 22:00 der Fall. Auch zum Mittagsschlaf ertönt eine schallende Trillerpfeife über den Campus, die vor allem alle, die bereits eingeschlafen waren, wieder aufweckt. Das Gepfeife hören wir nämlich nicht zu Beginn der Mittagspause, sondern nachdem diese schon eine Weile läuft. Vermutlich wird dann gepfiffen, wenn der Pfeifer annimmt, dass jetzt alle das Mittagessen beendet haben.
Heute früh habe ich übrigens das letzte Mal mit Ventilator und Gasflasche geduscht, denn am Nachmittag kam ein Handwerker vorbei und tauschte den gasbetriebenen Boiler gegen einen elektrischen aus. Am Montag habe ich bereits eine Induktionskochplatte bekommen. Allerdings haben wir uns geeinigt, dass ich die Gasherdplatte behalten kann, da diese ohne Probleme (und ohne, dass die Flasche leckt) funktioniert. Ich kann jetzt also Nudeln kochen und gleichzeitig die Sauce vorbereiten - Moment: Ich kann jetzt also italienische Nudeln kochen und gleichzeitig die italienische Sauce vorbereiten - ein Hoch auf Carrefour!
Eine weitere Anmerkung kommt mal wieder zum Schulleben. Marcels Erst- und Zweitklässler starren ihn im Unterricht immer noch an als würde er chin...halt spanisch reden und die dabeisitzende Lehrkraft schaut meistens ähnlich. Nur gestern war das anders, denn da ist er zusammen mit einem amerikanischen Kollegen verkleidet in die Klassen gegangen und hat Süßigkeiten in die Runde geworfen. Wirklich geworfen. Der Lautstärkepegel stieg wohl ins Unermessliche.
Letztens erlebte ich übrigens das schamloseste Fotoverhalten bisher. Ich stieg aus dem Bus aus (der Fahrer sagte mir netterweise Bescheid, wann ich raus musste, denn die Stopps werden nur angesagt) und suchte den Weg zum mir beschriebenen Shoppingcenter. Die Frau, die vor mir lief, machte indes ein Foto mit ihrer Frontkamera auf der nicht nur sie selbst abgebildet war, sondern im Hintergrund auch ich, wie ich mir gerade einen Zopf machte. Ein unfassbar spannendes Motiv wie ich fand. Auf jeden Fall dachte ich mir, dass die Gute doch bestimmt nichts gegen ein Gespräch mit mir einzuwenden hat und so fragte ich sie kurzerhand nach dem Weg, indem ich ihr die Zeichen, die mir eine Kollegin aufgeschrieben hatte, unter die Nase hielt. Es hat sich wirklich gelohnt, denn sie war dermaßen erschrocken/erstaunt/eingeschüchtert, dass sie erstmal gar nichts sagte. Schließlich bedeutete sie mir ihr zu folgen und auf dem Weg schrieb sie unaufhörlich über WeChat mit jemandem, dem sie wohl unbedingt mitteilen musste, dass sie von einer Ausländerin angesprochen wurde. Aber egal, ich hatte meine Genugtuung und bin ja auch mit ihrer Hilfe am Ziel angekommen.
Gestern lief ich nichts ahnend zum Supermarkt, als mir eine Prozession von Kindergartenkindern in Militäruniform den Weg blockierte. Im Ernst, China?
Kindergartenkindern in Militäruniform | © Christiane Pohl Der Tai Chi Wettbewerb soll, wie ich heute erfahren habe, am kommenden Sonntag stattfinden. Da habe ich aber leider keine Zeit. Weil wohl aber schon die Medien informiert wurden, dass die Gruppe der Nanfang Highschool zwei foreign teachers in der Gruppe hat gibt es morgen ein meeting zu dem Thema. Bei nächsten Mal dann mehr dazu.
Zum Schluss mal wieder ein paar unsortierte Eindrücke aus Zhuzhou: