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Johannes Ebert am 11. Oktober 2018
„Unterstützung der internationalen Zivilgesellschaft“

Impulsvortrag von Johannes Ebert anlässlich der Herbsttagung der Arbeitskreise Internationales sowie Unternehmen und Stiftungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen in München

Sehr geehrter Herr Oldenburg, sehr geehrter Herr Dr. Antes, sehr geehrte Frau Dr. Kühnen, sehr geehrter Herr Dr. Dittmer, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich freue mich sehr, dass Sie die Sitzung Ihrer beiden Arbeitskreise (erstmals gemeinsam) in München abhalten und wir die Zentrale des Goethe-Instituts dafür als Tagungsort zur Verfügung stellen dürfen.
Stiftungen gehören zu den wichtigen und starken Partnern des Goethe-Instituts, mit denen wir viele gemeinsame Ziele und Ansätze teilen – beide sind wir Teil der Zivilgesellschaft. Indem wir unsere unterschiedlichen Kompetenzen bündeln und ergänzen, konnten wir in den vergangenen Jahren mit vielen Stiftungen nachhaltige und langfristige Programme im Ausland und in Deutschland entwickeln und durchführen – zum Beispiel mit der Robert Bosch Stiftung, der Stiftung Mercator, der Siemens Stiftung, der Hertie Stiftung, der KfW-Stiftung, der Giesecke + Devrient Stiftung, der Metzler-Stiftung, um nur einige zu nennen. Deshalb freue ich mich sehr auf den Austausch mit Ihnen, denn diese Zusammenarbeit möchten wir in Zukunft weiter stärken und ausbauen.

Kultur. Sprache. Deutschland, das sind – in drei Worten zusammengefasst – die Aufgaben des Goethe-Instituts. Das Goethe-Institut steht für den weltweiten Kulturaustausch, für die Förderung der deutschen Sprache im Ausland und dafür – gar nicht so einfach im Zeitalter von Fake News und alternativen Fakten –, dass authentische Informationen über Deutschland in die Welt gelangen. Um dies zu erreichen, arbeitet das Goethe-Institut mit seinem Netzwerk aus 159 Instituten in 98 Ländern und weiteren rund 1100 Anlaufstellen partnerschaftlich mit den Kulturszenen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bildungsinstitutionen in seinen Gastländern zusammen.

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie auf dieser Tagung das Thema „Unterstützung der internationalen Zivilgesellschaft“ in den Mittelpunkt stellen. Die Zusammenarbeit mit Akteuren und Organisationen der Zivilgesellschaft, die in nicht-staatlichen Zusammenhängen gesellschaftliche Entwicklungen mitgestalten, hat für das Goethe-Institut seit jeher einen besonderen Stellenwert. Ich möchte mit einem Beispiel aus meiner persönlichen Arbeitserfahrung beginnen. Von 2002 bis 2007 habe ich die Region Nordafrika/Nahost des Goethe-Instituts und das Institut in Kairo geleitet. Ich kam ein halbes Jahr nach den Anschlägen des 11. September 2001 in Kairo an und fragte mich, wie man auf so ein Ereignis überhaupt reagieren kann. Wir haben damals NGOs zusammengebracht, wir haben das Haus geöffnet und begehbar gemacht, um ein Netzwerk zu begründen. Dabei hat es uns geholfen, dass wir selbst Teil der Zivilgesellschaft sind und die Leute das auch wissen. 2011, zu Zeiten des „arabischen Frühlings“, haben wir unweit des Goethe-Instituts Kairo, das damals in einem Gebäude um die Ecke des Tahrir-Platzes untergebracht war, die „Tahrir-Lounge“ eingerichtet – eine Plattform für junge Ägypterinnen und Ägypter für Diskussion und Austausch. Diese Freiräume zu schaffen, war damals sehr wichtig und ist es bis heute geblieben. Wir müssen Menschen, die aus einem einengenden System ausbrechen wollen, eine Plattform bieten und auch versuchen, über die vertrauten Kunst- und Kulturzirkel hinauszublicken.

