Blogartikel 5
Unterrichten – Reisen – Unterrichten
Was ich zur Zeit so in Polen treibe...
Meine Zeit in Polen vergeht unglaublich schnell. Es sind nur noch 2,5 Wochen bis zu meiner Heimreise. Ich bekomme viel Besuch aus dem Nachbarland – es kann von Vor- und Nachteil sein, wenn man so nah an zu Hause dran ist. Mir gefällt es sehr gut, ich kann meinen Liebsten die Orte zeigen, die ich hier entdecke und das Heimweh wird nicht so groß.
Die ganze Zeit bin ich auch in der Schule gut eingespannt und unterrichte viel. Es ist toll, dass ich so viel Unterricht selbst gestalten kann und meine Unterrichtskonzepte auch in Parallelklassen oder auf verschiedenen Sprachniveaus ausprobieren kann. Sowohl den Lehrkräften als auch den Schülerinnen und Schülern schien es auch wichtig zu sein, dass ich in allen Deutschklassen bin, sodass alle von „ihrer“ deutschen Praktikantin profitieren können.
Das Sprachcafé habe ich nun auch wirklich mit allen (ca. 250?) Deutschlernenden durchgeführt. Nebenbei war ich auf einem Schulausflug, beim Tag der offenen Tür habe ich für das Fach Deutsch geworben, und der Englischlehrerin Kasia und ihren künstlerisch begabten Schülerinnen habe ich bei der Umgestaltung des Englischraums geholfen. Es gibt immer etwas, wo ich helfen und mich einbringen kann.
Die Themen im Unterricht sind unter anderem: Essen, Gesundheit, Mode und Kleidung, Konsum, Berufe, Hamburg sowie der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung. Von der Erklärung von Grammatik halte ich mich dabei etwas fern und überlasse es den Expertinnen, also meinen Mentorinnen. Mein Fokus liegt nach wie vor eher auf der sprachlichen und authentischen Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern und der Auseinandersetzung mit spannenden Themen und Materialien, sowie spielerischen Methoden und interaktiven Aufgaben. Wortschatzarbeit, Phonetik, Chunks und Phrasen, Dialoge schreiben, einüben und vorspielen, Lieder singen, Hör-Sehverstehen mit aktuellen Videos, Vokabel- und Kommunikationsspiele… Das ist mein täglich Brot und es macht viel Spaß!
Den Überblick über die Klassen habe ich dabei schon nach einer Woche verloren, weshalb ich Buch führen muss, was ich wann, wo und mit wem gemacht habe, sonst komme ich völlig durch’n Tüdel. Leider kenne ich nur vereinzelte Namen von Schülerinnen und Schülern – das sind meistens diejenigen, die ich öfter ermahnen muss, oder diejenigen, die besonders positiv durch ihre gute Beteiligung im Unterricht auffallen. Ich muss mich wohl von der Illusion verabschieden, sie noch zu lernen.
Die kleinen Momente
In der schwer zu bändigen Klasse 1C hospitiere ich bei meiner Mentorin Kasia. Das Thema ist „Kleidung“ und die Frage, ob die Deutschen modisch sind. (Sportlich, praktisch, aber modisch?) Dazu gucken wir einen Film des Deutschlandlabors, produziert vom Goethe-Institut. Kasia erklärt unbekannte Ausdrücke aus dem Film an der Tafel und lässt die Schülerinnen und Schüler raten, was die Ausdrücke bedeuten könnten. In einer schriftlichen und mündlichen Übung sollen sie aus kurzen Beschreibungen fiktiver Personen über den eigenen Kleidungsstil Adjektive und Phrasen „klauen“ oder „stibitzen“. Dies führt dazu, dass sie sehr schnell, zum Sprechen befähigt werden, da sie die fertigen Ausdrücke schon vorliegen haben. Beide Methoden finde ich super. „Ich bin ein Modemuffel!“ ist der Satz des Tages.
