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18. November 2020
Kulturinstitut in der Krise: Mit Goethe gegen Corona

Kaum Sprachkurse, kaum Kulturveranstaltungen: Die Corona-Pandemie trifft das Goethe-Institut hart. Die neue Präsidentin ist zugleich oberste Krisenmanagerin.

Von Mathias Flasskamp

Es war eine eher bescheidene, der Situation angemessene Amtsübergabe. Ein paar Blumen, ein paar Reden, etwas Kammermusik. Kein Pomp und coronabedingt auch kein Publikum. Understatement in schwierigen Zeiten. In einem digitalen Festakt Ende der vergangenen Woche übergab der bisherige Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, nach zwölf Jahren sein Amt an die Kulturwissenschaftlerin Carola Lentz.

Die 66-Jährige lebt eigentlich in Mainz, wird jetzt aber mindestens zehn Tage pro Monat in der Zentrale in München die Geschicke  des Instituts lenken. Sie freue sich, irgendwann wieder im Auftrag der Kultur unterwegs zu sein und viel zu reisen, sagt sie im BR-Interview.

Dabei wird das Dilemma deutlich: Reisen wäre schön, geht aber momentan nicht wegen der Pandemie - die meisten Länder sind entweder im Lockdown, Risikogebiet oder beides. Da gibt es natürlich auch nicht viele ausländische Gäste, die Sprachkurse buchen - und darunter hat das Goethe-Institut zurzeit stark zu leiden.

Deutschlands beste Kulturbotschafter

Die höchst anerkannte Einrichtung vermittelt weltweit deutsche Sprache und Kultur. Da gibt es zum Beispiel im namibischen Windhuk Lesungen mit deutschsprachigen Autoren, im  australischen Sydney werden im Rahmen eines Festivals deutschsprachige Kinofilme gezeigt, und in New York findet ein Kunstliederabend statt, wo unter anderem Schuberts Lied von der launischen Forelle zum besten gegeben wird.

Für diesen hohen Anspruch werden die Goethe-Institute international sehr geschätzt. Die Intensiv-Sprachkurse gelten in der Branche als Premium-Produkte. Viele halten die Goethe-Institute für die besten Botschafter der Bundesrepublik. Das Renommee gefällt auch der Bundesregierung. Deshalb finanziert sie übers Auswärtige Amt die Arbeit der  ausländischen Institute.

Die  Goethe-Institute im Inland allerdings müssen sich selbst finanzieren. Normalerweise buchen knapp 250.000 Lernwillige jedes Jahr Sprachkurse im Goethe-Institut. Im laufenden Jahr allerdings verzeichneten die Sprachvermittler hier Rückgänge von etwa 40-50 Prozent - mit drastischen wirtschaftlichen Folgen.

Rund neun Millionen Euro Defizit

Ex-Chef Lehmann übergibt deshalb wirtschaftlich gesehen, ein ungeordnetes Haus. Er war seit 2008 Präsident des Instituts, das sich unter seiner Leitung auf 157 Standorte in 98 Ländern erweitert hat. Es sei eine sehr schöne Zeit gewesen, in der er viel erlebt und gelernt habe, erzählt der 80-Jährige.

Neben Bibliothekswissenschaften hat Lehmann auch Mathematik und Physik studiert. Der Mann kann also rechnen und deshalb spricht er auch beim Defizit der inländischen Goethe-Institute auch Klartext: "Wir haben in diesem Bereich durch die Krise ein Defizit von rund neun Millionen Euro angehäuft, das muss mit Liquiditätsüberbrückungen der Bundesregierung gedeckt  werden." Das Auswärtige Amt soll aber eine deutlich höhere Summe an Hilfsgeldern zur Verfügung gestellt haben, damit das Institut die Krise überleben kann.

Neue Digitalstrategie

Lehmanns Nachfolgerin übernimmt also kein leichtes Erbe. In einer Krisensitzung des Vorstandes am Tag vor der Amtsübergabe wurde offenbar auch intensiv diskutiert, wie sich die Einnahmen trotz Corona verbessern könnten. Denn auf mittlere Sicht sollen sich die Standorte in Deutschland wieder selbst tragen.

Ergebnis: Die Sprachkurse werden künftig verstärkt online angeboten. Das Digitalisierungsprogramm solle jetzt so schnell wie möglich umgesetzt werden, erklärt Lentz - und sie fügt zuversichtlich hinzu: "Wir sind absolut sicher, dass die Digitalstrategie auch nach der Pandemie zumindest teilweise fortgeführt wird und, dass es uns gelingt mit diesem Programm alle zwölf deutschen Standorte zu erhalten."

Die rund 700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben das sicherlich gerne gehört. Die neue Präsidentin muss sich gleich zu Beginn ihrer Amtszeit als Krisenmanagerin beweisen. Doch hat sich das Goethe-Institut ja in seiner fast 70-jährigen Geschichte schon mehrmals neu erfunden. "Nur was sich ändert, bleibt bestehen" - das Goethe-Zitat gilt auch in der Corona-Krise.

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