Johannes Ebert am 8. Juni 2016
Denkfest 2016 in Mannheim
Keynote von Johannes Ebert zum Thema „Kunst und Kultur international – Aktuelle Tendenzen in der außenpolitischen Kultur- und Bildungspolitik" beim Denkfest 2016 in Mannheim
Sehr geehrter Herr Dr. Kurz,
sehr geehrter Herr Kraus,
sehr geehrter Herr Metzner,
sehr geehrter Herr Dr. Schubert,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für die Einladung bedanken, heute hier in Mannheim zu sein, und die Keynote zum diesjährigen Denkfest zu sprechen.
Während meiner Laufbahn beim Goethe-Institut habe ich Mannheim zu verschiedenen Gelegenheiten besucht. Das erste Mal bei einem Treffen der Zivildienstleistenden der Goethe-Institute in Deutschland. Ich war damals fasziniert von der quadratischen Anlage der Stadt und den besonderen Adressen, die Mannheim dadurch hat, zum Beispiel E 6, 4 oder Q 1, 19. Als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1995 im Goethe-Institut Mannheim den 750.000ten Kursteilnehmer begrüßte, war ich als stellvertretender Pressesprecher dabei. Gestern durfte ich unser neues Gästehaus einweihen. Wie Sie sehen, komme ich immer gerne wieder.
Zum diesjährigen Denkfest wurde ich gebeten, als Generalsekretär des Goethe-Instituts, der größten Mittlerorganisation der Bundesrepublik Deutschland mit 159 Instituten in 98 Ländern, zu aktuellen Tendenzen in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu sprechen. Für Sie wird wahrscheinlich von besonderem Interesse sein, wie sich diese internationalen Aspekte mit Ihrer konkreten Arbeit in den Städten (Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg) und Kommunen mit ihren lebendigen und renommierten Kulturinstitutionen in der Region Rhein-Neckar verbinden lassen. In Ihrer Kulturvision 2025 ist das Ziel, die internationalen Kooperationen zu stärken, ebenfalls formuliert.
Bevor ich auf einige Tendenzen und damit verbundene Themenfelder eingehe, möchte ich kurz zwei Bemerkungen voranstellen.
Der Blick auf die aktuelle Weltlage rückt auch in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik die Aufmerksamkeit zurzeit verstärkt auf Länder, die von Krisen und Konflikten betroffen sind. Der Kulturaustausch hat ganz eigene Möglichkeiten und Anknüpfungspunkte, auf diese Situationen zu reagieren, Dialog- und Freiräume zu schaffen. Diese Länder verdienen eine erhöhte Aufmerksamkeit, aber der Kulturaustausch weltweit hat auch noch viele andere Dimensionen, der Blick auf die krisenhaften Situationen würde verengen.
Zu Beginn möchte ich Ihnen ganz frische Eindrücke von dem internationalen Kultursymposium Weimar letzte Woche mitbringen, welches das Goethe-Institut dieses Jahr erstmals organisiert hat. Das Kultursymposium Weimar brachte vom 1. bis 3. Juni internationale Expertinnen und Experten aus dem Netzwerk des Goethe-Instituts nach Deutschland, um globale Gesellschaftsfragen zu diskutieren. Es ging um das Thema „Teilen und Tauschen” – eine zeitlos-universelle Grundlage menschlicher Kulturpraxis. Hochkarätige Gäste aus Wirtschaft, Kultur und Politik setzten sich mit dem Thema in ganz unterschiedlichen Formaten (Vorträge, Fish Bowl & World Café, Künstlerische Interventionen) auseinander. Auch die Rolle der Wirtschaft wurde dabei betrachtet. Welche Hoffnungen verbinden sich z.B. mit der Sharing Economy?
Im Vorfeld des Kultursymposiums Weimar haben sich die Goethe-Institute im Ausland – in Abidjan, Bratislava, Buenos Aires, Jakarta, Kairo, New York, Porto Alegre, Thessaloniki, São Paulo, Sofia, St. Petersburg und Wellington – mit dem Thema „Teilen und Tauschen“ aus der Perspektive ihrer jeweiligen Kulturen befasst und z.B. Runde Tische veranstaltet. Die Ergebnisse flossen dann wieder in Weimar ein.