Wir beobachten in den letzten Jahren – das wird Ihnen nicht anders gehen –, dass die Krisen in der Welt zunehmen, populistische und nationalistische Bewegungen an Zulauf gewinnen, der Druck auf zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteure, auf Blogger, Schriftstellerinnen und Theatermacher steigt. Die Spielräume werden enger, auch durch Verschärfungen der NGO-Gesetzgebung, zum Beispiel in China, Russland, Ägypten oder Ungarn. Morgen wird Irina Scherbakowa hier an einem Panel teilnehmen. Sie ist Gründungsmitglied von „Memorial", die 1988 gegründete erste unabhängige, zivilgesellschaftliche Organisation der Sowjetunion. Mit „Memorial" setzt sie sich für die Aufklärung der sowjetischen Repression und den Schutz der Menschenrechte im heutigen Russland ein. Im Oktober 2016 wurde „Memorial" durch das russische Justizministerium auf die Liste der „ausländischen Agenten“ gesetzt. Das Goethe-Institut Moskau arbeitet seit vielen Jahren eng mit „Memorial“ zusammen, ich selbst war 2007 bis 2012 Leiter des Goethe-Instituts in Moskau und schätze die Arbeit von „Memorial“ sowie Frau Scherbakowa sehr. 2017 wurde ihr die Goethe-Medaille verliehen. Von Dezember 2017 bis Juni 2018 organisierten „Memorial“ und das Goethe-Institut Moskau z.B. eine Ausstellung über die in der Weimarer Republik berühmte Schauspielerin Carola Neher. Sie emigrierte 1934 in die Sowjetunion, wo sie 1937 aus politischen Gründen zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde und 1942 im Lager Sol-Ilezk starb.

Die Aufgabe des Goethe-Instituts sehen wir darin, unsere zivilgesellschaftlichen Partner zu unterstützen und zu stärken, wo es uns möglich ist, aber dabei natürlich auch so zu agieren, dass wir sie nicht in Gefahr bringen. Wir arbeiteten im Bereich Kultur und Bildung eng mit lokalen zivilgesellschaftlichen Partnern zusammen. Die Funktion des Goethe-Instituts wird in der Regel akzeptiert, auch wenn Themen verhandelt werden, die von Regierungen als kritisch gesehen werden. Denn auch dort profitiert man von den Bildungsaktivitäten des Goethe-Instituts. So bieten wir auch unter schwieriger werdenden Bedingungen unsere Institute als Freiraum für offenen Austausch an. Wir thematisieren in unseren Programmen und Kulturveranstaltungen auch Themen, die umstritten sind. Und Kunst vermittelt oftmals einen anderen Zugang zu den Dingen, kann auf subtile Weise Fragen ansprechen, die kritisch sind und neue Zugänge und Perspektiven öffnen.

Dass dem Goethe-Institut dieser Aktionsradius möglich ist, liegt auch daran, dass wir seit vielen Jahren in unseren Gastländern präsent sind, dort partnerschaftlich agieren und langfristige Kontakte und Vertrauen aufbauen konnten. Das hilft – gerade in schwierigen Zeiten. Wenn wir eine Tür offen halten, einen Kanal der Kommunikation legen oder Menschen außerhalb der Regierungsstrukturen erreichen können, dann tun wir das.

Gerade haben wir die Strategie des Goethe-Instituts für die nächsten vier Jahre, die in Zielvereinbarungen mit dem Auswärtigen Amt mündet, verabschiedet. Dort gibt es erstmals auch ein Ziel „Förderung der Zivilgesellschaft“, das die Bedeutung dieses Arbeitsfeldes stärkt und unterstreicht. Dort ist unter anderem formuliert: „Das Goethe-Institut ermöglicht zivilgesellschaftlich aktiven Organisationen produktive Arbeits- und Austauschverbindungen sowohl untereinander als auch mit Akteuren aus Deutschland als auch aus anderen Ländern. (…) Es setzt entsprechende Programme auch in Kooperation mit deutschen Partnerinstitutionen wie (…) deutschen Stiftungen um.“ Verstehen Sie das gerne auch als Angebot der Zusammenarbeit. Ich möchte Ihnen nun an ein paar konkreten Projekten illustrieren, wie wir dieser Zielsetzung nachgehen. Dabei werde ich mich auf folgende Formate konzentrieren: zivilgesellschaftliche Frei- und Schutzräume, internationale Netzwerke und Plattformen, Beratung, Qualifizierung, Vernetzung und Mobilitätsprogramme.

Europa verändert sich gerade. In unseren unmittelbaren Nachbarländern und auch direkt vor unserer Haustür führen wir plötzlich wieder Diskussionen, die viele von uns für ausgestanden hielten. Das Goethe-Institut versteht sich jedoch als Institution mit europäischem Auftrag. Es tritt für europäische Integration ein und ich selbst bin auch Mitglied im Vorstand von EUNIC, dem Netzwerk der europäischen Kulturinstitute.

