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Blogeintrag 6
„Tīng bù dǒng“ - Die Sache mit der Sprache

Auch nach fast drei Monaten spreche ich noch nicht fließend Chinesisch ;) „Tīng bù dǒng“ (听不懂, etwa: ich kann es nicht verstehen) bleibt weiterhin mein einziger vollständiger Satz (außer „Wǒ shì déguó rén“ 我是德国人(ich bin Deutsche)). Immerhin fange ich an, ein paar Dinge wie Preisangaben oder Fragen nach meiner Herkunft zu verstehen. Komischerweise erkenne ich das Wort für „groß“ immer noch nicht, obwohl ich es täglich höre. Einfach dagegen: „Wàiguó rén!“ (Ausländer!). Im Grunde immer mit Ausrufezeichen, denn insbesondere Kinder rufen das sehr gern und zeigen aufgeregt dem Finger auf einen. Kurze Standardphrasen von Hui im Unterricht verstehe auch, könnte sie aber nicht richtig wiedergeben. Ansonsten schlage ich mich mit einer Mischung aus Gestik und einzelnen Worten durch (zu dem Problem mit einzelnen Worten siehe unten). So kann ich zum Beispiel auf etwas zeigen („zhè yīgè“ (das hier)) und dann die Menge angeben (liăng gè (zwei Stück)). „Nǐ hǎo“ (Hallo) und „Xièxiè“ (Danke) benutze ich dafür im Überfluss und weit häufiger, als Chinesen das tun würden (die benutzen z.B. Danke sehr viel weniger). Außerdem eine wichtige Vokabel in Hunan: „wēilà“ (mild scharf). Natürlich würde ich gern mehr Chinesisch lernen, denn inzwischen klingt diese Sprache sehr vertraut (auch wenn man absolut nichts versteht), jedoch traue ich mich meistens aufgrund der Aussprache nicht so richtig. Noch dazu muss man praktisch zwei Sprachen lernen – das Mündliche, mit der großen Herausforderung die Töne zu treffen (es gibt vier unterschiedliche Töne) und das Schriftliche, das mir weiterhin ein völliges Rätsel ist (obwohl ich schon sehr interessante Geschichten zu der Entstehung der verschiedenen Zeichen gehört habe). Natürlich würde das Verstehen der Schriftzeichen (insbesondere für Speisekarten) weiterhelfen, aber bei vielen Schildern oder Namen an Gebäuden gibt es in der Regel eine englische Übersetzung, sodass man sich als Analphabet halbwegs sicher durch China navigieren kann. Das Mündliche empfinde ich als sehr viel wichtiger für den Alltag, denn „mal ebenso kommunizieren“ ist hier nicht. Englisch bleibt eine Rarität, jedoch mit positiven Überraschungen, wenn plötzlich die Kellnerin oder die Person am Ticketschalter ein paar Sätze Englisch sprechen. Meistens habe ich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse meinerseits ein schlechtes Gewissen, da ein großes Interesse gegenüber Ausländern besteht. Das wird schnell deutlich, da man hier ständig angesprochen wird. Oftmals lassen sich die Fragensteller auch nicht von einem „tīng bù dǒng“ beirren und Fragen immer weiter. Das kann dann zum Teil auch etwas anstrengend sein, wenn man weiter zugetextet und erwartungsvoll und z.T. fast fordernd angeguckt wird.

