Blog #3
Al Asriyya School
Die Al-Asriyya-Schule ist eine Privatschule, die aus einem Kindergarten, einer Vorschule, einer Grundschule und einer weiterführenden Schule besteht. Insgesamt wird Al-Asriyya von circa 1500 Schüler*innen und 181 Lehrer*innen besucht. Zur Schule gehören sieben Gebäude, in denen einige Labore für Biologie, Chemie, Physik und Informatik untergebracht sind. Zusätzlich gibt es eine Bücherei, eine Cafeteria, eine Arzt- und Zahnklinik, drei Spielplätze, ein Fußballfeld, einen Basketballplatz und ein Schwimmbad. Immer noch habe ich Probleme damit, mich in dieser Schule zu orientieren und brauche etwas länger, um einen bestimmten Raum zu finden. Alle Gänge und Flure sind ineinander verschachtelt und die Treppen sind sehr schmal geschnitten. Es ist so eng, dass man jedes Mal wirklich aufpassen muss, wenn die Person von der gegenüberliegenden Treppenseite zu weit von ihrer abkommt. Aus diesem Grund werden die Kinder bereits im Kindergarten bis zur Grundschule darauf geschult, immer rechts ganz nah an der Wand zu laufen. Kleine Fußabdrücke auf dem Boden dienen hierbei als Hinweis.
Please, keep right! :-)
Neben den Hauptfächern gehören auch die Fächer Schauspielkunst (Drama), Kunst, Musik und Berufsbildung zu den Lehrangeboten der Schule. Darüber hinaus gibt es umfangreiche außerschulische Aktivitäten, wie die Pfadfindergruppe, mehrere Sportvereine, Sportwettbewerbe und gemeinnützige Arbeit im Fastenmonat Ramadan. Zusätzlich zu den sozialen und sportlichen Aktivitäten, nimmt die Schule auch an Model United Nations (MUN) teil und stellt dort im Rahmen einer Simulation die Arbeit der Vereinten Nationen nach.
Die erste Fremdsprache, die die Schüler*innen lernen, ist Englisch. Ab der fünften Klasse können sie sich dann zwischen Deutsch und Französisch (als zweite Fremdsprache) entscheiden. Zusätzlich gibt es noch einen Unterschied zwischen den National Classes und den International Classes. Die National Classes werden in der Erstsprache, also Arabisch, unterrichtet. Hiervon sind die Fremdsprachen natürlich ausgenommen. Die International Classes werden hingegen ausschließlich auf Englisch unterrichtet und auf die Prüfungen des Cambridge IGCSE vorbereitet. Das IGCSE (International General Certificate of Secondary Education) entspricht einem international anerkannten Mittelschulabschluss. Im britischen Schulsystem ist dies die wichtigste Abschlussprüfung für die Sekundarstufe I (High School). Die Schüler*innen der IG-Klassen verfolgen primär das Ziel, später im Ausland, wie zum Beispiel in Großbritannien, zu studieren. Fraglich bleibt dabei, ob dieses Ziel am Ende wirklich von den Schüler*innen oder den Eltern verfolgt wird. Der Deutschunterricht findet sowohl in den National Classes als auch in den International Classes statt. Hierbei zeigt sich jedoch ein Unterschied. Derart, dass die N-Classes Deutsch zwei- bis dreimal und die IG-Classes Deutschunterricht durchgängig vier Stunden in der Woche haben. Auch im Unterricht ist mir aufgefallen, dass viele IG-Classes den Deutschunterricht ernster und pflichtbewusster wahrnehmen als manche N-Classes.
Das German- und French Department teilt sich gemeinsam einen Raum, eine Art „Lehrer*innenzimmer“. Miss Dalia ist Head of the German and French Department und unterrichtet selbst Französisch. Insgesamt gibt es mit mir zusammen vier Deutschlehrer*innen. Anas, Manal und ich übernehmen hauptsächlich den Deutschunterricht an der Sekundarschule. Dina ist für die Deutschstunden in der Grundschule zuständig. Die Grundschulzeit umfasst hier sechs Schuljahre.