„Freiraum“ heißt ein aktuelles europaweites Projekt des Goethe-Instituts. 53 Akteuren aus Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus 40 europäischen Städten setzen sich in Programmen und Aktionen bis ins Jahr 2019 mit der Frage auseinander, was Freiheit heute in Europa bedeutet. Sie alle trafen sich zum Start des Projekts im Dezember 2017 im Museum der polnischen Juden in Warschau. Da gab es Diskussionen um den Freiheitsbegriff und zur Lage in Europa, Projektpläne wurden geschmiedet und die Kooperationspartner ausgelost. So wurden zum Beispiel die Goethe-Institute in Amsterdam und Neapel per Los zum Tandem bestimmt. Amsterdam nimmt sich nun der Fragestellung aus Neapel an und entwickelt dazu, gemeinsam mit seinem Partner, ein Projekt bzw. Formatangebot – und umgekehrt. Warum die zufällige Paarung? Weil die Außenperspektive hilft, scheinbar festgefahrene Situationen anders einzuschätzen. Somit wird „Freiraum” auch zu einem Spiegel für Europa: Wer genug Empathie und Vorstellungskraft mitbringt, sich in die Probleme einer anderen Stadt hineinzuversetzen, ist bereits einen wichtigen Schritt gegangen. Bis 2019 entwickeln und präsentieren die Städte-Tandems konkrete Projekte wie eine Klanginstallation, einen Dokumentarfilm, öffentliche Diskussionsforen und Theaterworkshops. Hier ein Beispiel: Das Tandem Athen-Banská Bystrica (eine Stadt in der Slowakei). In Athen entsteht ein experimenteller Film zweier griechischer Filmemacher. Ausgehend von dem Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten im Februar 2018 geht es in diesem Episodenfilm um die Grenzen der Redefreiheit, um die Illusion einer liberalen Demokratie und um die Kräfte, die diese Demokratie zersetzen: Mafiapraktiken, verbreitete Unwahrheiten, fake politics. In Banská Bystrica steckt man derweil in den Vorbereitungen zum Embargo Festival, einem Festival zu Menschenrechten, Toleranz und gegenseitigem Verständnis, das im Kulturzentrum Záhrada unter Mitarbeit der Initiative „Not In Our Town“ stattfinden wird. Alle Projektpartner aus der Slowakei und aus Griechenland sind eingeladen und werden partizipieren. Die Partner des Tandems Carlisle-Thessaloniki – das Kunstmanagementbüro ArtBOX und die Organisation für Gemeindeentwicklung Awaz Cumbria – entwickeln eine gemeinsame Ausstellung, die zwischen beiden Städten wandert. Sie reflektiert die Fragestellungen „Wie lässt sich Isolation überwinden?“ „Wie kann Identität zu einem Freiraum werden?“ Im Fokus dieser Kooperation stehen Gespräche mit den Bewohnern beider Städte. Es soll vor allem ungehörten Stimmen, Minderheiten und sozial marginalisierten Gruppen, Gehör verschafft werden.  Audio- und Video-Aufnahmen machen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Städten aufmerksam. Über diese und andere Beispiele wird Cristina Nord morgen berichten. Im März 2019 lädt das Goethe-Institut dann zusammen mit der Stiftung Mercator und dem Zentrum für Kultur und Urbanistik in Berlin zu einer Veranstaltung ein, bei der die Fragen und Lösungsansätze des gesamten Projekts „Freiraum“ zusammengetragen werden.

