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nǐ hǎo (你好)
Die letzten Wochen vor meiner Abreise nach China sind wie im Flug vergangen. Vieles musste vor meinem Abenteuer organisiert, geplant, besorgt und gepackt werden, sodass ich die Zeit bis zum Abflug gar nicht richtig wahrgenommen habe. Spätestens als ich sicher, wenn auch etwas müde von der langen Reise, in China ankam und die Visumskontrolle passiert hatte, wurde mir bewusst, dass ich für die nächsten zwei Monate das Land, die Menschen, das Schulsystem und die Kultur näher kennenlernen würde.
Nach einem wiederholten Security-Check, der übrigens in Bahnhöfen und Flughäfen obligatorisch ist (weswegen man immer etwas mehr Zeit einplanen sollte), stand ich mit meiner neuen Sim-Karte bereit, das vor mir Liegende zu entdecken.
Die erste Nacht verbrachte ich in Shanghai, jener Metropole, die mich mit ihren nächtlichen Lichtern des BUND herzlich empfing. Am nächsten Tag ging es mit dem Highspeed-Zug nach Suzhou, wo mich meine Betreuerin Vivian abholte. Nach einer halbstündigen Autofahrt zur Schule besichtigten wir den Schulkomplex der Suzhou Science and Technology Town Foreign Language School (SSFLS), an der ich die nächsten acht Wochen verbringen werde. Obwohl ich am Sonntag ankam, lernte ich neben der Vizepräsidentin Frau Gu die zweite der drei Deutschlehrerinnen, Beate, kennen. Da wir beide auf dem Campus jeweils ein Apartment bewohnen, konnte sie mir die Umgebung des Suzhou Science and Technology Town-Districts mit seinen neu errichteten Malls, unzähligen Hochhäusern, angelegten Parks und Verkehrsanbindungen bei einem leckeren Hot-Pot erklären.
Meine erste Schulwoche dauerte nur zwei Tage, da ab dem 1. Mai Arbeitstagsferien in China sind und ich demnach nur einige Klassen und Schülerinnen und Schüler kennenlernen konnte. Die freien Tage habe ich genutzt, um mit Beate und Sophie, der dritten Deutschlehrerin, einige Tage in der grünen Stadt Hangzhou zu verbringen. So habe ich eine kleines Puzzleteil von China kennengelernt – denn was ich schnell durch die Gespräche mit Beate, Vivian und Sophie bemerkt habe ist, dass es viele Unterschiede hinsichtlich der Dialekte, der Speisen, des Gao Kao (der wichtigsten Prüfung für die chinesischen Schülerinnen und Schüler) und dem Klima zwischen den einzelnen Provinzen gibt.
Beate (links), Sophie (rechts) und ich erkunden Hangzhou
| © Jennifer Nomrowski
Da Beate und Sophie schon früher nach Suzhou mussten, weil in China die verpassten Schultage während der Ferien an den Wochenenden nachgeholt werden, war ich einen Tag alleine in der Stadt und schlenderte vor meiner Abreise durch die Einkaufsstraßen, die unzähligen Malls, kleinen Altstadtgassen und sah begeistert dem mittäglichen Treiben am Westlake zu. Da Ferien waren und Hangzhou zu einer der schönsten und grünsten Städte Chinas zählt, ist sie ein beliebtes Ausflugsziel, weswegen noch mehr Menschen dort waren. Die Parkanlage am See war voller Menschen, die zu Technobeats abzappelten, fünf Meter weiter zu klassischer Musik mit ihren Tanzpartnern schunkelten oder den unzähligen Gesangseinlagen passionierter Sängerinnen oder Sängern lauschten. Tatsächlich senkte ich mit meiner Anwesenheit den Altersdurchschnitt etwas. Da das Publikum größtenteils über 60 Jahre alt war, kam ich mir etwas unpassend in der Runde vor, was mich aber nicht davon abhielt, den schrägen und scheppernden Tönen zu lauschen.
Ich durfte auch für einige Hangzhouer Studierende des Tourismus als Interviewpartnerin fungieren – ihre Aufgabe war es, ausländische Touristen nach den Attraktionen Chinas und speziell nach denen in Hangzhou zu befragen. Drei wechselnde Interviewer und 20 interessierte und aufgeregte chinesische Studierende bildeten eine Traube um mich und fragten mich über meine Erlebnisse und Eindrücke von China. Als Dankeschön habe ich ein Mangobonbon und einen unvergesslichen Moment geschenkt bekommen. Dieser hat auch das unangenehme Gefühl wettgemacht, das ich bekomme, wenn ich merke, dass ich „heimlich“ in der Öffentlichkeit fotografiert werde.
Generell wird aber, wie oben bereits angedeutet, viel fotografiert – dazu im nächsten Eintrag etwas mehr. Nach meiner sechsstündigen Rückreise in mein Apartment, legte ich mich erschöpft von den vielen Eindrücken, aber voller Vorfreude auf die nächsten Wochen, auf mein Bett mit der harten Matratze.
(By the way: auch die soft sleeper-Betten in den Zügen sind eher im härteren Bereich auf der hart-weich-Skala anzusiedeln.)