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Blog #2
Wir haben uns einfach dazu entschieden, bestens miteinander auszukommen

Hinter all den Wolkenkratzern, Baustellen und Bürokomplexen von Bukarest verstecken sich Deiche, Seen und kleine Ozeane – so wie dieser hier im Osten der Stadt. Gleich neben einer Boulderhalle. Hinter all den Wolkenkratzern, Baustellen und Bürokomplexen von Bukarest verstecken sich Deiche, Seen und kleine Ozeane – so wie dieser hier im Osten der Stadt. Gleich neben einer Boulderhalle. | © Gustav Beyer Woche Zwei ist vorbei. Es wird immer entspannter: Nicht nur, weil mich die Lehrer*innen am Coșbuc gut aufgenommen haben, sondern auch, weil jetzt Osterferien sind und man das natürlich auch schon in den Tagen vor den Osterferien spürt. Die Geschäfte sind voller Plastikeier in den Schaufenstern, und manche Schüler*innen haben uns schon am Mittwoch Frohe Ostern gewünscht. Schon am Mittwoch?!

So ganz ernst scheinen sie die letzten Tage vor den Ferien an der Schule nicht zu nehmen. Tatsächlich ist am Donnerstag nicht mal mehr die Hälfte da, am Freitag sind wir schüler*innenfrei. Das kenne ich aus meiner Schulzeit anders. Immerhin: beste Chancen für einen ungestörten Kaffee unter Lehrer*innen!Inzwischen haben wir uns wunderbar aneinander gewöhnt. Ich habe hier die besten Kolleg*innen, die ich mir gerade wünschen kann! Anfängliche Distanz? Ha! Wir haben uns einfach dazu entschieden, bestens miteinander auszukommen. Meine Vorstellung beim Bukarester Goethe-Institut war auch sehr positiv – uns ist aufgefallen, dass ich die Ziele des Stipendiums, nämlich zum Beispiel eigenen Unterricht vor- und nachzubereiten, den Lehrer*innen zu assistieren und Projekte wie die Schulzeitung zu übernehmen, schon in der ersten Woche erreicht habe. Aber so schnell reise ich hier nicht ab!

Eier! Überall Eier! Mit den Deutschlehrerinnen Nicoleta und Carmen wähle ich die schulinterne Top 3 der selbstgebastelten Eier aus. Die Fünftklässler*innen waren ganz schön kreativ! Eier! Überall Eier! Mit den Deutschlehrerinnen Nicoleta und Carmen wähle ich die schulinterne Top 3 der selbstgebastelten Eier aus. Die Fünftklässler*innen waren ganz schön kreativ! | © Gustav Beyer Hier sind die meisten Menschen orthodox. Das heißt: am Karfreitag gibt es nichts zu essen, in den 40 Tagen vor Ostern keine Tierprodukte und kein Fleisch. Doch ein Gespräch mit Deutsch-Schüler*innen über vegane Trends und Flexitarismus in Deutschland klärt: Die meisten würden wahrscheinlich in der Fastenzeit verhungern, denn einen Teller ohne Fleisch können sie sich gar nicht vorstellen. Als ich daraufhin vorschlage, den letzten Schultag mit einem Shaorma-Frühstück (also mit einem fetten Döner) zu beginnen, erhalte ich breite Zustimmung. Hoffentlich ein Verständigungsproblem!

Zu meiner großen Freude haben die bislang eher schweigsamen Zwölfer in der letzten Stunde vereinzelt den Mund aufbekommen! Was vermutlich auch daran lag, dass mehr als die Hälfte der Truppe gar nicht da war. Wir haben uns über neue Worte und Wortschöpfungen im Deutschen unterhalten. Den „Enkeltrick“ kennen sie hier auch, fast jede*r hat Großeltern, die schon einmal (zumindest fast) betrogen wurden. Mit einem „Gruselclown“ und dem „Darknet“ sind sie noch nicht in Berührung gekommen. Die Beispiele entstammen der Zeitschrift „Deutsch perfekt“ aus dem Spotlight Verlag. Ein interessanter Versuch, Deutschlerner*innen in aller Welt mit deutschen Themen zu konfrontieren.
Wie ich finde, ein gescheiterter Versuch, wenn Zwölftklässler*innen – die teilweise nicht einmal nach dem Weg fragen können – sich mit dem Martin-Schulz-Effekt auseinander setzen müssen (na? Richtig: Ein SPD-Ortsverein musste Parteibücher nachdrucken, weil sich wegen Schulz zu viele neue Mitglieder auf einmal angemeldet haben). Oder mit den Öffnungszeiten der örtlichen Sparkassenfilialen. Naja.
 
