Blog #2
Welcome to SSFLS - Die Schule, das Kollegium und die Klassen
Nach meinem Kurztrip nach Hangzhou fing die erste richtige Schulwoche an der Suzhou Science and Technology Town Foreign Language School (SSFLS) für mich an.
Die Schule
Die SSFLS umfasst eine Mittelschule für die Klassen 7-9 und eine Oberschule für die Klassen 10-12. Es gibt ebenfalls einen Kindergarten und eine Grundschule. Ich bin aber nur in der Mittel- und Oberschule. Die Schule besteht aus drei Departments: dem International Bachelor (IB), dem IG, das hauptsächlich englischsprachigen Unterricht umfasst, und dem national orientierten Department. Die Klassen des letztgenannten Departments werden Elite-Klassen genannt. Und es gibt noch reine Mädchen-Klassen. Je nach Schulstufe und Departmentzugehörigkeit tragen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Schuluniformen. Sogar die Sportanzüge tragen die spezifischen Farben und das Logo der Schule. Auch ich als Lehrerin trage montags und freitags eine Uniform. Umso stärker ist der Kontrast zu den anderen Tagen, an denen die Lehrkräfte ihre Alltagskleidung tragen. Das Namensschild, auf dem bei mir „Teacher“ steht, wird jeden Tag getragen. Ebenso wie das Handy, das die meisten Lehrer ständig bei sich tragen.
Für die Klassen ist die Nutzung der Handys während des Unterrichts verboten. Trotzdem kann sich anders der Aufmerksamkeit und Konzentration im Unterricht entzogen werden – beispielsweise durch das Erledigen der Hausaufgaben, für die es nach dem offiziellen Unterricht zwischen 17:00 und 21:00 Uhr eine Hausaufgabenzeit gibt. Somit ist der Schultag sehr lang und vor allem durchgeplant. In den acht bis neun Unterrichtsstunden sind Pausen und die obligatorische Augenmassage sowie die Laufeinheit von 800m für Schülerinnen bzw. 1200 m für Schüler der Mittelschule implementiert. So ist der Schulalltag durch verschiedene angebotene Kurse wie Fechten, Kalligrafie oder Modedesign abwechslungsreich.
Auf meine Fragen, was die Schülerinnen und Schüler am Wochenende machen würden, bekam ich oft die Antwort „Hausaufgaben“ oder „Lernen“. Immerhin sind sie am Wochenende zuhause, da sie unter der Woche auf dem Campus leben. Demnach sind auch nach der Schulwoche die Schule und das Lernen omnipräsent.
Auch wenn an unserer Schule keine Gao Kao, die Prüfung für den Universitätszugang, geschrieben wird, gibt es jeden Monat einen Prüfungszeitraum und einige Schüler haben gerade die Prüfungen ihrer Zhong-Kao, die für die Aufnahme in die Oberschule wichtig ist, absolviert.
Die Lehrkräfte
Da zwei der drei Departments sehr international ausgerichtet sind, gibt es einige Lehrerinnen und Lehrer aus dem englischsprachigen Ausland, die als Erstsprachler den Schülerinnen und Schülern des IB- und IG-Departments die Inhalte der Fächer auf Englisch vermitteln. Mit einem IB-Abschluss kann man nach der Schule im Ausland studieren, nicht aber in China, sodass die Entscheidung für dieses Programm wegweisend ist. Auch einige meiner Schülerinnen und Schüler möchten später in Deutschland studieren und deswegen Deutsch lernen.
Die Fremdsprachenlehrkräfte – an der Schule wird neben Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch auch Japanisch unterrichtet – waren einige Zeit im zielsprachigen Ausland, sodass sie ihre Eindrücke des jeweiligen Landes in den Unterricht als interkulturelles Lehren und Lernen einfließen lassen können. Ein großer Unterschied zur deutschen Lehramtsausbildung und zum Lehrerberuf ist die Anzahl der Fächer. Während in Deutschland zwei Fächer verpflichtend sind und man freiwillig noch ein drittes studieren kann, unterrichten die Lehrerinnen und Lehrer hier nur ein Fach. Und auch in einem viel geringeren Umfang als in Deutschland. Meine drei Deutschlehrerinnen haben durchschnittlich 11 Unterrichtsstunden, da jede Klasse vier Mal in der Woche Deutsch hat und Förderstunden für die besten Lehrenden erteilt werden. Vergleichbar mit der Elitenförderung in Deutschland werden die Leistungsstarken gefördert, die Nachhilfe zum Nach-, Auf- und Wiederholen erfolgt hingegen privat am Wochenende.