Ein weiteres Beispiel sind die „Orte der Kultur“ in der Türkei. Ein Land, auf dem in den letzten Jahren ein immer stärkerer Fokus auch unserer Arbeit lag. Die Türkei befindet sich derzeit in einem rapiden Wandel. . Gerade in diesen politisch schwierigen Zeiten ist es wichtig, den Kultur- und Bildungsdialog aufrecht zu erhalten, über viele Jahre gewachsene Verbindungen von Künstlern und Kulturinstitutionen zu pflegen, und die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren weiter aktiv zu gestalten. Kulturschaffende in der Türkei brauchen einen offenen Raum für Diskussion und Anlaufstellen für Austausch: Gemeinsam mit türkischen Stiftungen (Istanbuler Stiftung für Kunst und Kultur (IKSV) sowie Anadolu Kültür), europäischen Partnern (niederländische Botschaft, schwedisches Generalkonsulat in Istanbul, Institut français de Turquie) und dem Auswärtigen Amt richtet das Goethe-Institut zurzeit in Izmir, Gaziantep und Diyabakir sogenannte „Orte der Kultur“ ein. Die „Orte der Kultur“ bieten Räume und Ressourcen für Kulturprojekte in allen künstlerischen Disziplinen sowie Diskussions- und Qualifizierungsmöglichkeiten für lokale Institutionen und kulturelle Akteure. Wir gehen damit ganz bewusst nicht nach Istanbul und Ankara, denn die kreativen Initiativen zwischen Europa und der Türkei konzentrieren sich meist auf diese beiden Zentren. „Orte der Kultur” will Aktivitäten jenseits dieser Metropolen unterstützen und insbesondere Initiativen fördern, die sich innerhalb nationaler und internationaler Netzwerke für den Aufbau nachhaltiger kultureller und sozialer Strukturen engagieren, in denen Vielfalt, Inklusion und kultureller Austausch im Zentrum stehen. Beim „Gallery Walk“ heute Nachmittag wird das Projekt ebenfalls präsentiert.

Zur Schaffung zivilgesellschaftlicher Schutzräume: Frau Pörzgen wird nachher aus der Perspektive von „Reporter ohne Grenzen“ berichten, die sich neben dem stetigen Einsatz für Presse- und Meinungsfreiheit für verfolgte und inhaftierte Journalistinnen, Fotografen und Blogger engagieren. Leider erleben wir in den vergangenen Jahren, dass auch die Risiken für Künstlerinnen und Künstler und Akteure der Zivilgesellschaft weltweit zunehmen. Einschränkungen in der Arbeit in ihren Heimatländern, aber auch persönliche Angriffe, Bedrohungen bis hin zu Inhaftierungen treten immer häufiger auf. Bisher haben wir in diesen Fällen immer sehr individuelle Lösungen gesucht. Wir freuen uns sehr, dass wir nun mit einem neuen weltweiten Schutzprogramm, der „Martin-Roth-Initiative“, ein Instrument haben, uns noch wirksamer und im Verbund mit anderen Organisationen zu engagieren. Die „Martin-Roth-Initiative“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) und des Goethe-Instituts. Gefördert wird sie vom Auswärtigen Amt. Namensgeber der Initiative ist Martin Roth, einer der prominentesten Kulturmanager der vergangenen Jahre. Martin Roth verstarb 2017. Er war langjähriges Mitglied des Goethe-Instituts und zuletzt Präsident des ifa. Die neugeschaffene Initiative ermöglicht Kunst- und Kulturschaffenden, die in ihren Heimatländern beruflich und persönlich bedroht sind, temporäre Schutzaufenthalte in Deutschland und sicheren Drittstaaten. Während des Förderzeitraums bekommen die Stipendiatinnen und Stipendiaten eine angemessene persönliche Begleitung sowie die Möglichkeit, ihre berufliche Tätigkeit fortzusetzen. Die Martin- Roth-Initiative arbeitet eng mit einem Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und Kulturinstitutionen im In- und Ausland zusammen. Auf diese Weise wollen wir einerseits dafür sorgen, dass die Stipendiatinnen und Stipendiaten erfolgreich in die künstlerischen Szenen des Aufnahmelands aufgenommen werden, aber auch eine spätere Rückkehr mit beruflicher Perspektive in die heimische Zivilgesellschaft offen bleibt.

