Blog #6
Das Shavnabada Gymnasium – Meine Schule in Tbilisi
Die Schule und das Kollegium
Ich unterrichte in Tbilisi am Shavnabada Gymnasium. Dieses wurde 1995 von der stellvertretenden Schulleiterin und ihrem Ehemann gegründet. An der Schule unterrichten circa 130 Lehrkräfte, davon sind nur ungefähr zehn männlich. 870 Schüler*innen besuchen die Schule von der ersten bis zur zwölften Klasse.
Unsere täglichen Teestunden
| © Hanna Schnittger
Generell ist das Verhältnis zwischen den Lehrkräften, den Schüler*innen und der Schulleitung sehr familiär. An meinem ersten Tag begrüßte mich der Schulleiter mit den Worten “Willkommen in der Familie”. So fühle ich mich hier auch: in den Pausen (von denen ich viele habe) bekomme ich immer von verschiedenen Lehrer*innen Essen oder Trinken (manchmal auch selbstgemachten Wein oder Schnaps) angeboten und wir essen zusammen. Das ist sehr gut, so habe ich nie Hunger.
Die Kommunikation ist jedoch etwas schwieriger, da die meisten Lehrer*innen kein Englisch sprechen und mein Georgisch nicht wirklich für Smalltalk ausreicht. Lächeln und Essen anbieten geht aber immer.
Die Schule wird von dem Sohn der stellvertretenden Schulleiterin geleitet. Ihr Mann, der mit ihr die Schule gegründet hat, ist Priester und hier der Schulpriester. Da er viel in der Kirche zu tun hat, hat er sein Amt als Schulleiter an seinen Sohn abgegeben.
Das Shavnabada Gymnasium ist kein richtiges Gymnasium: In Georgien gibt es keine verschiedenen Schulformen, wie man dies aus Deutschland kennt. Hier sitzen alle Schüler*innen unabhängig von ihren Leistungen in einer Klasse zusammen.
Das Shavnabada Gymnasium ist eine private Schule und unterscheidet sich sehr zu öffentlichen Schulen in Georgien: die maximal erlaubte Anzahl von Schüler*innen in einer Klasse an dieser Schule ist 20, in öffentlichen Schulen sitzen bis zu 40 in einer Klasse. Außerdem ist die Schule technisch sehr gut ausgestattet und die Schüler*innen tragen eine Schuluniform: die Mädchen weinrote Blazer, weiße Oberteile und einen blau-weinroten Rock, die Jungen tragen ein weißes Hemd, blaue Hosen und eine blaue Weste. Die Hemden und Oberteile können individuell ausgesucht werden. Zudem gibt es die Regeln, dass sich die Schüler*innen nicht die Haare färben und sich nicht schminken dürfen. Als Regel für die Lehrerinnen gilt, Röcke zu tragen und sich schick zu kleiden.
Es gibt auch eine interessante Regelung zur Handynutzung: die Handys werden morgens vor dem Unterricht abgegeben und nach dem Unterricht werden sie wieder abgeholt.
Das Lehrerzimmer und die Bibliothek wurden vor einigen Jahren renoviert. Beides befindet sich auf dem Dachboden der Schule. Jede Lehrkraft hat einen eigenen Computer mit Internetzugang zur Verfügung, was das Arbeiten sehr erleichtert. Dies ist absolut nicht üblich für Schulen in Georgien.
Die Schule hat eine eigene Turnhalle und eine Bäckerei, in der sich die Schüler*innen und auch die Lehrkräfte typisch georgische Backwaren kaufen können. Außerdem gibt es einen Schreibwarenladen im Erdgeschoss der Schule und eine Cafeteria für die Grundschüler.
Die Schule ist in drei Ebenen aufgeteilt: unten die Grundschule, in der Mitte die mittleren Klassenstufen und oben die zehnten bis zwölften Klassen.
An der Schule werden häufig Aktivitäten wie Feste, Präsentationen und Wettbewerbe veranstaltet. Zuletzt wurde hier ein Herbstfest veranstaltet, auf dem von Schüler*innen gebastelte Dinge, Essen und Trinken verkauft wurden.
Pro Woche habe ich mindestens 20 Stunden Deutschunterricht, jeden Tag bis 15:30 Uhr. Danach korrigieren wir zusammen Hausaufgaben oder Tests, besprechen den Unterricht für den nächsten Tag.
Meine beiden Kolleginnen, in deren Stunden ich helfe, unterrichte und hospitiere, sind Dali und Maya. Sie sind beide sehr herzlich und wir reden und lachen viel, trinken noch mehr Tee und verbringen unsere 17 Freistunden pro Woche zusammen.