Zum Ende der Stunde tönt es unvermittelt: „Frau May ist cool!“ aus einer Ecke. „Nein, Frau May sind cool, oder?“ Der Schüler schaut mich fragend an. Ich freue mich über diesen spontanen Zuspruch sehr, denn ich bin gerade gar nicht im Unterrichtsgeschehen eingebunden, sondern sitze nur dabei und hospitiere. Hier kann man den sprachlichen Lernprozess in vollem Gange beobachten, denn der Schüler hat sich gemerkt, dass er mich mit der Höflichkeitsform anreden soll, was wir auch im Sprachcafé geübt haben. Dass es dann „Frau May, Sie sind cool!“ heißen muss, erkläre ich ihm dann gleich auch noch. Und wir beide gehen fröhlich und bestärkt aus dieser Stunde: Ich wegen des schönen Kompliments, er wegen der erfolgreichen Kommunikation in der Fremdsprache.
Endlich mal wieder: Kindergeburtstag!
Auch mein Geburtstag gab wieder mal Anlass für authentische Kommunikation. In den Schulbüchern wird das Thema „Geburtstag“ oft mit Aufgaben wie der folgenden bestritten: „Schreibe eine Geburtstagskarte an eine fiktive Person.“ Das ist natürlich sterbenslangweilig. Viel besser ist es, wenn die Praktikantin ihren Geburtstag (nicht so) fern von zu Hause verbringt und ihn mit ihren Schülerinnen und Schülern feiert.
Zu diesem Zweck hatte ich mir verschiedene Übungen und Spiele ausgedacht, ein paar Fruchtspieße vorbereitet, Luftballons gekauft. Zunächst versuchte ich mit zwei Klassen „Wie schön, dass du geboren bist“, zu singen. Der Text und die Melodie sind aber leider gar nicht so einfach und es klang einfach nur schrecklich. Später bekam ich noch ein Ständchen auf Englisch und eines auf Polnisch, die klangen um Welten besser.
In einer Schreibübung sollten die Schülerinnen und Schüler etwas über ihren eigenen Geburtstag schreiben: wann er ist, mit wem sie feiern, was es für Kuchen und Essen gibt. Eine andere Übung gab es zum Geburtstagswortschatz. Ich lernte dabei, dass viele Schülerinnen und Schüler ihren Geburtstag wichtiger finden als ihren Namenstag, der in Polen auch gefeiert wird. Dann ging es um gute Wünsche zum Geburtstag und die SuS durften Luftballons damit beschriften. „Viele Autos“, „viele gute Schüler“ und „100 Jahre“ waren unter den Wünschen. Die Luftballons hingen wir in der Klasse als Dekoration auf.
Als krönenden Abschluss spielten die SuS „Reise nach Jerusalem“. Sie kannten das Spiel und hatten sichtlich Spaß dabei. Dazu gab es deutsche Popmusik und für die Verlierer eines Stuhls immerhin einen Fruchtspieß als Trostpreis. Lange ist es her, dass ich so einen Kindergeburtstag gefeiert habe und schön, sich so in die eigene Kindheit zurückzuversetzen. Von zwei Kolleginnen bekam ich kleine Aufmerksamkeiten und im Lehrerzimmer gab es Geburtstagsglückwünsche in vier verschiedenen Sprachen. Für mich ein super Tag!
Schließen möchte ich diesen Eintrag mit ein paar Impressionen aus Ruda Slaska. Die Stadt ist im Sommer angekommen und ich habe hier mein polnisches Zuhause gefunden. Das Wetter ist ähnlich wie in Hamburg, zur Zeit heiß und schwül mit einer gelegentlichen Abkühlung und Gewitter. Türen und Fenster sind entweder weit aufgerissen oder fest verrammelt, damit ja die kühle Luft nicht entweicht. Eis, Eis, Eis (Lody) ist die beste Abkühlung und ab und zu ins Schwimmbad gehen.