Zur „Förderung der Zivilgesellschaft“ gehört für das Goethe-Institut auch, Netzwerke und Plattformen zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel aus Europa: Seit einigen Jahren stellt das Goethe-Institut im Verbund mit anderen Institutionen der Europäischen Kommission die Expertise aus seinem Netzwerk zur Verfügung, zum Beispiel bei dem strukturierten Dialog „Voices of Culture“. Damit möchte die Europäische Kommission eine verbesserte Kommunikation zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und politischen Entscheidungsträgern auf dem Gebiet Kultur erreichen. Um die Belange der Zivilgesellschaft und die tatsächliche Entwicklung dieses Sektors in Europa untersuchen und diskutieren zu können, veröffentlichte sie 2014 eine Dienstleistungsausschreibung. Gemeinsam mit dem European League of Institutes of the Arts (ELIA) aus Amsterdam und dem belgischen Partner Flagey reichte das Goethe-Institut ein Angebot hierfür ein und erhielt durch die Generaldirektion Kultur und Bildung den Zuschlag. Konkret geht es bei dem strukturierten Dialog im Bereich Kultur um das Management einer Dialogplattform, die Vertreter des Kultursektors aus allen EU-Mitgliedsstaaten mit der Europäischen Kommission zusammenbringt. Ca. 30 beteiligte Expertinnen und Experten erarbeiten dabei auf der Grundlage von Besprechungen in verschiedenen EU-Ländern und zu spezifischen Themen politische Handlungsempfehlungen, die anschließend bei sogenannten Dialogsitzungen in Brüssel mit der Europäischen Kommission erörtert werden. Die Themenfelder (z.B. Audience Development, interkultureller Dialog, Kultur- und Kreativwirtschaft) korrespondieren mit dem Ratsarbeitsplan für Kultur für die Jahre 2015-2018. Teilgenommen haben europäische Netzwerke und Dachorganisationen (z.B. Eurocities, NEMO - Network of European Museum Organisations, Europa Nostra (europäischer Denkmalschutz-Verbund), EUNIC), (Halb-)staatliche Akteure (z.B. Arts Council England, Central Denmark Region, Flanders Arts Institute) und nationale zivilgesellschaftliche ebenso wie private Organisationen (European Cultural Foundation, Kultur und Arbeit e.V., Zentrum für Kulturforschung). Der aktuelle Fokus liegt auf dem Europäischen Kulturerbejahr 2018. Dafür wurde eine Gruppe von Expertinnen und Experten aus der europäischen Zivilgesellschaft ausgewählt, die sich während 2017 und 2018 in sechs Treffen mit der Kommission zu „Culture and Heritage“ austauschen.
 
Kunst und Kultur benötigen Strukturen, um sich zu professionalisieren und eine erhöhte Sichtbarkeit zu erreichen. Daher fördert das Goethe-Institut Plattformen im Bereich Musik, Film und Fotografie, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, wo es häufig wenig Strukturen für Kommunikation und Vertrieb gibt, und trägt dadurch dazu bei, den Sektor der Kreativwirtschaft zu beleben und Perspektiven vor Ort zu schaffen. Ein sehr erfolgreiches Beispiel ist das Online-Musikportal „Music In Africa”. Es ist die erste Anlaufstelle, wenn es um fundierte und aktuelle Informationen über die Musik afrikanischer Länder geht. Das Goethe-Institut und die Siemens Stiftung unterstützen die Entwicklung des Portals, das 2014 online ging. Mit einem innovativen digitalen Konzept stärkt das Portal die weltweite Wahrnehmung des afrikanischen Musiksektors, fördert Vernetzung und Kompetenzaufbau. Mit über 130.000 registrierten Musikern und Kulturinstitutionen ist sie ein wichtiges Mittel, den Sektor der Kreativwirtschaft zu beleben. Das Projekt ist jetzt übrigens in die Hände einer lokalen Stiftung in Johannesburg übergegangen.
Auch im Bildungsbereich haben wir erst kürzlich ein großes Bildungsnetzwerk gegründet. Ausgangspunkt der Initiative war die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa, vor allem in Südeuropa. Vor diesem Hintergrund haben die Goethe-Institute in Rom und Brüssel gemeinsam mit der Stiftung Mercator das europäische Netzwerk „StartNet” ins Leben gerufen. „StartNet” baut ein regionales Bildungsnetzwerk in Süditalien auf, um die Jugendarbeitslosigkeit in Apulien und der Basilikata nachhaltig und langfristig zu bekämpfen – zwei Regionen, die in Europa besonders stark betroffen sind. Das Netzwerk bringt dazu öffentliche und private Akteure aus Schulen, Institutionen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Innovative Ansätze und eine koordinierte Zusammenarbeit dieser Akteure sollen den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern und den jungen Menschen einen gerechteren Zugang zur Arbeitswelt ermöglichen. „StartNet” agiert regional, baut aber gleichzeitig eine europäische Lernplattform auf, mit deren Hilfe sich vergleichbare Initiativen in Europa vernetzen, austauschen und voneinander lernen können. Das Goethe-Institut koordiniert die Netzwerkaktivitäten, organisiert Workshops, Bildungsreisen und Runde Tische mit Praktikern, Wissenschaftlerinnen und Entscheidern aus der Politik.

Gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern entwickelt das Goethe-Institut auch Programmlinien und Projekte im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Durch Beratung, Qualifizierung und Vernetzung möchten wir einen Beitrag zum Aufbau und zur Stärkung von unabhängigen zivilgesellschaftlichen Infrastrukturen leisten, insbesondere in Ländern, die durch gesellschaftliche Umbrüche, Entwicklungs- und Transformationsprozesse gekennzeichnet sind. Ein Beispiel ist das erfolgreiche Fortbildungs- und Stipendienprogramm „START – Create Cultural Change“ der Robert Bosch Stiftung, das in Kooperation mit dem Goethe-Institut Thessaloniki und der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren durchgeführt wird. Es richtet sich an die neue Generation von Kulturmanagern und Kulturmanagerinnen in Griechenland. Dort haben die Auswirkungen der europäischen Wirtschaftskrise den Kulturbereich besonders stark getroffen. Es unterstützt junge Kreative dabei, Kulturinitiativen zu starten, die den Zusammenhalt in ihrem lokalen Umfeld stärken. Nach einer Fortbildungs- und Hospitationsphase in Deutschland, bei der die Stipendiaten und Stipendiatinnen ihre Fähigkeiten im internationalen Kulturmanagement ausbauen und ein Konzept für eine Kulturinitiative in Griechenland entwickeln, erhalten 15 von ihnen Fördermittel, Zugang zu Netzwerken und professionelle Unterstützung vom Goethe-Institut, um ihre Kulturinitiativen in Griechenland umzusetzen und sich als Kulturmanager zu profilieren.
 
Ich komme gerade zurück von der Eröffnung des Deutschlandjahres in den USA, das am 3. Oktober in Washington gestartet ist. Über den Zeitraum eines Jahres hinweg sind mehr als 1000 Veranstaltungen in allen 50 Bundesstaaten geplant. Das Deutschlandjahr in den USA, das vom Auswärtigen Amt gefördert, vom Goethe-Institut realisiert und vom Bundesverband der Deutschen Industrie unterstützt wird, ist das bislang größte seiner Art. Es steht ganz im Zeichen des Dialogs mit der amerikanischen Zivilgesellschaft. Die USA sind Deutschlands wichtigster Partner außerhalb der Europäischen Union. Wir teilen eine gemeinsame Kultur der Freiheit und der Demokratie. Gleichzeitig spüren wir aber: Dass Deutsche und Amerikaner „Wunderbar together“ sind – so das Motto des Deutschlandjahres –  ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Mit dem Deutschlandjahr in den USA möchten wir die Tiefe und Breite der transatlantischen Beziehungen darstellen, Gemeinsamkeiten betonen und die deutsch-amerikanische Partnerschaft mit neuem Leben füllen. Gerade Mobilitäts- und Austauschprogramme ermöglichen vielfältige und nachhaltige Begegnungen, die wir während des Deutschlandjahres verstärken möchten, so z.B. das Transatlatic Outreach Program (TOP), ein Projekt des Goethe-Instituts in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt, ermöglicht von der Robert Bosch Stiftung, der Deutschen Bank und der Siemens AG. TOP richtet sich an amerikanische Lehrerinnen und Lehrer des Faches Social Studies, aber auch von MINT-Fächern. Es beinhaltet die Erstellung von Lehrmaterialien, Workshops, Seminaren, Weiterbildungen sowie Studienreisen nach Deutschland. Nach ihrer Rückkehr in die USA geben die Lehrerinnen und Lehrer ihre Eindrücke und Erkenntnisse in Workshops an andere Lehrende, aber auch direkt an ihre Schülerinnen und Schüler weiter. Sie tragen so als Multiplikatoren zu einem modernen Deutschlandbild bei. Seit 2002 haben mehr als 1.600 Lehrkräfte aus den USA und Kanada teilgenommen. Mit TOP sollen insbesondere junge Menschen – auch in Flächenstaaten – erreicht werden, die sonst mit Deutschland oder Europa nicht in Kontakt kämen. Neue Zielgruppen zu erschließen, auch im so genannten „Heartland“ zu wirken und nicht nur auf die Metropolen zu fokussieren ist insgesamt ein Ziel, das wir uns für das Deutschlandjahr gesetzt haben, um eine breite Zivilgesellschaft zu erreichen. Eine Nebenbemerkung: Diese Diskussionen haben wir im Goethe-Institut auch im Zusammenhang mit dem „Brexit“ und unserer Arbeit in Großbritannien geführt, ebenso im Hinblick auf Mittel- und Osteuropa. Auch hier wollen wir stärker „in die Fläche“ wirken, über die Großstädte hinausgehen. Zum Beispiel mit dem Projekt „Ortsgespräche“ (Goethe-Institut Warschau, Krakau, Budapest), das Städten mittlerer Größe gewidmet ist. Seine Idee besteht darin, gemeinsam Antworten auf Fragen nach der Bedeutung der Kultur für diese Städte zu suchen. Ziel des Projekts ist es, eine langfristige Plattform zum Austausch von Erfahrungen und zur Realisierung von Projekten aus der Welt der Klänge, der Musik und des Radios zu schaffen. Partner des Projekts sind u.a. die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die Gazeta Wyborcza und die Bundeszentrale für Politische Bildung.
 
