Blog #9
KW 49: Gegensätzliche Eindrücke
Szkoła Podstawowa nr. 6 Ich möchte die Thematik der Gegensätze noch einmal aufgreifen, diesmal jedoch in Bezug auf das polnische Schulsystem respektive den kleinen, subjektiven Teil davon, den ich beobachten konnte.
Da ich mich für mein Praktikum in ein direktes Nachbarland Deutschlands begeben habe, erwartete ich keine extremen Unterschiede, was das Schulsystem angeht. Dies ist auch mehr oder weniger so eingetreten. Ich merkte allerdings schnell, dass gerade, weil die Unterschiede im Detail liegen, es besonders interessant ist, diese zu beobachten. Zeit hatte ich dafür ja nun ein wenig.
Ich absolviere mein Praktikum an einer Grundschule. Den augenscheinlichsten Unterschied in diesem Zusammenhang, erwähnte ich bereits: In Polen erstreckt sich die Grundschulzeit über acht Jahre. Doppelt so viel Zeit im Vergleich zu Deutschland also, über die weitere Schullaufbahn zu entscheiden.
In der Theorie bedeutet das auch, dass Schüler:innen verschiedener Lernstärken sich länger gegenseitig unterstützen können. In der Praxis wird das nach meiner Beobachtung jedoch so nicht gehandhabt. Die Klassen werden vielmehr nach Leistungsniveau zusammengesetzt. Auf jeden Fall gab es Klassen, in denen alle Kinder verschiedene diagnostizierte Lernschwächen hatten.
Auch konnte ich jedoch beobachten, dass die Kinder (bzw. die Eltern) bereits in der Grundschule interessante Wahlmöglichkeiten haben. So erhält jede Klasse zwei zusätzliche Wochenstunden, die sie mit einem Fach ihrer Wahl besetzen dürfen. Meist wird hier Mathematik oder Englisch gewählt. Eine Klasse hat sich jedoch Deutsch ausgesucht, was meine betreuende Lehrkraft und mich natürlich gefreut hat.
Dieser fortschrittlichen Idee steht auf der anderen Seite wiederum entgegen, dass ich in einigen hospitierten Stunden tatsächlich das Gefühl hatte, in einer Uni-Vorlesung zu sitzen. Dass das Memorieren von Faktenwissen im polnischen Schulsystem einen höheren Stellenwert hat als etwa das Erlernen von Kompetenzen, wurde uns schon vorab vom Goethe-Institut Warschau berichtet. Zum Teil kann ich das bestätigen. (Ich will aber nicht gesagt haben, dass das Kompetenz-Konzept frei von Kritik ist.)
Ich sage zum Teil, weil ich gerade von meiner betreuenden Lehrkraft auch viele kreative Ideen erlebt habe, die das Gegenteil bezeugen. Ob sie nun eher die Regel oder eher die Ausnahme ist, kann ich nicht beurteilen. Ebenso wenig beurteilen kann ich, wie groß der Anteil des Goethe-Instituts als Partner der Schule daran ist. Ich behaupte einfach mal, dass er groß ist. ;)