Warum erzähle ich Ihnen das?
Bei den Begegnungen der rund 500 Teilnehmenden in Weimar konnten deutsche und europäische Sichtweisen mit denen anderer Kulturkreise ausgetauscht und diskutiert werden, neue Netzwerke entstanden. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Innen und Außen immer stärker verschwimmen, gewinnt die gemeinsame Diskussion über Ziele und Werte immer mehr an Bedeutung. Diese Diskussion mit internationalen Perspektiven verstärkt auch in Deutschland stattfinden zu lassen, ist dem Goethe-Institut ein wichtiges Anliegen. Wir müssen globale Debatten grenzübergreifend führen. Hierfür stehen wir mit unserem Netzwerk und unseren Partnern zur Verfügung.
Als zweites möchte ich vorausschicken und betonen: Die Kultur- und Bildungsangebote in den deutschen Städten und Kommunen sind die Basis für unsere Arbeit im Ausland. Dort betrachtet man unsere reiche Landschaft an Kulturinstitutionen, die Strukturen unserer Kulturförderung, die hohe Qualität und Kreativität unserer Künstler und Künstlerinnen, die Unabhängigkeit des Kulturbetriebs als besondere Errungenschaft, die nicht überall auf der Welt selbstverständlich ist.
Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik schöpft aus Ihrer Kreativität, Ihrem Engagement, Ihrem Potenzial. In diesem Sinne verbinden sich „innen" und „außen", sind unsere Ziele und Arbeitsansätze eng verbunden.
Das Goethe-Institut arbeitet mit zahlreichen Kultur- und Bildungseinrichtungen in der Region Rhein-Neckar zusammen: Das Kulturbüro der Metropolenregion ist für uns natürlich ein zentraler Ansprechpartner. Mit dem Staatstheater Mannheim kooperieren wir regelmäßig anlässlich der Schillertage und unterstützen internationale Gastspiele – 2015 brachten wir z.B. Produktionen aus Simbabwe und aus Südafrika nach Mannheim. Wir haben die Koproduktion des Stückes „Der Junge mit dem Koffer" gefördert, einer Flüchtlingsgeschichte, die das Schnawwl zusammen mit dem indischen Ranga Shankara Theater aus Bangalore entwickelt hat. Das Stück wurde mehrfach in Deutschland und Indien gezeigt. Wir arbeiten zusammen mit dem Musikfestival Heidelberger Frühling, dem Heidelberger Stückemarkt, bei dem wir 2015 Gastspiele aus Mexiko nach Deutschland gebracht haben (u.a. Gabriel Contreras „Amarillo" gespielt von der Gruppe Teatro Línea de Sombra und „Se Rompen Las Olas" von Mariana Villegas). Das Goethe-Institut hat ein Austauschprojekt des Jungen Theater Heidelberg mit dem Youth Theatre Usbekistan gefördert. Der deutsche Klassiker „Michael Kohlhaas" wurde dabei von zwei Seiten betrachtet: In Heidelberg inszenierte der junge usbekische Regisseur Obid Abdurakhmanov den Stoff und in Taschkent die Leiterin des Jungen Theaters.
Wir arbeiten zusammen mit dem Theater im Pfalzbau Ludwigshafen, mit Port 25/Raum für Gegenwartkunst, dem Institut für deutsche Sprache Mannheim, der Universität Mannheim, der Stadtbibliothek Mannheim und noch vielen weiteren geschätzten Partnern.
In Mannheim haben wir vor allem auch ein eigenes Goethe-Institut, das durch unseren engagierten Institutsleiter Herrn Dr. Schöningh sehr gut in der Stadt und der Region vernetzt ist. Dort haben letztes Jahr 3.658 Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer aus dem Ausland Deutsch gelernt. Besonders aktiv ist das Goethe-Institut Mannheim derzeit auch bei Aktivitäten für Geflüchtete, mehr dazu später.