Dali, Maya und ich | © Hanna Schnittger Torten ohne Ende
© Hanna Schnittger Das Bild von Dali, Maya und mir ist an dem Geburtstag des Schulleiters entstanden. Georgier*innen feiern wohl sehr gerne, deshalb wird natürlich auch viel in der Schule gefeiert. Die größte Feier war die des Schulleiters, es gab eine riesige Torte und Sekt für jeden, schnell in der 10-Minuten-Pause. Torten gibt es für jeden und zu jedem Anlass: an meinem Geburtstag habe ich eine Torte bekommen und letztens hat eine Lehrerin ihr erstes Gehalt gefeiert. Das ist super, die Torten sind so lecker und sie werden mit jedem geteilt, so bekommt man immer etwas ab. Auch wurde der internationale Lehrertag gefeiert, jede Lehrkraft hat ein Geschenk und eine Gratulation der Schulleitung erhalten.
Zur allgemeinen Situation von Lehrerinnen und Lehrern in Georgien: die Lehrer*innen haben ein sehr niedriges Einkommen, weshalb sie neben dem Unterricht in der Schule (hier bleiben die Lehrkräfte bis 17 Uhr in der Schule) sehr oft noch privaten Unterricht geben müssen. Wie man auch an der Anzahl der Lehrer erkennen kann: die meisten Lehrkräfte in Georgien sind weiblich, es gibt kaum männliche Lehrer.
Der Unterricht
Deutsch wird in 15 Klassen unterrichtet, aufgeteilt auf Dali und Maya. Ich kenne jetzt über 250 Schüler*innen, wodurch es mir häufig schwerfällt, alle direkt zu erkennen. Vor allem, wenn ich nicht regelmäßig in den Klassen bin.
Die erste Stunde beginnt nach einem Morgengebet um 9:20 Uhr. Jede Stunde dauert 45 Minuten. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es hier keine Doppelstunden und jede Klasse hat ihren eigenen Klassenraum. Feste Sitzordnungen gibt es hier nicht, die Schüler*innen sitzen häufig anders. Die Tische stehen aufgereiht, meist in Pärchen, nebeneinander.
Die meiste Zeit des Unterrichts wird frontal unterrichtet, dabei wird sich hauptsächlich an das Lehrwerk gehalten. Dies war für mich neu, da in Deutschland im Unterricht sehr darauf geachtet wird, im Unterricht verschiedene Methoden und Sozialformen einzusetzen.
Wenn sich die Schüler*innen melden, stehen sie meistens auf, wenn sie sprechen. Das war auch neu für mich.
In den meisten Klassen, die ich unterrichte, sitzen circa 16 Schüler*innen. Dies bedeutet aber nicht, dass es ruhiger ist. Es wird oft durcheinander gesprochen oder es werden Beiträge eingeworfen.
Eine Schwierigkeit ist, dass die Lehrerinnen die meisten Dinge auf Georgisch übersetzen oder häufig Georgisch reden, somit verstehe ich oft nichts im Unterricht und sitze oder stehe dann lächelnd daneben. Das liegt vor allem daran, dass die Schüler*innen verschiedene Niveaus im Deutschen haben und die Lehrerinnen somit sicherstellen, dass alle die Aufgaben etc. verstehen.
© Hanna Schnittger Mein Schulweg
Die Schule ist fünf Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Ich brauche jeden Morgen ungefähr 40 Minuten zu meiner Schule, manchmal etwas länger. Zurück variiert die Zeit sehr, da die Marshrutka an manchen Tagen langsam, an manchen Tagen schnell zum Ziel kommt.
Zur Schule fahre ich 10 Minuten mit der Metro und gehe dann von der Station 20 Minuten. Dabei muss ich durch ein Viertel gehen, in dem nur Georgier*innen wohnen, was bedeutet, dass ich immer von den Menschen angestarrt werde. Am Anfang fand ich das echt nervig, vor allem wenn die Menschen mir hinterhergepfiffen haben, inzwischen habe ich mich einigermaßen daran gewöhnt. Leider sind die Straßen sehr schmutzig, weshalb ich immer meine Schuhe mit zur Schule bringe und dort wechsle, weil sie sonst zu dreckig werden würden.
Auf dem Weg zur Schule muss ich über einen großen Markt gehen, auf dem neben Obst, Gemüse und Fleisch gefühlt alles gekauft werden kann, wie zum Beispiel Kleidung, Duschköpfe, Plastikbehälter in allen Formen und Größen, Babybadewannen… Leider wird das Fleisch auf dem Markt nicht immer gekühlt, weshalb ich gelernt habe, an welchen Stellen ich lieber die Luft anhalten sollte, um nichts zu riechen. Es ist aber trotzdem interessant, jeden Tag über den Markt zu meiner Schule laufen zu müssen.
Am Ende des Schultages fahre ich mit der Marshrutka zur Metrostation und dann nach Hause. Morgens kann ich die Marshrutka leider nicht nehmen, da es zu ungewiss ist, ob sie pünktlich ankommt oder im Stau stehen bleibt.