Blog #4
KW 44: Pan Timo
„Guten Tag Frau Lehrerin … und Herr Timo.“ Diese Woche gibt es eine kleine Anekdote aus der Kategorie interkulturelle Verständigung. Disclaimer: Die Schilderungen sind von subjektiven Erfahrungen geprägt und erheben nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit.
In Deutschland lieben wir unsere Höflichkeitsform oder wir sind zumindest an sie gewöhnt. Der Weg vom Siezen zum Duzen gleicht dabei schon einmal wahlweise einem psychologischen Feldversuch oder einem intensiven Tango unter wechselnder Führung. Die Spielregeln sind dabei jedoch weitestgehend klar.
In den allermeisten beruflichen Zusammenhängen wird zunächst das Sie verwendet, angesprochen wird eine Person dann ausschließlich mit dem Nachnamen in Kombination mit einem vorangestellten „Frau“ oder „Herr“. Wir kennen auch Formulierungen, die ohne den Nachnamen auskommen, jedoch wirkt ein „Meine Dame“ oder „Mein Herr“ in den alltäglichen Zusammenhängen, die Sie vielleicht gerade im Kopf haben, dann doch etwas ZU förmlich, ja fast schon veraltet. Man soll das Kind schon beim Namen nennen (und den Erwachsenen auch).
Interessanterweise drehen sich in der polnischen Sprachkultur, zumindest meiner Wahrnehmung nach, die Verhältnisse um. Wenn sich ein*e Schüler*in an die Lehrerin wendet, so geschieht dies zumeist durch ein „Proszę, pani“, was wörtlich übersetzt „Bitte, Frau“ bedeutet, sinngemäß wohl aber am ehesten mit „Entschuldigen Sie bitte, meine Dame“ übersetzt werden kann. Was im Deutschen also einen Tick zu höflich wäre, ist im Polnischen die Standardanrede.
Daneben habe ich nun aber von meiner betreuenden Lehrkraft erfahren, dass ein „Herr Hartmann“, auf Polnisch also „Pan Hartmann“, wiederum als übertrieben, ja geradezu unangemessen höflich empfunden wird. Ich kann nur mutmaßen, dass dies dem Gefühl entspricht, das Deutschsprechende bei „Meine Dame“ und „Mein Herr“ haben. Wenn dem aber so ist, haben wir es wirklich mit einer Umkehrung zu tun.
Die gängig höfliche Form in Kombination MIT dem Namen der angesprochenen Person ist hingegen tatsächlich „Pan Timo“, auf Deutsch also „Herr Timo“ und diese Kombination aus Anrede und Vornamen finde ich als sehr plastisch empfundenen Mittelweg zwischen Formalität und Zuwendung zwar im ersten Moment ungewohnt, aber eigentlich wunderschön.