Mit diesen Verbindungen, die ich noch lange weiter fortführen könnte – ich bitte alle Institutionen, die ich in der Kürze der Zeit nicht nennen konnte um Nachsicht – wollte ich deutlich machen, wie eng heute schon die Verbindungen zwischen den Partnern und Zielgruppen des Goethe-Instituts aus dem Ausland mit der Region Rhein-Neckar sind.
Was sind aktuell die Rahmenbedingungen, unter denen der internationale Kulturaustausch stattfindet?
Die Welt ist unübersichtlicher geworden. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Gewichtungen verschieben sich. Gesellschaftliche Fragestellungen treten in den Vordergrund, die nicht alleine auf nationaler Ebene lösbar sind, sondern eine europäische bzw. internationale Kooperation erfordern. Wir müssen wichtige Debatten global führen! Und uns dafür auch immer stärker international vernetzen. Kultur und Bildung können andere Perspektiven in die Diskurse bringen. Sie definieren in besonderer Weise die Verständigung über Werte und Weltbilder. In einer multipolaren Welt legen Kultur und Bildung die Grundlage für die innere und äußere Verständigung von Gesellschaften.
Ich möchte im Folgenden auf fünf Themen und Trends näher eingehen, die mir aktuell besonders wichtig erscheinen:
- Flucht und Migration
- Europa
- Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft
- Kultur und Urbaner Raum
- Koproduktionen als Austauschprozess
Viele Städte und Kommunen in Deutschland haben im vergangenen Sommer, teilweise unter großen Anstrengungen und zusammen mit vielen Ehrenamtlichen, vor Krieg und Gewalt geflüchtete Menschen in Deutschland willkommen geheißen.
In Mannheim leben Menschen aus 170 Ländern. Die Stadt hat eine hohe integrative Kraft. Darauf können Sie stolz sein! Wichtig wird es nun sein, dass die Geflüchteten aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland teilhaben können.
Das Goethe-Institut engagiert sich bereits seit 2013 mit Kultur- und Bildungsprogrammen für Geflüchtete in den Nachbarländern Syriens – in der Türkei, in Jordanien und im Libanon. Dort wollen wir dazu beitragen, das Entstehen einer verlorenen Generation zu verhindern und Perspektiven vor Ort zu schaffen. Wir tun dies: durch Programme für Geflüchtete, insbesondere für Kinder und Jugendliche, für Kulturschaffende aus Syrien, um ihnen weiter Arbeits- und Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, mit Informationsangeboten.
In Deutschland leistet das Goethe-Institut vor allem im Bereich der deutschen Sprache einen gesellschaftlichen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen.
Digitale Sprachlernangebote des Goethe-Instituts, wie z.B. das Sprachlernprogramm in der sehr erfolgreichen App „Ankommen" (gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Bayerischen Rundfunk) oder das Online-Spiel „Die Stadt der Wörter", schaffen einen ersten Zugang zur deutschen Sprache. Wir haben uns sehr gefreut, dass diese zwei digitalen Sprachlernprogramme, die vom Goethe-Institut entwickelt wurden, (von 12 getesteten) eine Auszeichnung und uneingeschränkte Empfehlung der Stiftung Warentest erhalten haben.
Wir machen aber auch Angebote insbesondere für geflüchtete Kinder und Jugendliche: von Pädagogen und Fachexperten kuratierte Filme und Bücher werden in arabischen und weiteren Sprachfassungen Flüchtlingsorganisationen und -Initiativen zur Verfügung gestellt.
Das Goethe-Institut bringt hier seine Expertise aus dem Ausland (in den Herkunftsländern) und in seiner Spracharbeit ein.
