Blog #2
Das chinesische Schulleben & die ersten Eindrücke
Die erste Woche des Praktikums an der „Shenzhen Second Foreign Languages School“ ist vergangen. Noch immer fällt es mir schwer, meine Gedanken und bisherigen Eindrücke von China und der Schule zu ordnen. In meinem ersten Blogeintrag habe ich bereits angedeutet, dass auch ich vom bekannt berüchtigten „Kulturschock“ betroffen war – und ehrlicherweise tatsächlich noch immer bin! An dieser Stelle möchte ich jedoch eigentlich ungerne den Begriff des „Schocks“ verwenden, da er für mich viel zu negativ ausgelegt wird. China, das Leben, die Schule, die Menschen und vor allen Dingen das Essen sind für mich nur anders und ungewohnt. Aus diesem Grund ordne ich die Erfahrungen an der Schule als neue, kulturelle und verwunderliche Momente ein :)
Angekommen in Shenzhen, einer zwölf Millionen Metropole im Süden Chinas, war ich zunächst erschlagen von der Temperatur, als ich aus dem Flugzeug stieg. Das Wetter in Shanghai war schon angenehm warm und – verglichen zum deutschen Wetter im Oktober –sehr sommerlich. Doch Shenzhen war drückend heiß. Für mich als Hochsommerbegeisterte definitiv das Richtige. Am Flughafen traf ich endlich die Deutschlehrerin der Schule, welche mich während meiner nächsten zwei Monate betreuen sollte. Meine enorme Aufregung und die vielen Fragen im Kopf waren zum Glück schnell verflogen, als ich die freundliche und sehr hilfsbereite junge Frau kennenlernte. Lediglich eins wunderte mich – und wahrscheinlich sie auch über mich. Um sich von den Sonnenstrahlen zu schützen, bedeckte sich die Frau mit einem Sonnenschirm in jeden Moment als wir draußen waren. Ich hingegen wählte den Weg zum Auto so, dass ich möglichst viel Sonne abbekam. Das ist doch wirklich total interessant, wie sich die Bedürfnisse und Schönheitsideale von Land zu Land unterscheiden!
Eins kann ich schon mal Vorweg nehmen. Mein ständiges Suchen nach den intensivsten Sonnenstrahlen wurde bisher in der Schule oder auch woanders in China nur irritierend beobachtet oder ungläubig wahrgenommen.
Mein neues Zuhause gefiel mir auf Anhieb. Zwar ist das Zimmer sehr schlicht, aber ich habe einen Raum, sogar mit eigenem Bad, für mich ganz alleine. Für deutsche Verhältnisse mag dies Normalität sein. In China hingegen teilen sich die Schülerinnen und Schüler, meistens auch die Lehrerkräfte ein kleines Zimmer. Auch in der Lehrerunterkunft, in welcher ich jetzt lebe, wohnen die meisten Lehrkräfte zu zweit in einem Zimmer. Ich erkannte diese wertschätzende Geste sofort und empfinde es nach wie vor als ein sehr großes Privileg hier ein kleines Reich und meine Privatsphäre zu haben. Noch viel schöner wurde das Ankommen aber dadurch, dass mir die Deutschlehrerin einige private Dinge aus ihrem Haushalt mitbrachte, mit denen ich mein Zimmer etwas wohnlicher gestalten konnte. Im Laufe des Tages brachte sie immer mal wieder etwas Neues vorbei. Ich konnte mich gar nicht oft genug bedanken und war froh, ihr im Gegenzug ein paar mitgebrachte Geschenke aus Deutschland überreichen zu können. In meinem Zimmer waren nun ausreichend Geschirr, Tassen, Tee und Kaffee vorhanden und sie freute sich über ein paar typisch deutsche Kleinigkeiten, wie Handcreme, Weingummi und Schokolade.
Ich denke unser Kennenlernen hätte nicht besser laufen können und hat sicherlich eine gute Ebene für ein gemeinsames Arbeiten im Klassenraum geschaffen.