Einmal pro Woche begleite ich Manal in die Grundschule. Das sind für mich persönlich immer die anstrengendsten Tage in der Woche. Auch wenn die Kleinen zuckersüß sind, geht es im Unterricht vielmehr um pädagogische, statt um fachliche Inhalte. Zudem brauchen die Schüler*innen der Grundschule immer noch sehr viel körperliche und emotionale Zuneigung. Hier ist es gewissermaßen normal, dass die Schüler*innen den Lehrer*innen immer wieder: „Teacher, I love you“ sagen oder einen umarmen, knuddeln oder die Haare anfassen wollen. Für mich persönlich ist das manchmal auch zu viel und ich bin diese körperliche und emotionale Nähe von Schüler*innen nicht unbedingt gewohnt. Ich brauche eine gewisse Distanz zu meinen Schüler*innen und kenne das auch gar nicht so, dass die pädagogische Beziehung auf so eine persönliche Ebene gebracht wird.
Demnach bin ich schon sehr froh, dass ich die meiste Zeit in der Sekundarstufe unterrichten darf. Das heißt nicht, dass es hier weniger ,chaotisch‘ ist. Bereits der Unterrichtsbeginn gestaltet sich etwas schwierig. Es ist hier überhaupt nicht schlimm, fünf bis zehn Minuten später den Unterricht zu beginnen oder zu beenden, oder wenn einzelne Schüler*innen zu spät zum Unterricht kommen. Ebenfalls kommen immer wieder andere Schüler*innen in die Klasse hinein, um ihre vergessenen Sachen abzuholen. Sofern ein Kind auf die Toilette möchte, gibt sie oder er der Lehrkraft ein Handzeichen und greift die sogenannte Toilettenkarte. Und schon geht’s los und die Toilettenkarte wird von den Schüler*innen untereinander weitergereicht.
Auf Nimmerwiedersehen mein auf die Minute genau, perfekt durchstrukturierter Unterricht, den ich aus Deutschland gewohnt bin umzusetzen. Diese Umstellung fiel mir anfangs sehr schwer. Auch mit diesem ständigen Hineinrufen kam ich anfangs einfach nicht klar. Witzig ist, dass die Schüler*innen, seit meiner Betreuung im Deutschunterricht, sich gegenseitig erinnern „Ey nicht reinrufen, du musst dich bei Miss Rita melden“.
Ja, die Lehrer*innen werden hier mit ihrem Vornamen angesprochen und formell wird noch das „Miss“ bzw. das „Mr.“ hinzugefügt. Auch wenn die Schüler*innen sehr laut und chaotisch auf mich wirken, sind sie dennoch super freundlich, liebenswert und motiviert. Sie unterstützen sich gegenseitig und helfen einander. Umso trauriger finde ich es, dass die Schüler*innen an Einzeltischen sitzen und eigentlich fast nur Frontalunterricht erleben. Ich versuche durch unterschiedliche Sozial- und Arbeitsformen sowie Methoden etwas Abwechslung in den Deutschunterricht einzubringen.
Mittlerweile fühle ich mich in der Schule wie ein festes Mitglied und es kommt mir manchmal so vor, als wäre ich schon immer hier gewesen (außer in den Situationen, in denen ich mich wieder im Schulgebäude verlaufe).
Auch meine Team-Kolleginnen sind super freundlich und immer hilfsbereit. Bei jeder Kleinigkeit bieten sie mir ihre Hilfe an und beantworten mir immer alle Fragen. Ich liebe es, die Pausen in unserem Office zu verbringen. Dann wird das mitgebrachte Essen auf den Tisch gepackt und jede bzw. jeder teilt mit jedem sein Essen. Wir machen Späße, erzählen uns Witze oder teilen auch unsere Sorgen miteinander. Donnerstag ist immer mein Lieblingstag an der Schule. Das ist dann der letzte Schultag in der Woche. Hier endet die Woche immer donnerstags und beginnt dann wieder sonntags. Am Donnerstag wird die Vorfreude auf das Wochenende aus unserem Department gewissermaßen hör- und sichtbar. Dann ,schmeißen‘ wir auch gerne die Musik an und fangen an zu singen und zu tanzen. Natürlich alles hinter verschlossenen Türen, sodass die Schüler*innen das nicht sehen bzw. hören.
Auch wenn der Schulalltag hier an der Schule sich etwas chaotischer gestaltet, ist es schön zu sehen, wie viel Leidenschaft und Lebensfreude sowohl die Schüler*innen als auch die Lehrer*innen an dieser Schule ausstrahlen. Und das Gute ist: man wird damit direkt angesteckt!