Viel genutzt im Klassenzimmer: „ting“ (die oberste Variante). Darunter die anderen Wortbedeutungen mit anderen Tönen Viel genutzt im Klassenzimmer: „ting“ (die oberste Variante). Darunter die anderen Wortbedeutungen mit anderen Tönen | © Paula Keller Im Gegensatz zu anderen Fremdsprachen, in denen einen manchmal schon einzelne Wörter weiterbringen können, ist es hier von Vorteil, einen kompletten Satz zu sagen. Denn ein einzelnes Wort kann viele Bedeutungen haben, vor allem, wenn man die Betonung nicht richtig wiedergibt. Es gibt vier Töne (wenn man es genau nimmt noch einen fünften, neutralen): ā, á, ǎ und à. Das klassische Beispiel, was ich schon vor Jahren mal bei einem Chinesisch-Crashkurs gelernt habe: mā (Mutter), má (Hanf), mǎ (Pferd), mà (schimpfen). Ich habe schon Schwierigkeiten die Unterschiede herauszuhören, geschweige denn, sie zu reproduzieren. Ein einfaches Wort ohne Kontext und ohne korrekte Betonung hilft einem dann gar nicht weiter. Sevy, eine ausländische Lehrerin an meiner Schule, wird immer besser in Chinesisch, hat aber auch sehr viel Zeit darauf verwendet, die richtige Aussprache zu üben. Die Schriftzeichen lernt sie immer gleich dazu, da sie aber schon fließend Japanisch spricht, hat sie gewisse Vorteile. Alec, ebenfalls Lehrer an meiner Schule, spricht fließend Chinesisch, sagt aber, er gebe nicht allzu viel auf die Töne und selbst ich höre seinen amerikanischen Akzent. Trotzdem verstehen ihn hier alle, denn er spricht in ganzen Sätzen und hat ein großes Vokabular – ohne Kontext geht also wenig. Zum Chinesischlernen ist aber vor allem Durchhaltevermögen gefragt. Selbst Sprachtalent Sevy (spricht insgesamt fünf Sprachen) hadert oft mit der Sprache, da es immer wieder Situationen gibt, in denen man selbst oder der Gegenüber
absolut gar nichts versteht.

Apps

Glücklicherweise gibt es ja jede Menge Apps. Da hier eigentlich das ganze Leben über das Smartphone funktioniert, guckt auch keiner komisch, wenn man ständig sein Handy befragt. Erstaunlich gut funktioniert der offline Google Übersetzer. Zwar hält man dann seinem Gesprächspartner nach einem „Nǐ hǎo“ nur noch das Telefon unter die Nase, aber bisher konnte ich so immer das ausdrücken bzw. bekommen, was ich wollte. Auch die Chinesen benutzen gerne Übersetzungsapps, ihre App-Auswahl ist gefühlt nochmal um einiges größer als unsere, dabei sprechen sie meistens ins Telefon und bekommen die englische Übersetzung dann schriftlich angezeigt. Eine Riesenhilfe ist die Übersetzungsfunktion von WeChat (das chinesische WhatsApp was noch viel, viel mehr kann als WhatsApp). So kann ich zum Beispiel die Nachrichten im Gruppenchat der Englischlehrer oder auch die Kommentare bei WeChat-Momente (ähnlich wie Facebook) mitlesen. Bis auf ein paar Ausnahmen funktioniert das hervorragend. Natürlich sind die Sätze oft ein wenig schräg, aber meistens kann man sich zusammenreimen, worum es geht. Obwohl dies natürlich super hilfreich ist, ist es als alleiniges Kommunikationsmittel befremdlich. Wenn man irgendwann schweigend nebeneinander sitzt und nur auf dem Telefon herumhaut, wie es zum Beispiel bei einem Abendessen bei meiner Nachbarin der Fall war, ist das schon komisch. Waygo, eine App die Schriftzeichen „live“ übersetzen kann, benutze ich eher selten, da die Übersetzungen häufig keinen Sinn ergeben. Als Anhaltspunkt z.B. im Restaurant oder im Supermarkt ist es aber manchmal hilfreich. Die App Pleco erfreut sich großer Beliebtheit unter den ausländischen Lehrern hier. Neben einer normalen aber sehr guten Übersetzungsfunktion kann man hier die Schriftzeichen nachmalen. Allerdings habe ich damit eher gemischte Erfahrungen, denn die App reagiert auf die Reihenfolge der Striche und da ich mich mit dieser Reihenfolge nicht auskenne, wird das Schriftzeichen häufig nicht erkannt.
 