Der erste Tag wurde mit einem gemeinsamen Essen in einem typisch chinesischen Imbiss und einer Vorstellung des kleinen Viertels, welches direkt an der Schule angrenzt, abgeschlossen. Ich persönlich hätte wahrscheinlich niemals dieses „Restaurant“ ausgewählt, aber überraschender schmeckten die vegetarischen Nudeln ganz gut und dazu waren sie mit dem Preis von knapp einem Euro ein richtiges Schnäppchen. Ein Vorgeschmack auf die chinesische Esskultur wurde mir dort bereits auch geboten. Schmatzen, Schlürfen und unzerkaute Essensreste in einen Mülleimer zu spucken, schienen völlig normal zu sein. Obwohl ich ehrlich gesagt schockiert war und das Essverhalten ganz und gar nicht mit meinen Esssitten übereinstimmte, versuchte ich cool zu bleiben und einfach mitzumachen. Als erste persönliche „Challenge“ wollte ich einfach mal laut Schlürfen. Naja okay, ich gebe zu, dass Essen mit Stäbchen steht auch noch ganz oben auf meiner „To-Learn-Liste“ für China. Überraschenderweise ist es Niemanden aufgefallen. Nur ich fühlte mich komisch und empfand mein gespieltes Schlürfen als ganz und gar nicht authentisch. Aber wenn es Niemanden aufgefallen, sollte dies wohl ein gutes Zeichen gewesen sein :)
Chinesische Nudeln
| © Juhmanah Kabbany
Zur Schule, dem Schulleben und zum Unterricht kann ich bereits nach fünf Tagen unglaublich viel erzählen - oder vielmehr schreiben. Dafür möchte ich jedoch einen ganz eigenen Blogpost verwenden. So viel kann ich schon einmal sagen – die Tage sind lang, sehr organisiert und kaum zu vergleichen mit dem Schulalltag, den ich bisher an deutschen Schulen kennengelernt habe. Dazu muss ich anmerken, dass die Schülerinnen und Schüler sowie ein Teil der Lehrkräfte von Montag bis Freitag in der Schule leben. Es ist also vielmehr ein Internat. Es wird in der Schule geschlafen, gelernt, gegessen und Sport gemacht. Lehrkräfte und Lernende leben zusammen auf einem Campus und verbringen gemeinsam die Woche zusammen und fahren am Wochenende nach Hause. Auch in diesem Punkt bin ich unglaublich froh so eine Art Schulleben ebenfalls erleben zu dürfen.
Der Schulcampus der Shenzhen Second Foreign Languages School
| © Juhmanah Kabbany
In der Schule haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit verschiedene Sprachen zu lernen. Dazu gehören, nach meiner bisherigen Kenntnis, Englisch, Französisch und Deutsch. Bis jetzt gibt es jedoch nur eine Deutschklasse mit dreizehn Jugendlichen, welche zum Teil aus Anfängern (A1 Niveau) aber auch aus etwas fortgeschritten Lernern (B1 Niveau) besteht. In dieser Klasse werde ich zusammen mit meiner betreuenden Deutschlehrerin die nächsten zwei Monate unterrichten. Bis jetzt kann ich auch hiervon nur Positives berichten. Die Schülerinnen und Schüler sind nett, zwar etwas schüchtern, aber extrem motiviert, Deutsch zu lernen. Im Vergleich zu Deutschland empfinde ich das Arbeitsverhalten als sehr diszipliniert und organisiert. Auch die Lautstärke innerhalb der Klasse oder auch auf dem Campus ist deutlich geringer. Für mich irgendwie sehr ungewohnt und teilweise auch unangenehm, diese Stille. Wahrscheinlich werde ich diesen letzten Aspekt erst richtig zu schätzen wissen, wenn ich wieder an einer deutschen Schule bin ;-)
Die Mensa und die Mahlzeiten sind für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig. Nein, ich bin ehrlich – am ersten Schultag war ich schockiert. Der große, kahle Raum stellt für mich absolut keine angenehme Atmosphäre zum Essen dar. Zuhause mache ich es mir gerne gemütlich, zünde eine Kerze und nehme mir Zeit für die Mahlzeiten. Ich habe das Gefühl, dass auch das Essen hier in der Schule viel effizienter verläuft. Schön drapierte Teller sowie ausgedehnte Zeit zum Essen gibt es jedenfalls nicht. Wer aufgegessen hat, steht auf und verlässt den Saal.
Ein kleiner Zufluchtsort ist für mich das „RestTime Café“ in dem Viertel an der Schule. Eigentlich ist das Viertel nur eine Straße mit einem Supermarkt und ein paar einheimischen Geschäften. Ausländische Besucher wie mich gibt es hier nicht, wodurch ich bei den „Locals“ schon sehr auffalle. So langsam wird das Angestarrtwerden aber auch zur Gewohnheit. Ein bisschen „internationales Feeling“ verspüre ich jedoch durch das Café. Die Mitarbeiterinnen haben extra für mich eine deutsch-chinesische Übersetzungsapp heruntergeladen, worüber ich meine Bestellung einigermaßen problemlos aufgeben kann. Was ich tatsächlich bestellt habe, bleibt jedoch immer eine Überraschung, bis ich es an den Tisch bekomme.
Eins bekomme ich aber immer mit Sicherheit: meinen geliebten Cappuccino in einer außerordentlichen Qualität und natürlich etwas Ruhe zum Nachdenken, um die ganzen neuen Erfahrungen in weiteren Blogposts zu verarbeiten. RestTime Café | © Juhmanah Kabbany