Die Stunden dauern 40-45 Minuten, sodass ich meinen Unterricht anpassen muss, da ich während der Praktika immer für 90 Minuten geplant hatte. Dementsprechend hoch ist das Vermittlungs- und Unterrichtstempo bei den chinesischen Deutschlehrerinnen.
In der übrigen Zeit zwischen 7:50 und 16:40 Uhr, die die Lehrkräfte in der Schule sein müssen (und manchmal darüber hinaus für die Aufsicht der Hausaufgabenzeit bis 21:00), erledigen sie schulinterne Aufgaben wie das Verfassen von Homepage-Einträgen, Planung von Aktivitäten und Projekten oder dem Planen von Unterricht. Ich habe wirklich viel Glück mit meinem Arbeitsplatz, da ich zwar vom Fremdsprachenbüro in das IG-Büro gezogen bin und deswegen weg von meinen Betreuerinnen, ich dadurch aber einen eigenen großen Schreibtisch bekommen habe. Ein Luxus, den ich in deutschen Lehrerzimmern vermissen werde.
Die Schülerinnen und Schüler
In der ersten Woche lernte ich die Klassen, zwei Siebte, zwei Achte, eine Zehnte und meine Deutsch-AG, und die Schülerinnen und Schüler mich kennen. Davor wurde ich schon mit neugierigen und staunenden Blicken auf den Fluren, die immer von einem fröhlichen „Hello Miss“ oder „Hello Teacher“ begleitet wurden, begrüßt. Da der kleinste Kurs sechs, der größte 18 SchülerInnen umfasst, konnte ich auch einige Fragen an die Klassen stellen, sodass interessante Gespräche entstanden, die durch das Nachfragen deutscher Vokabeln bei den Mitschülern und den einen oder anderen Versprecher ( „Ich bin 30 Jahre alt“, anstatt „13“) sehr aufgelockert wurden. Da die Kurse auf A1 und A2-Niveau sind, also im Anfängerbereich, war es für mich eine große Hilfe, dass in der ersten Stunde des Kennenlernens Beate, Sophie oder Vivian dabei waren, die dolmetschen konnten.
Wie ich bereist im letzten Blogeintrag angekündigt habe, spielt Fotografieren auch an der Schule eine wichtige Rolle. Nach jeder Unterrichtsstunde kamen zwei andere Fremdsprachenlehrkräfte in die Klasse, um mindestens zwei Klassenbilder-Motive zu fotografieren. Ich habe auch das Gefühl, dass die meisten Aktivitäten oder Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler mit dem Handy dokumentiert und auf Fotos verewigt werden. Da diese Bilder zeigen, was die Klassen geleistet, geschaffen, gemacht haben, werden sie oft für die Öffentlichkeitsarbeit der Schule genutzt.
Dies war auch der Fall, als ich in dieser Woche meinen ersten Vortrag über Europa und Deutschland an einer öffentlichen Schule gehalten habe. Ich wurde Anfang der Woche von der Vizepräsidentin Frau Gu gefragt, ob ich mir zutrauen würde, einen Vortrag vor 100 Schülerinnen und Schülern an einer der zahlreichen öffentlichen Schulen in Suzhou zu halten. Etwas nervös, aber dankbar für diese Erfahrung, habe ich zugesagt und einen Vortrag ausgearbeitet, den ich noch zwei Mal an einer anderen öffentlichen Schule halten durfte. Dieses Event – sowohl für mich, als auch für die Schüler und Schülerinnen, die zum ersten Mal eine ausländische Lehrerin an ihrer Schule begrüßten – war eindrucksvoll und einmalig und wurde auf diversen Fotos und Filmaufnahmen festgehalten. Ich werde die Erfahrung vor allem im Herzen tragen, weil ich viel Spaß, einen tollen Austausch mit den Englischlehrerinnen und den Schülerinnen und Schülern hatte und hoffe, ein bisschen Neugierde für andere Länder und Kulturen geweckt zu haben.