Blog #1
Nǐ hǎo Shanghai!
25 Millionen Einwohner – ständig in Bewegung – modern, schnell und innovativ
Mit diesem Wissen (oder auch Nichtwissen?) über Shanghai und nicht mehr und nicht weniger, machte ich mich Anfang Oktober auf in die Millionenmetropole. Auf dem Hinweg im Air China-Flieger schon auf China eingestimmt, landete ich zunächst in Peking. Nach einem zweistündigen Aufenthalt dort und den in Endlosschleife laufenden Melodien der Lieder „Guten Abend, Gute Nacht“ und „Bruder Jakob“, landete ich wenig später in Shanghai.
Da war ich also und wurde gemeinsam mit einer anderen SCHULWÄRTS!-Praktikantin, welche die ersten Tage während der „Golden Week“ mit mir in Shanghai verbringen wollte, von meiner Betreuerin abgeholt. Diese wartete schon inmitten der vielen Chauffeure mit einem Namensschild auf mich. Nach einer herzlichen Begrüßung ging es mit dem Taxi los in die Innenstadt – vorbei an unzähligen Wolkenkratzern, Brücken, Autos und Menschen. Aufgrund der gerade untergehenden Sonne und meinen sicheren Sprachkenntnissen (es wurde auf Deutsch geredet), fühlte ich mich durchaus wohl. Nach einer halben Stunde erreichten wir dann die Schule, wo das Schülerwohnheim und somit auch mein Zimmer liegen. Nach einem ausführlichen Rundgang verabschiedete sich meine Betreuerin schließlich.
Im Zentrum Shanghais und inmitten von Wolkenkratzern: meine Schule
| © Laura Manz
Am nächsten Morgen ging es dann auf Erkundungstour. Kaum auf der Straße angekommen, wurden wir von oben bis unten gemustert. Unsere anfängliche Vermutung, man sähe uns die lange Reise noch an, wurde bald verworfen. Obwohl in Shanghai viele Ausländer wohnen, scheint es nach wie vor etwas Besonderes zu sein, einen zu sehen. Natürlich kommt es darauf an, wo man sich gerade befindet. In typischen Hotspots wie dem Bund, der Nanjing Road oder im Yu Yuan Garden schienen wir beinahe Normalität zu sein.
Vera (links, Stipendiatin in Qingdao) und ich vor dem Yu Yuan Garden – in der „Golden Week“ NICHT zu empfehlen!
| © Laura Manz
Dennoch veranlasste das den einen oder anderen Chinesen dazu, sein Kind ein weniger fester zu halten, doch lieber eine Station zu stehen als neben uns zu sitzen, oder lieber mal wegzuschauen, um nicht Gefahr zu laufen, angesprochen zu werden. Was für mich anfänglich den Eindruck von Desinteresse oder Unfreundlichkeit erweckte, ist auf den zweiten Blick viel mehr auf die Fremdheit und Andersartigkeit unserer Kultur zurückzuführen. Während ich mich nicht scheute, mal hier, mal da nach dem Weg zu fragen, stieß ich oft auf verdutzte Gesichter, auf „no english“ oder auch auf Leute, die lieber einen Bogen um mich machten. Nicht aus Unfreundlichkeit, sondern weil es eben unüblich ist, von einem Nicht-Chinesen angesprochen zu werden. Viele Leute waren aber auch ganz aus dem Häuschen, schossen Fotos und drehten Videos, wie wir ihr Essen probierten.
„Can we take a photo, please?“ – Ein Verkäufer der vielen Foodmalls auf der Nanjing Road und ich mit einem Mochi in der Hand.
| Laura Manz
Auch in der Stadt, in Bars oder Cafés bemerkten wir des Öfteren interessierte und neugierige Blicke. Dabei wurde es dann aber auch belassen. Die Chinesen agieren aus meiner Sicht eher zurückhaltend. Umso erstaunter war ich, als ich dann doch eines Tages von einem Chinesen auf einer Parkbank angesprochen wurde. Nach zwei schweigenden Stunden nebeneinander – ich las ein Buch, der Chinese – Überraschung – schlief, wurde ich gefragt, woher ich käme und was ich hier treibe.
In anderen Situationen wiederum ist von Zurückhaltung keine Spur: In der U-Bahn, am Ticketautomaten oder in der Essensschlange. Hier habe ich das Gefühl, dass jede freie Lücke genutzt wird. Wer nicht zu seinem Vordermann aufschließt, wird überholt. Da die Dimensionen und die Menschenmengen in einer Stadt wie Shanghai jedoch viel größer sind, hat dies alles seinen Grund. Ich beispielsweise entschied mich die ersten Male nicht in die eindeutig schon überfüllte U-Bahn zu steigen, nur um dann zu bemerken, dass die nächste noch viel voller war. Aber wie an fast alles andere gewöhnt man sich auch daran und inzwischen gehören die vollen Bahnen für mich zum Alltag.
Rush Hour in der Shanghaier Metro
| © Laura Manz
Obwohl ich schon in vielen Ländern war, unterscheidet sich China sehr von jedem anderen. Die unbekannte Sprache, mein sich unterscheidendes Erscheinungsbild und die vielen verschiedenen Gerüche und Geschmäcker sind Dinge, an die ich mich erst gewöhnen musste. China ist aus meiner Sicht kein Land, welches einem den Einstieg besonders einfach macht. Im Gegenteil: Ich fühlte mich anfangs oft verloren, wenn niemand auch nur ein Wort Englisch verstand, wenn ich auf meine Bestellung „kein Fleisch bitte“ einen Hühnchensalat bekam, oder sich die Leute nach mir umdrehten. Auch empfand ich die Blicke und die Distanz mir gegenüber als einschüchternd.
All diese Erfahrungen machen das Leben in China jedoch sehr authentisch. Und hat man diese Andersartigkeit aber erst einmal akzeptiert und sich darauf eingelassen, trifft man auf tolle Menschen, die sich über jedes chinesische Wort freuen, auf leckeres Essen und auf unvergessliche Begegnungen.