Das Goethe-Institut Mannheim ist in diesem Bereich auch sehr aktiv: Es führt Integrationskurse für Zuwanderer durch. Besonders in der Lehrerfortbildung haben wir eine große Erfahrung und Expertise. Das Goethe-Institut Mannheim hat 2015/2016 176 Lehrkräfte für Integrationskurse und 80 Lehrkräfte für Orientierungskurse qualifiziert. Es entwickelt mit der „Hochschule der Wirtschaft für Management" Angebote zur Aus- und Fortbildung für Multiplikatoren in der Arbeit mit Geflüchteten und bereitet Flüchtlinge sprachlich auf ein Studium an der Hochschule vor. Bei einem gemeinsam mit dem Institut für deutsche Sprache durchgeführten Forschungsprojekt „Sprachlich-kommunikative Integration von Flüchtlingen", das im August beginnt, werden die Kompetenzen und Bedürfnisse der Neu-Zugewanderten evaluiert. Dadurch können auch Erkenntnisse gewonnen werden, wie Angebote künftig besser gestaltet werden könnten. Das sind nur einige Beispiele.
Welchen Beitrag können die Künste – mit ihren spezifischen Zugängen – und die Kulturinstitutionen hier leisten? Was können sie einem Diskurs entgegensetzen, der medial immer kontroverser und aggressiver geführt wird? Viele Theater in Deutschland, aber auch Orchester und weitere Kulturinstitutionen haben ganz konkrete Initiativen entwickelt, ihre Einrichtungen für Geflüchtete geöffnet, auch für geflüchtete Künstler/innen, Dialogräume und Begegnungsstätten zwischen Geflüchteten, Nachbarn, Bürgern geschaffen.
Im Oktober planen wir, das Goethe-Institut Damaskus, das seit 2012 geschlossen ist, für zwei Wochen „im Exil in Berlin“ in einem Ladenlokal provisorisch wiederzueröffnen. Wir werden dort die Themen Heimat, Fremde, Identität und Integration künstlerisch und diskursiv behandeln. Dabei beziehen wir auch die aktuelle Kulturszene in Syrien und im Exil ein. Unser Ziel ist es, dadurch neue Assoziationen, Blickwinkel, Begegnungen und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Kultur- und Bildungsinstitutionen – international wie in den Städten und Kommunen – bei dem Thema Flucht und Migration einen Beitrag leisten müssen und Teilhabe – an Kultur und Sprache – ermöglichen müssen. Hier wird für mich besonders deutlich, dass wir mit einer Trennung von „innen" und „außen" nicht weiter kommen, sondern die Ansätze verbinden müssen.
Das Thema Flucht und Migration bringt mich weiter zum Thema Europa.
Die aktuellen Migrationsbewegungen führen in ganz Europa zu Verunsicherung. In vielen Ländern wird diese verstärkt durch populistische Debatten. Dem möchten wir andere, vielfältige Blickwinkel entgegensetzen. In Bratislava hat zum Beispiel das dortige Goethe-Institut gemeinsam mit der Kunsthalle Bratislava die Ausstellung „Die Angst vor dem Unbekannten“ organisiert. Sie zeigt noch bis Juli Arbeiten von internationale Künstlerinnen und Künstlern, die sich sowohl mit Geflüchteten und ihren Erfahrungen, als auch mit unserer Beziehung zu ihnen auseinandersetzen. Die Ausstellung und das Begleitprogramm werden besonders von Schulen sehr gut angenommen.
Ende Juni findet in Großbritannien das Referendum über den Verbleib in der EU statt. Stimmen gegen eine vielfältige Gesellschaft und Kultur werden auch in Deutschland erschreckenderweise immer lauter. Darunter leidet auch das Ansehen Deutschlands! Angesichts der immer noch nicht überstandenen Wirtschaftskrise, der zunehmenden nationalistischen Tendenzen und antieuropäischen Töne, müssen wir eintreten für die kulturelle Dimension Europas, für den Zusammenhalt in Europa, denn Europa ist und bleibt unsere kulturelle und gesellschaftliche Basis.
Europäische Kooperationsprojekte in Kultur und Bildung, mit Kulturinstitutionen aus Deutschland, können dazu beitragen, eine gemeinsame europäische Identität zu stärken, die angesichts der aktuellen Unsicherheiten in Mitleidenschaft gezogen ist.
