Blog #2
10 skurrile Fakten und Infos zum Verkehr in Georgien
Wer schon einmal in Ländern des Globalen Südens unterwegs war, kennt die für uns ungewohnten Arten der Fortbewegung. So trifft man auch in Georgien immer wieder auf Überraschungen im Straßenverkehr. Meine Eindrücke möchte ich auf diesem Wege teilen.
1. Autos als Statussymbol
Das mag einem bekannt vorkommen, da auch in Deutschland Autos als Statussymbol gelten. Die Georgier*innen sind mindestens genauso schlimm. Gerade junge Männer kaufen sich hier schicke Autos für wenig Geld und pflegen diese dann wie ihre Babys.
2. Ein zweites Leben
Viele Autos bekommen in Georgien ein zweites Leben. Sie werden entweder fast neu (zu einem sehr günstigen Preis) oder sehr alt (zu einem vermutlich noch günstigeren Preis) importiert. So sieht man auf der Straße Luxuswägen von allen bekannten Marken, aber auch Autos, bei denen die Stoßstange fehlt und die eindeutig schon einige Unfälle hinter sich haben. Es finden sich ebenfalls viele kleine Sprinter mit europäischen Werbeaufschriften, die hierher verkauft wurden. Letzte Woche bin ich beispielsweise an einem Rettungswagen mit der Aufschrift „ASB Mannheim“ vorbei gelaufen. Da viele Fahrzeuge aus Japan stammen, sieht man häufig Lenkräder auf der „falschen“ Seite.
Viele Autos fahren noch trotz großer Schäden
| © Petra Kurz
3. Bitte anschnallen!
In Georgien schnallt man sich an, wie in Deutschland, nur dass es einige Unterschiede gibt. Anschnallen müssen sich nämlich nur der Fahrer und der Beifahrer, die Rückbank ist egal. Dadurch gibt es hinten auch öfter mal keine Gurte. Die Pflicht gilt natürlich auch nur, wenn man erwischt werden kann. Auf dem Land wird darum auch vorne häufig auf den Gurt verzichtet. Wichtig ist, dass die Polizei von außen sehen kann, dass die Personen vorne angeschnallt sind. Ich bin vor kurzem in einem Auto gefahren, wo es keine Schnalle am Gurt gab. Der Fahrer zeigt mir, dass ich mir diesen einfach unter meinem Arm festklemmen sollte. Problem gelöst.
4. Bitte einsteigen (auf der Autobahn)
Mein Fahrlehrer sagte mir in meiner Fahrschulzeit immer, dass ich auf keinen Fall auf der Autobahn anhalten solle. Viel zu gefährlich sei es dort wieder anzufahren. Bei einem Unfall sollte ich sofort hinter die Leitplanke gehen. Daran dachte ich, als ich mitten auf der Autobahn in Georgien stand, um meine Maschrutka ans Meer zu nehmen. Viele dieser kleinen Busse fahren direkt vom Busbahnhof in meiner Stadt los. Allerdings fahren manche Maschrutkas auch nur an der Stadt vorbei. Dann muss man sich an ein Haltestellenhäuschen auf der Autobahn stellen und die richtige Maschrutka anhalten, die an einem vorbei rast. Der Nervenkitzel ist beim Reisen hier inklusive.
Anmerkung: Natürlich kann man auf der Autobahn nicht nur ein- sondern auch aussteigen, wie ich auf der Rückfahrt am eigenen Leib erfuhr. ;)
Die "Haltestelle" auf der Autobahn
| © Petra Kurz
5. Die Laster eines kleinen Ortes
Ich unterrichte an einer Schule in einem kleinen Ort, wohne aber in der nahegelegenen Stadt Gori. Darum muss ich jeden Tag mit der Maschrutka und einmal Umsteigen in das Dorf fahren. Morgens ist das auch kein Problem, weil der Bus (oft) pünktlich fährt. Nachmittags weiß man allerdings nicht, ob oder wann ein Bus zurück in die Stadt fährt. Ich warte manchmal eine halbe Stunde bis ein Bus oder Taxi an mir vorbei fahren. Das Schöne ist aber, dass man sich auf dem Land hilft. So wurde ich schon von einigen Bewohner*innen des Dorfes oder auch den Verwandten von Schüler*innen mitgenommen.
