Blog #5
Wie schnell können 15 Wochen verfliegen?
Ich bin ganz ehrlich, wenn ich darüber nachdenke, dann ist eine Zeit selten so unglaublich schnell verflogen wie diese. Und nach über drei Monaten kann ich sagen: Sofia ist ein kleines bisschen Zuhause, meine WG eine wunderbare kleine „Familie“ und die Schule ein Ort, an den ich jeden Tag unglaublich gerne gehe.
Die letzten Wochen waren noch einmal sehr ereignisreich. Nach und nach kamen alle Schüler*innen zurück in die Schule und es kehrte ein großes Maß an Normalität ein. Wie erwartet, fiel das Deutschsprechen einigen Schüler*innen leichter als anderen, da der Online- Unterricht nicht alle gleichermaßen erreicht hat. An diesem Punkt ist es wirklich schwer, sie zu motivieren, da Deutsch für die Schüler*innen eine sehr schwere Sprache ist, da sie sich stark vom Bulgarischen unterscheidet.
Aber wir haben uns bemüht, alles so spielerisch wie möglich zu wiederholen und gleichzeitig voran zu kommen, da die 18 Stunden Deutsch, die die Schüler*innen in der Woche haben, auch eine enorme Menge an Neuem beinhalten. Sie bearbeiten drei Lehrbücher (plus Arbeitshefte!) bis zum Ende des Schuljahres.
Im Dezember kam plötzlich auch der Schnee. Über Nacht war plötzlich die ganze Stadt weiß. Aber, anders als ich es aus Deutschland kenne, fuhren alle öffentlichen Verkehrsmittel und es kamen alle ohne Verspätung zur Schule. Sofia hat zudem einen deutschen Weihnachtsmarkt (Немски коледен базар) auf man neben deutschen Beschriftungen an den Buden, auch allerlei deutsche Spezialitäten und Glühwein finden konnte.
Für die Kleinen gab es eine riesige Überraschung: gemeinsam mit den SCHULWÄRTS!-Praktikant*innen Eliane und Hanna sowie zwei Klassen aus Deutschland haben wir ein Weihnachtskartenprojekt organisiert, in dem die Schüler*innen Weihnachtstraditionen aus ihrem Land erklärt und eine Weihnachtskarte gebastelt haben. Diese haben wir dann in die anderen Länder verschickt und in den Klassen verteilt.
Die Freude, die die Kinder allein beim Basteln und Schreiben hatten, war riesig, aber nichts gegen das Leuchten in den Augen, als bei der Weihnachtsfeier am letzten Tag die Karten aus Rumänien, Schweden und Deutschland verteilt wurden. Sie versuchten sich gegenseitig die Texte vorzulesen und zeigten sich stolz gegenseitig ihre Karten. Ein Mädchen hat sogar eine Handynummer eines Mädchens aus Deutschland in ihrer Karte gefunden, mit dem Wunsch doch gerne in Kontakt zu treten. Andere stellten fest, dass die Kinder aus Rumänien ganz ähnliche Namen haben, wie die Kinder in ihrer Klasse, während die Deutschen „ganz verrückte“ Namen tragen.
An dieser Stelle, falls ihr das lest: Liebe Eliane, Liebe Hanna, das war eine hervorragende Idee und ich bin sehr froh, dass wir das zusammen mit den Klassen in Deutschland umsetzen konnten und dass alles so fantastisch geklappt hat. Ich hoffe, eure Schüler*innen haben sich ähnlich doll gefreut!
Ende gut, alles gut?
Diese Frage kann ich definitiv mit ja beantworten. Obwohl der Online-Unterricht sehr anstrengend und für alle Beteiligten sicher nicht optimal war, so war es auch spannend zu sehen, wie selbstverständlich und routiniert das komplette Schulleben innerhalb eines Tages in diesen Modus umgestellt und auch wieder zurückgestellt wurde. Es war sehr deutlich, dass dies nicht das erste Mal war und – vermutlich – auch nicht das letzte Mal.
Ebenso lehrreich war die Erfahrung der Online-Unterrichtsgestaltung. Da die Schule Google Classrooms benutzt, gab es nicht die Möglichkeit, Gruppenarbeiten zu machen, sodass immer Einzel- oder Plenumsarbeit stattgefunden hat. Zudem hatten manche Schüler*innen nur ihr Handy als Endgerät, was die Methodenvielfalt teilweise weiter einschränkte. Was auch trainiert wurde, war vor allem eine ganz neue Form des Stille-Aushaltens. Dadurch, dass die Kameras in der Regel nicht an waren, kam es nicht selten vor, dass sehr spät oder gar keine Antwort auf eine Frage kam.
Der Unterricht, der in Präsenz stattfand, war aber sicher eine der lehrreichsten Episoden meiner bisherigen Ausbildung. Allein das Gefühl vor einer Klasse zu stehen oder die Erkenntnis, dass Pläne auch mal scheitern können und eine Stunde am Ende ein ganz anderes Ergebnis haben kann, als man vielleicht wollte, das aber viel besser ist, waren sehr wichtige und nachhaltige Erfahrungen. Zudem hat es mir unfassbar viel Spaß gemacht, meine eigene Muttersprache zu vermitteln, auch wenn das eine ganz andere Herausforderung war, als Deutschunterricht in Deutschland. Auch der Input, der in der Uni im Bereich DaZ/DaF gegeben wurde, war tatsächlich wenig hilfreich.
Was noch hinzukommt, ist, dass ich wirklich jedem nahelegen kann, einmal ein anderes Schulsystem kennen zu lernen. Was letztlich die Schlussfolgerungen aus dieser Begegnung sind, das kommt sicherlich stark auf das System und die Reflexion an, aber ich fand es für mich persönlich sehr wichtig, diese Erfahrung zu machen.
Abschied von den Kleinen | © Gina Borgmann