  • WeChat-Momente zum Kindertag © Paula Keller
    WeChat-Momente zum Kindertag
  • Hier hilft nur Waygo weiter (zumindest etwas) © Paula Keller
    Hier hilft nur Waygo weiter (zumindest etwas)
  • Das erste Zeichen von Deutschland (Déguó) © Paula Keller
    Das erste Zeichen von Deutschland (Déguó)

Ein kleines Alltagsbeispiel: Auf dem Trockenen...

Im März hatte ich drei Tage kein fließendes Wasser. Nachdem es bereits am Freitag spontan in der ganzen Schule kein Wasser gab, war ich nicht besonders überrascht, als ich am Samstagmorgen auf dem Trockenen saß. Da es gerade viele Baustellen im Stadtteil Shifeng gibt, wird wohl immer mal wieder das Wasser abgestellt. Als es jedoch am Sonntagabend immer noch nicht wieder da war, ahnte ich, dass das Problem sich leider doch nicht von allein behebt. Nachdem ich feststellte, dass mein Wasserventil im Hausflur zunächst verschlossen war, hörte ich beim Öffnen des Ventils auf einmal ein Rauschen vom Dach. Dort lief nun ein großer Wasserbehälter voll und da ich nicht erkennen konnte, das es Nachteile hatte, lies ich die Tonne erstmal volllaufen. Kurz darauf machte sich Hui ein Bild der Lage und stellte nach Rücksprache mit den Nachbarn fest, dass der Rest des Hauses wieder fließend Wasser hatte. Leider musste sie wieder zurück in die Schule und so hatte der Mann von den Wasserwerken mit mir keine echte Ansprechpartnerin – was ihn nicht davon abhielt, mir alles auf Chinesisch mitzuteilen. Über WeChat (und dessen Übersetzungsfunktion) teilte er mir mit, dass das Problem tatsächlich in der Wohnung liegt, und nachdem auch Hui nochmal mit ihm telefonierte, bestätigte sie, dass das Wasser zwar im Hausflur ankommt, aber irgendwie nicht in meiner Wohnung. Da der Mann aber dafür nicht zuständig sei, telefonierte Hui mit der Wohnungsbesitzerin, die kurz darauf mit einem Mann im Schlepptau in meiner Wohnung stand. Zum Glück war Hui wieder dabei, denn natürlich sprachen auch sie (fast) kein Englisch. Ich wurde von der Wohnungseigentümerin fleißig beguckt und mal wieder für „very tall“ und „very beautiful“ befunden (dafür reicht das Englisch), was ich angesichts einer überfälligen Dusche noch weniger ernst nahm. Da das Problem weiterhin nicht vollständig behoben werden konnte (immerhin kam jetzt ein kleines Rinnsal aus dem Hahn!), kam sie abends mit neuer Verstärkung wieder vorbei. Wieder ohne Hui musste WeChat als minimale Kommunikationsgrundlage herhalten. Während der neue Klempner so gut wie alle Wasserschläuche auseinandernahm, was mich etwas beunruhigte, rauchte er eine Zigarette nach der anderen. Dass hier auch in geschlossenen Räumen geraucht wird, hatte ich bereits festgestellt, aber dass jemand eine fremde Wohnung so vollqualmt und die Zigarettenstummel in das Spülbecken wirft, ist dann doch gewöhnungsbedürftig. Aber nach einer halben Stunde war tatsächlich das Wasser wieder richtig da, insofern will ich mich mal nicht beschweren. Das Problem war wohl meine Wasserpumpe, die nicht mehr richtig lief. Im Badezimmer hatte ich anschließend sogar deutlich höheren Wasserdruck als vorher! Immerhin konnte ich mich mit „Xièxiè“ fleißig bedanken, ehe die Vermieterin per WeChat mitteilte, ich könne jetzt die Tür schließen.
 
  • Kommunikation mit der Vermieterin © Paula Keller
    Kommunikation mit der Vermieterin
  • Bei der Arbeit... © Paula Keller
    Bei der Arbeit...

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