Bald stehen für einige Schüler*innen die „Fit in Deutsch“-Prüfungen an. Um sie darauf vorzubereiten, sprechen wir ohne Punkt und Komma mit ihnen. Es gibt Themen wie „Freizeit“, „Familie“, „Verkehr“ oder „Umwelt“ – und sie müssen Fragen formulieren und kreative Antworten finden. Dabei übernehmen sie gern die grammatikalischen Strukturen aus dem Rumänischen: „Blabla Hauptsatz blablabla, weil ich freue mich darüber.“ Sie machen dieselben Fehler wie wir Deutschsprachigen! Nur dürfen sie das in der Prüfung nicht so raushängen lassen.

Außerhalb der Schule bin ich auch diese Woche wieder viel durch die Stadt gelatscht. Ich probiere mich gerade durch die rumänische Küche und finde eine Spezialität leckerer als die andere. Was ich nie gedacht hätte: Weil die Regierung und die EU völlig fahrlässig Geld an die Hauptstadt falschverteilen und Immobilien-Investoren alle Wege ebnen, wächst hier ein großes Einkaufszentrum nach dem nächsten aus dem Boden – mit Restaurants, die tatsächlich richtig gemütlich und gut sind! Also, dass ich in einem Kunstwerk namens Mega Mall zwischen H&M und Carrefour zu Abend essen gehen werde, hätte ich vor einer Woche nicht geglaubt. Aber es gibt natürlich auch tausend kleinere Betriebe hier, die noch herhalten müssen, wenn ich mal zu faul sein sollte, das Geschirr von gestern abzuwaschen.

Sehr schön: der Sonnenuntergang von meinem Balkon aus betrachtet. Wie in Leipzig verschwindet die Sonne hier nicht hinterm Horizont, sondern hinterm Hochhaus. Dafür ist mein Balkon um einiges größer als in Leipzig. Sehr schön: der Sonnenuntergang von meinem Balkon aus betrachtet. Wie in Leipzig verschwindet die Sonne hier nicht hinterm Horizont, sondern hinterm Hochhaus. Dafür ist mein Balkon um einiges größer als in Leipzig. | © Gustav Beyer Außerdem war ich diese Woche in einer Boulderhalle. Ich hätte am Freitag gar nicht mehr richtig unterrichten können, so einen Muskelkater hatte ich davon! Liegt aber auch daran, dass es hier nicht so durchdachte Boulder gibt wie in Leipzig, sondern einfach ganz viele unhandliche Griffe wahllos an die Wand geschraubt sind und die Boulderer*innen (zwei Menschen und ich in einer riesigen Halle) ihrer eigenen Kreativität ausgeliefert sind.

Am Wochenende geht’s endlich in den Urlaub, puh, nach sage und schreibe zwei (!!) Arbeitswochen an der Schule. Mir wurde Countryside versprochen, ein Osterlamm und viele schöne Abende unter Rumän*innen. Da freue ich mich schon sehr drauf und kann wieder einmal nicht in Wörter packen, wie dankbar ich für diese (aus meiner Sicht außergewöhnliche) Gastfreundlichkeit bin! Ich werde viele Fotos machen und mich bald wieder melden. 

Jetzt wünsche ich denen, die Ostern feiern, ein tolles Osterfest und allen eine entspannte Zeit! Vacanță plăcută – und frohe Grüße nach Deutschland und in die weite Welt!
 

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