Bei unserer Arbeit in Ländern, die sich in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen befinden – gemeinhin bei uns mit dem Wort „Krise" benannt –, wie z.B. in der arabischen Welt, in Tunesien, Ägypten oder im Osten der EU, in der Ukraine oder Georgien, wird es für uns immer wichtiger, mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und Initiativen zusammenzuarbeiten und ihnen eine Möglichkeit zur Beteiligung, zur Vernetzung, zum Austausch – auch mit deutschen und europäischen Initiativen – zu ermöglichen und dies zu begleiten. Sie alle kennen die Bedeutung der innovativen Ansätze und Impulse, die die freie Szene und unabhängige Initiativen in Deutschland – im Wechselspiel mit den staatlichen oder städtischen Einrichtungen – für unsere Kulturlandschaft haben. Auch hierzulande haben es die freie Szene und solche Initiativen nicht immer leicht. Jungen Kulturinitiativen in Ägypten, Tunesien, der Ukraine fehlt es aber noch viel mehr an Rückhalt, Wahrnehmung, Geld und teilweise auch an Qualifikationen. Solche Initiativen und Akteure vernetzen wir miteinander, vor Ort oder in Deutschland, bieten Qualifizierungsprogramme an, ermöglichen einen Austausch, auch über die Zukunft von Strukturen in der Kulturarbeit. Dies haben wir z.B. mit Vertretern der freien Szene und von staatlichen Kultureinrichtungen in der Ukraine gemacht, die gemeinsam eine „Road Map für kulturelle Entwicklung in der Ukraine" entwickelt haben.
Was wir mit Besorgnis betrachten: für viele NGOs, sei es in Ägypten, aber auch durch entsprechende NGO-Gesetze in Russland oder China, verringern sich ihre Handlungsspielräume immer mehr. Umso wichtiger ist es, die Zusammenarbeit – wo es möglich ist – zu stärken, diese Kanäle offen zu halten und die Bedeutung von Zivilgesellschaft immer wieder zu betonen.
„Kultur und Urbaner Raum" ist ebenfalls ein Themenfeld, das international an Bedeutung gewinnt. Seit 2008 lebt mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten. Urbanität entwickelt sich weltweit rasant, aber nicht uniform und linear, sondern auf sehr unterschiedliche Weise. Das bringt neue Herausforderungen: für Stadtplaner und Stadtverwaltungen, aber auch für künstlerische und soziale Bewegungen.
Das Goethe-Institut greift die Themen Architektur und Stadtentwicklung an vielen Standorten weltweit auf und stellt Verbindungslinien mit überregional angelegten Projekten her. So kann man Erfahrungen bei der Weiterentwicklung informeller Siedlungen, bei denen auch die Bürger aktiv beteiligt sind, in Johannesburg und Seoul vergleichen. In Brasilien geht es seit Jahren um mehr öffentliche Mitsprache bei Bauprojekten, eine Forderung, die von bürgerschaftlichen Initiativen von New York bis Berlin ebenfalls gestellt wird. Das Potenzial kultureller und kreativer Akteure für die Reaktivierung von Stadträumen spielt eine wichtige Rolle, auch bei uns in Deutschland. Auch wir befinden uns heute hier an einem Ort, dem C-HUB, der noch nicht allzu lange das Kreativzentrum der Stadt Mannheim beherbergt.
Es ist zu beobachten, dass für viele zivilgesellschaftliche und künstlerische Initiativen weltweit – ob in Bogotá, Oslo, Madrid oder Johannesburg –, die gemeinschaftlichen Gestaltung von Stadt- und Lebensräumen, von Nachbarschaft und Gemeinschaften immer wichtiger wird. Die Initiativen werden getragen von Menschen, die ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen und durch ihr Handeln zu einer Verbesserung der lokalen Lebensbedingungen beitragen möchten. Solche Initiativen müssen wir vernetzen, in Austausch bringen. Das könnte ich mir auch als Zukunftsaufgabe der Städte und Kommunen in Deutschland vorstellen. Dabei könnten Initiativen, z.B. auch der Kreativwirtschaft wie hier im C-HUB, von anderen Ideen und Konzepten lernen.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zu den kulturellen Formaten sagen, mit denen wir arbeiten. Das Goethe-Institut verfolgt einen partnerschaftlichen, dialogischen Ansatz. Projekte werden gemeinschaftlich entwickelt. Wir bieten Plattformen an, wo sich Künstler aus verschiedenen Ländern begegnen können und gemeinsam an Themen arbeiten. Dort werden künstlerische und kulturelle Herangehensweisen und Positionen ausgetauscht. So versteht man sich besser. Auf der Basis von Verstehen wird Verständigung ermöglicht, was wiederum zu einem gegenseitigen Vertrauen führt.
Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei bi- und multilaterale Koproduktionen ein. Für uns ist die Arbeit mit solchen Formaten ungemein spannend und wertvoll. Sie fördern einen besonders nachhaltigen Austausch. Idealerweise entstehen dabei ganz neue künstlerische Perspektiven.
So zum Beispiel „Totally happy", eine Koproduktion der Paper Tiger Theatre Studios Peking, der Münchner Kammerspiele und des Goethe-Instituts China. Bei der Entwicklung des Stücks und beim Probenprozess fand ein intensiver Austausch über das Thema „Masse" statt. Die unterschiedlichen Erfahrungen, Erinnerungen und Vorstellungen, die sich damit in Deutschland und China verknüpfen, flossen in das Stück ein.
Oder die Koproduktion „Made in Bangladesh": Zusammen mit zwölf Tänzern und Tänzerinnen aus Bangladesch hat Helena Waldmann in den Textilfabriken Bangladeshs recherchiert und die Arbeitsbedingungen, die sie dort vorfand, in Tanz umgesetzt. Das Stück, gefördert vom Goethe-Institut, wurde in Ludwigshafen im Theater im Pfalzbau (2014) uraufgeführt und tourte anschließend durch Deutschland.
Eingangs habe ich auch die Koproduktion des Schnawwl mit dem Shankara Theater aus Bangalore erwähnt, die wir unterstützt und begleitet haben.
Solche internationalen Koproduktionen sind keine einfachen Formate und immer auch ein Wagnis. Sie erfordern professionelle Partner, einen langen Atem, eine intensive Begleitung, können aber – davon bin ich überzeugt – viel tiefergehende Erfahrungen für die Künstler und auch die Zuschauer bieten. Um internationale Koproduktionen zu fördern hat das Goethe-Institut – ganz neu – auch einen internationalen Koproduktionsfonds aufgelegt.
Ich hoffe Sie sehen es mir als Generalsekretär des Goethe-Instituts nach, dass ich, um einen Eindruck von den aktuellen Tendenzen in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu vermitteln, sehr viele Beispiele aus unserer Arbeit vorgestellt habe. Ich wollte damit ein Spektrum aufmachen, das aktuelle Themen und Fragestellungen zeigt, die Anknüpfungsmöglichkeiten für Sie eröffnen. Ich hoffe das ist gelungen. Zu Beginn habe ich das Kultursymposium Weimar zum Thema „Teilen und Tauschen" erwähnt. Dieser konzentrierte Austausch zu globalen Fragen mit Expertinnen, Intellektuellen und Künstlern aus der ganzen Welt und aus Deutschland hat mir wieder eines sehr deutlich gemacht: Es ist wichtig, dass wir „die Welt" noch viel stärker nach Deutschland bringen. Dass wir uns von künstlerischen und gesellschaftlichen Positionen, Ideen und Konzepten anderer Länder und Kulturen überraschen und anregen lassen, uns an ihnen reiben und von ihnen lernen. Wie gesagt: Wir müssen wichtige Debatten global führen!
Wir sollten diesen Austausch als Bereicherung empfinden und damit bewusst ein Zeichen setzen, gegen Abschottung, Ausgrenzung und Ablehnung anderer Kulturen.
Ihre Institutionen bieten dazu ein breites Spektrum an Anknüpfungsmöglichkeiten, diese Internationalisierung auszubauen, z.B. auch über die bereits bestehenden Städtepartnerschaften.
Ich wünsche Ihnen für das diesjährige Denkfest viele spannende Diskussionen, wertvolle Impulse und gute Begegnungen. Vielen Dank!
(es gilt das gesprochene Wort)
Gehalten am 8. Juni 2016 in Mannheim.