Auf dieser Schotterpiste muss man schon mal länger auf ein Verkehrsmittel warten
| © Petra Kurz
6. Straße überqueren (nicht) leicht gemacht
Dieser Punkt betrifft vor allem Tiflis, wo ich häufig an den Wochenenden zu Gast bin. Am Anfang war es mir nämlich ein Rätsel, wie man die großen Straßen der Hauptstadt überqueren soll ohne zu sterben. So wie manche Asiat*innen mit ihren Rollern fahren, so fahren Georgier*innen Auto – schnell und – für mich – chaotisch. Ich stellte mich an den Straßenrand und wollte andere Menschen beobachten und ihr Überqueren der Straße dann imitieren. Komischerweise sah ich fast keinen über die Straße gehen. Es hat etwas gedauert bis ich die Unterführungen bemerkt habe. Diese gibt es in jeder größeren Stadt in Georgien und haben den schönen Nebeneffekt, dass es dort unten Geschäfte, vom Bäcker bis zum Schuhladen gibt.
7. Züge quer durchs Land
2er Abteil im Nachtzug von Tiflis nach Zugdidi
| © Petra Kurz
Das Zugnetz in Georgien ist etwas ambivalent. Zum einen gibt es Bahnhöfe in sehr kleinen Orten und Nachtzüge quer durchs Land. Zum anderen wissen selbst die Georgier*innen oft nicht, wann der Zug fährt und die Buchung ist etwas kompliziert. So gibt es zum Beispiel eine Website auf der man theoretisch Züge buchen kann, allerdings sind dort nicht alle Verbindungen vermerkt und man muss sich erst anmelden um den Fahrplan einsehen zu können. Da ist es dann doch sicherer das Ticket direkt am Bahnhof zu kaufen. Ein besonderes Erlebnis sind allerdings die Nachtfahrten. Es gibt drei verschiedene Klassen: 2er-Schlafabteil, 4er-Schlafabteil und Großraumwagen. Bei den georgischen Preisen habe ich mir allerdings ein 2er-Abteil gegönnt, was leider nichts am Rütteln und den lauten Zuggeräuschen geändert hat. Aber ein Abenteuer muss ja auch nicht bequem sein.
8. Die Stadt von oben
Seilbahn in Borjomi
| © Petra Kurz
In Georgien gibt es in sehr vielen Städten Seilbahnen. Die meisten sind uralt und man weiß nicht so recht, ob es die schlauste Idee ist dort einzusteigen. Allerdings macht es Spaß, kostet wenig und die Blicke sind meist sehr schön. In einigen Städten erfüllt die Seilbahn auch ihren Nutzen und ist für manche Menschen Teil ihres Weges zur Arbeit. An vielen Orten ist es jedoch lediglich für die Aussicht gedacht. In Batumi zum Beispiel gab es nicht mal einen Weg weg von der Bergstation. Es geht also lediglich um den Blick. Da waren wir als laufstarke Deutsche schon etwas enttäuscht.
9. Shopping in der Maschrutka
In jeder Stadt in Georgien gibt es eine zentrale Maschrutkahaltestelle. Dort warten die Busse, bis sie voll sind und fahren dann los. Feste Zeiten gibt es nur für seltene Verbindungen. Während man also im Bus sitzt und wartet, kommen immer wieder Händler, die die Zeit nutzen. Sie steigen kurz ein, halten ihre Ware hoch, sagen den Preis und dann hat man kurz die Chance etwas zu kaufen, bevor der Bus losfährt oder der nächste Händler kommt. Bei längeren Wartezeiten können schon mal drei Verkäufer nacheinander einsteigen. Die Ware reicht übrigens von Süßigkeiten bis Badartikel und Kleidung.
Der Busbahnhof in Gori
| © Petra Kurz
10. Von A nach B in der Stadt
Neben Maschrutkas, dem wichtigsten Verkehrsmittel hier, und Zügen, die eher unwichtig sind, gibt es auch noch die Metro in Tiflis und natürlich Taxis. Die Metro ist super einfach zu nutzen. Es gibt zwar nur zwei Linien, aber um zu den wichtigsten Punkten zu kommen reicht es und eine Fahrt kostet umgerechnet nur in etwa 15 Cent. Möchte man dann doch mal etwas weiter, so lohnt sich ein Taxi. Da die Preise sehr variieren lohnt es sich, den Preis vor der Fahrt zu verhandeln oder man nutzt einfach eine App. Dann klappt das auch mit der Kommunikation besser. Georgier*innen sind des Englischen nämlich meist nicht mächtig.
Die Metro in Tiflis fährt am Rand der Stadt überirdisch.
| © Petra Kurz