Blog #4
„Wo sind die Vampire? Ich will sofort mein Geld wiederhaben!“
Ein herzliches Bună Ziua aus dem Land, in dem die Menschen Kuhmagen-Suppe essen, das R rrrollen können ohne sich zu verschlucken, in dem Chipstüten eine nachwachsende Ressource darstellen und heute die Schule wieder begonnen hat!
Letzten Donnerstag – wir hatten hier noch Osterferien – bin ich recht spontan nach Brașov getrampt, das auf deutsch Kronstadt heißt. Die Stadt liegt mitten in Transsylvanien, oder auch Siebenbürgen. Mit den herrschenden Königen, Landsherren und Mehrheiten haben viele rumänische Städte auch ihre Namen immer wieder mal gewechselt. So hieß Brașov auch mal Corona, Stephanopolis oder – gar nicht sooo lange her – Stalin-Stadt. Wo heute ein majestätischer hollywood-mäßiger Schriftzug auf dem Tâmpa-Berg auf die Stadt hinweist, hatte man damals den Schriftzug STALIN in den Berg „tätowiert“, also durch geschickte Baumbepflanzung sichtbar gemacht. Gar nicht so leicht, das wieder unsichtbar wachsen zu lassen, denn bloßes Bäumefällen hätte ja an der Erscheinung nicht viel verändert, wie mir ein alter Brașover mit langem, grauen Bart und Schafsfell-Weste auf dem Marktplatz erklärt hat. Heute ist Stalin hier aber verschwunden.
Etwas abseits der historisch vielfältigen Altstadt konnte ich endlich die Großstadtluft hinter mir lassen und ein paar Wander- und Frischlufttage in den schroffen Karpaten genießen. Was für ein tolles Gefühl, als Eichhörnchen, Frösche und Kühe auf dem Weg die einzigen Lebewesen waren, die ich getroffen habe und das Plätschern des Baches, die frische Luft und Kühe auf offener Straße mich begleitet haben!
Nicht im Bild: der tolle Ausblick auf die 2.000er-Gipfel der Karpaten.
| © Gustav Beyer
Auf den 1.800 Meter hohen Postăvarul-Gipfel bin ich tatsächlich gewandert, das waren etwa 750 Meter Höhenunterschied zum matschigen, nassen Schnee und traumhaft schönen Ausblick über die Wolken, die in den Karpatengipfeln hingen. Aber auch 750 Meter wieder runter, die mit einem Kabinenlift nur 2 Minuten gedauert haben. Also Leute, diesen Berg kann ich euch empfehlen! Und unten im Tal, einem im Winter sehr begehrten Ski-Domizil, gab es dann wieder eine leckere Rindermagen-Suppe (wollte ich erst nicht probieren, hab ich dann aber doch probiert, war okay).
In den Karpaten
| © Gustav Beyer
An einem anderen Tag bin ich nach Bran gefahren. Auf einem sandigen Weg, wie er typisch für rumänische Dörfer ist, bin ich einem Pferdekarren hinterhergelaufen, der gemütlich über die Steine geholpert ist, bis ich – mitten im Nirgendwo und doch mit Blick auf die Bransche Skyline und schneebedeckten Gipfel – in meiner Unterkunft angekommen bin. Bei Andreia gab es köstliche Rohkost und Eier von den Nachbarn. Mit ihr und ihrem Begleiter habe ich den ganzen Abend über Zeitreisen philosophiert.
Die ganze Wanderung hat sich angefühlt wie eine Zeitreise, dabei war es gar nicht so schwierig, nach Bran zu gelangen (was allein wegen der Bedingungen schon gegen eine Zeitreise spricht). Sicherlich sind euch allen die Sagen über Vampire und die Legende von Graf Dracula nach Bram Stoker ein Begriff. Demzufolge soll Dracula auf Schloss Bran residiert haben. Hat er aber nicht. Ebensowenig war Bram Stoker jemals in Bran. Die Figur geht anscheinend auf den realen Herrscher Vlad III Drăculea zurück, auch Vlad Țepeș (Vlad, der Pfähler) genannt. Sein Vater war Mitglied im Drachenorden von Kaiser Sigimund, und Drache heißt auf lateinisch „draco“, deshalb wurde sein Vater „Vlad Drăcul“ genannt und sein Sohn entsprechend „Vlad Drăculea“ (also lea = Sohn des…). Der war grausam, weil er sehr viele Menschen auf hölzernen Pfählen anusaufwärts aufgespießt hat – aber ein Vampir war er nicht.
Dracula persönlich hab ich im Schloss Bran also nicht angetroffen, dafür einige stinkwütende Amerikaner*innen, die sich laut darüber echauffiert haben, dass in dem ganzen Gemäuer nur auf einer einzigen Tafel überhaupt etwas mit Vampiren stand: nämlich, dass hier keine sind und auch nie welche waren.
Amerikanische Tourist*innen auf Schloss Bran. Noch wissen sie nicht, was sie nicht erwartet!
| © Gustav Beyer
Was gibt es noch Schönes zu erzählen? Ach ja: Als hätte ich’s geahnt, war ich in Brașov, als das jährliche Stadtfest stattfnd. Da war die ganze Zeit Musik, die größten Glocken Rumäniens in der Schwarzen Kirche haben gebimmelt und es sind viele Burschen auf ihren Rössern durch die Altstadt, hauptsächlich durch die Straße der Republik geritten, um an die Gesellen- und Burschentradition der Gegend zu erinnern und sie aufrechtzuerhalten.
Das Wetter war weitgehend sonnig, nur an diesem Tag zeigte sich der Himmel trist und grau-in-grau. Die Höchsttemperaturen erreichten Werte bis 20 Grad. Der meist starke Wind erreichte im Bergland vereinzelt Sturmstärke. So sah das aus:
Ein Bursche auf einem Pferd, noch einer und ein Polizist in der Brașover Altstadt.
| © Gustav Beyer
Hier hingegen scheint die Sonne wieder. Ich habe sogar eine ganz rote Nase! Obwohl ich extra eine sonnenresistente Zuckerwatte als UV-Schutz gegessen habe. Hat anscheinend nicht gut funktioniert.
| © Gustav Beyer
Jetzt bin ich wieder in Bukarest, heute war der erste Schultag nach den Ferien. Alle sind müde, alle wollen ihre Ferien wiederhaben und ich hatte kurz ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich mich total darüber gefreut habe, dass endlich wieder Schule ist! Hurra, ich habe die Zivilisation wieder und sie mich!
Sonnige Grüße aus der Kuhmagen-Metropole nach Deutschland und in die weite Welt!