Blog #1
Bună ziua, Porumbel, Shaorma
Das ist der erste Blogeintrag aus Rumänien. „Bună ziua!“ Schreiben kann ich’s schon, an der Aussprache werde ich die nächsten drei Monate noch hart zu arbeiten haben. Vorneweg: Der Text ist geeignet für das Deutsch-Niveau B1/2. Eignet sich also wunderbar als Leseanlass für meine Schüler*innen am Colegiul Coșbuc. Aufmerksam lesen bitte!
Im Deutschunterricht
| © Carmen Dumitrescu
Meine erste Woche in dieser wunderschönen, sommerlichen Stadt ist rum. Das Goethe-Institut hat in dieser Runde etwa 20 Stipendiat*innen in alle Welt geschickt. Einige sind schon in Asien gelandet, andere in Polen. Ich wohne seit einer Woche in Bukarest, der Hauptstadt Rumäniens. Seit Montag arbeite und assistiere ich am Colegiul Național Bilingv George Coșbuc. Die Schüler*innen lernen zweisprachig (englisch und rumänisch) für ihr Bacalaureat, das Abitur. In Rumänien gehen sie erst vier Jahre in die Elementarschule, dann weitere vier Jahre in die Sekundarschule. Sie können dann auf eine Berufsschule wechseln oder besuchen weitere vier Jahre das Gymnasium.
Im Coșbuc sind Sekundarschule und Gymnasium vereint. Deutsch wird hier als Fremdsprache unterrichtet. Carmen und Nicoleta sind hier Deutschlehrerinnen. Sie werde ich in den nächsten Monaten in ihrer Arbeit unterstützen.
Im Deutsch-Kabinett
| © Gustav Beyer
Im Park rund um den Lacul Herăstrău blühen gerade tausende Blumen und Bäume.
| © Gustav Beyer
Schon die ersten Schritte in Bukarest sind der Knaller. Nicoleta empfängt mich am Flughafen bei strahlendem Sonnenschein. Mit Englisch-Kollegin Andra gehe ich einige Schritte durch den Herăstrău-Park. Sie zeigt mir die ganzen heißen Spots in Bukarest, deren Namen ich nicht aussprechen kann. Es gibt so viel zu entdecken: Direkt neben meiner Wohnung ist der größte Markt Rumäniens mit lauter Hühnern, Eiern, Obstsorten und Gebäckstücken, die nur darauf warten, von mir gefrühstückt zu werden. Die Spielplätze in den Parks fallen etwas luxuriöser aus als in Deutschland: Da steht mal eben ein 60 m hohes Riesenrad neben einer Schaukel oder eine Achterbahn. Dreimal dürft ihr raten, wo ich abends nach der Schule so abhänge.
Von Obor, das ist der Ort, an dem ich wohne, kann ich zu Fuß in die Altstadt oder in die Parks gehen. Es dauert nur etwas. Die Metro, Tram und Trolleybusse habe ich auch schon ausprobiert. Von meinem XXXL-Rundum-Balkon aus kann ich das Treiben auf der sechsspurigen Straße gut beobachten. Carmen und Nicoleta haben die Wohnung bestens ausgesucht!
Auf der Straße unter meinem Balkon passiert eine ganze Menge. Ich bin stetiger Bestandteil einer 24/7-Hupkonzert-Performance und manchmal werden auch Autos von den Trams gerammt.
| © Gustav Beyer
Am Montag um eins startet für mich die Schule. Mein Notizblock ist schon vollgeschrieben mit positiven Eindrücken vom Unterricht, dem Lernklima und den Schüler*innen hier. In die Schule gehen 1000 Schüler*innen. Weil das sehr viele sind und das Schulgebäude recht klein ist, lernen die einen vormittags, die anderen nachmittags.
„Bună ziua“, wollen sie, dass ich an diesem Morgen sage. Mit den Schüler*innen ergänze ich mich prima: Sie lernen Deutsch, ich wage mich an meine ersten Rumänisch-Wörter heran. Meine Zunge klebt noch vorne an den Zähnen fest vom vielen rrrr-Üben. Über meine verzweifelten Zungenspitzen-R-Versuche können die Schüler*innen nur lachen. Generell sind die besser in Deutsch als ich in Rumänisch. Aber so ist das Leben.
Interessant ist der Unterschied zwischen den jüngeren und den älteren Klassen. Die Sechstklässler*innen verstehen mich alle, auch wenn ich fließend Deutsch spreche. In der 10. und 11. Klasse verstehen mich manche, wenn sie wollen. Sie können auch gut Deutsch sprechen, aber die Frage ist halt, ob das gerade angesagt ist. In einer 12. Klasse sitzen wir nur zu viert am Tisch, auch in Ordnung.
Im Klassenzimmer
| © Carmen Dumitrescu
Die Schüler*innen sind hier, wie sie es ausdrücken würden: „so und so.“ Stundenbeginn. Ich zähle stumm herunter: 5 – 4 – 3… Die Klasse verstummt völlig, alle Blicke sind nach vorn gerichtet. Ich: ebenso sprachlos. Leute, ihr habt doch noch drei Sekunden! Sogar die „chaotischeren“ Schüler*innen sind höflich und reagieren schnell. Vielleicht haben sie ja den Sinn dahinter verstanden, einander zuzuhören. Vielleicht genießen sie das Problem, Deutsch reden und verstehen zu müssen – weil mindestens einer im Raum sonst völlig aufgeschmissen wäre (ich).
Wenn Deutsch oder Rumänisch nicht ausreichen, dann wechseln wir eben in die Sprache „Lachen“ oder sprechen in unserer eigenen weiter und verstehen uns bestens darin. Das mit der Kommunikation klappt also hervorragend.
Mit Andra in einem Freilichtmuseum, in dem man sich Häuser anschauen kann, wie sie früher in Rumänien gebaut wurden und auch heute noch in ländlichen Gebieten zu finden sind. Sehr gemütlich, pragmatisch und vermutlich wider alle EU-Vorschriften.
| © Andra Oprea
„Shaorma“ gehört zum Standardvokabular der Schüler*innen. Wenn es ganz schlimm wird mit meiner R-Schwäche, verstehen sie auch „Kebab“, das ist zum Glück dasselbe. Andra hilft mir sehr aktiv dabei, Rumänisch zu lernen. Letztens sind wir durch den Herăstrău-Park gelaufen. „Porumbel“, sage ich plötzlich, zeige auf eine Taube. Andere Passant*innen müssen mich für verrückt halten. Und „apă“ und „ceapă“, das klingt ähnlich, heißt aber Wasser und Zwiebel. Ich vergesse schnell und viel, aber global betrachtet mache ich Fortschritte.
Soviel bis hierhin. Ich freue mich, dass sich Credo 3 des Goethe-Instituts voll erfüllt hat: Am Ende… wird alles gut. Ich versuche, jetzt jede Woche etwas zu schreiben und bin selbst sehr gespannt, ob das klappt. Eine Woche Schule noch, dann sind erstmal Osterferien. Ich werde mit Andra für eine Woche zu ihrer Familie nach Craiova fahren. Frohe, erleichterte Grüße nach Deutschland und in die Welt!