Der Fokus der Arbeit des Goethe-Instituts liegt im Ausland. Doch die Bereiche Innen und Außen lassen sich heute immer weniger trennen. Mobilität, Migration, Interkulturalität, – hier kann das Goethe-Institut seine Expertise für die Zivilgesellschaft in Deutschland einbringen, besonders natürlich durch die Vermittlung der deutschen Sprache. Zwei Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich „Migration und Integration“ sind später auch beim „Gallery Walk“ vertreten, ebenso das Besucherprogramm des Goethe-Instituts, das individuelle Informationsreisen für Multiplikatoren aus aller Welt nach Deutschland anbietet. Durch vielfältige Begegnungen werden nicht nur Wissen und gegenseitiges Verständnis vermittelt – es entstehen auch Netzwerke, die helfen, über Grenzen hinweg nachhaltige Kooperationen zu entwickeln. Zu den Auftraggebern gehören auch Stiftungen.
 
In der letzten Viertelstunde habe ich Ihnen mit einigen Schlaglichtern Einblick in die weltweite Arbeit des Goethe-Instituts gegeben – in welchen Feldern und mit welchen Formaten wir Zivilgesellschaft fördern und stärken wollen. Lassen Sie mich nochmals einige Aspekte zusammenfassen: Wir beobachten – in unserer täglichen Arbeit vor Ort –  dass weltweit der Druck auf die Zivilgesellschaften steigt. Gesellschaftliche Freiräume werden in vielen Ländern eingeschränkt. Dabei ist gerade eine aktive und pluralistische Zivilgesellschaft ein wesentlicher Faktor, um die Freiheit und Teilhabe des Einzelnen zu gewährleisten. Gerade diese Vielstimmigkeit wird in vielen Ländern geschwächt. Besonders die freien Kulturszenen mit ihren oft widerständigen Filmemachern, Schriftstellerinnen und Regisseuren, die in ihren Arbeiten gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren und künstlerische Experimente fördern, sind davon betroffen. Deutsche Kultur- und Bildungsinstitutionen im Ausland – wie das Goethe-Institut – sind in dieser Situation gefordert: Wir müssen alle Möglichkeiten ausloten, physische und digitale Freiräume anzubieten, um unter Druck geratenen Partnern einen Ort des offenen und zensurfreien Dialogs zu schaffen. Im schlimmsten Fall einer konkreten Gefährdung von Kulturschaffenden oder zivilgesellschaftlichen Akteuren ist es notwendig, Schutzprogramme einzurichten, die ein Weiterarbeiten auch außerhalb des eigenen Landes ermöglichen. Gerade in diesem Feld trägt Deutschland aufgrund der eigenen Vergangenheit eine besondere Verantwortung. Mit Qualifizierungsangeboten, Mobilitätsprogrammen und Plattformen stärken wir lokale Netzwerke und verbinden sie mit Partnerorganisationen weltweit. Denn gerade die Einbettung in internationale Kontexte stärkt Akteure vor Ort – das werden Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung kennen. Das Goethe-Institut sieht seine Rolle auch als Schnittstelle und Verbindungsglied zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen in unseren Gastländern und deutschen Stiftungen, die sich international engagieren. Wir würden uns sehr freuen, wenn aus diesen gebündelten Kompetenzen neue Projekte entstehen, die vor Ort nachhaltig Wirkung entfalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Es gilt das gesprochene Wort.

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