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3. September 2021
Eröffnung Studio Bosporus

- Es gilt das gesprochene Wort - 

Ich begrüße Sie alle herzlich zur Eröffnung des Festivals „Studio Bosporus“ der Kulturakademie Tarabya.
Wir stehen hier mitten in den beeindruckenden Räumlichkeiten des Kunstraums Bethanien, einem Mitte des 19. Jahrhunderts gebauten Diakonissen-Krankenhaus mit einer wechselvollen Geschichte, inklusive Hausbesetzung in den 1970er Jahren und Umnutzung als Künstlerquartier. Der Kunstraum zeigt ab heute eine Auswahl von Arbeiten deutscher und türkischer Künstlerinnen und Künstler. Ob Film und Videokunst über Bildhauerei, ob Musik oder Malerei: die Arbeiten geben aufschlussreiche Einblicke in die facettenreichen deutsch-türkischen Beziehungen. Sie thematisieren die Geschichte dieser Beziehungen, aber sie greifen auch in aktuelle Debatten ein.

Die filigranen Porzellanskulpturen von Mehtap Baydu beispielsweise zeigen fragile Körper—ein Aufschrei über bedrohte Frauenrechte in der Türkei. Die multimediale Videoarbeit von Philip Lachenmann setzt das ehemalige Kulturzentrum Atatürk Kültür Merkezi in Szene—ein Zentrum, das bei den Gezi-Protesten eine zentrale Rolle spielte und den Demonstranten und Aktivisten einen Schutzraum bot. Julia Lazarus wiederum dokumentiert in ihrer Arbeit „Northern Forest“, wie der Bau des neuen Istanbuler Flughafens die Landschaft um den Bosporus mehr und mehr zerstört.

Entstanden sind diese Arbeiten in der Kulturakademie Tarabya—einer Institution, die vor zehn Jahren auf Initiative der deutschen Botschaft in Ankara und dem Goethe-Institut entstand. In der Sommerresidenz des damaligen Botschafters, weit ab vom Trubel der Millionen-Metropole Istanbul, bietet die Kulturakademie Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland und aus der Türkei eine Arbeitsstätte auf Zeit. Das Besondere des Stipendienprogramms ist seine Offenheit: Die Stipendiaten müssen nicht zwingend ein Kunstwerk fertigstellen; wichtig sind vielmehr der künstlerische Schaffensprozess und der Austausch mit der türkischen Kulturszene, für die sich die Kulturakademie besonders einsetzt.
Diese Mischung—der geschützte Ort, der Austausch mit der lokalen türkischen künstlerischen Szene und der Fokus auf den Schaffensprozess, nicht das Ergebnis—ermöglicht eine enorme Kreativität. Und sie lädt dazu ein, die deutsch-türkischen Beziehungen neu zu beleuchten.

Denn das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist komplex. Das „Anwerbeabkommen“, das einen wichtigen Impuls in der Geschichte der Migration türkischer Männer und Frauen nach Deutschland ausmachte, feiert in diesem Jahr sein 60. Jubiläum. Rund drei Millionen türkischstämmige Menschen leben aktuell in Deutschland. Sie gehören zu unserer Gesellschaft, und sie bereichern die kulturelle Vielfalt unseres Landes. Doch die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind nicht konfliktfrei. In der Türkei nehmen populistische und antidemokratische Tendenzen deutlich zu, aber auch in Deutschland wird die Tonlage schärfer.

Gerade in diesen Zeiten dürfen wir uns nicht abschotten! Wir müssen mehr denn je in den Austausch miteinander treten – auch und gerade, wenn wir uns nicht einig sind. Dafür brauchen wir Orte wie die Kulturakademie Tarabya, die sich offen für den internationalen Kulturaustausch und für Meinungsfreiheit einsetzen. Das Goethe-Institut versteht sich hier als Institution, die vernetzen und eine Plattform anbieten kann.

Wir brauchen aber auch Künstlerinnen und Künstler wie die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kulturakademie. Denn sie sind es, die mit ihren Arbeiten neue Perspektiven auf Bestehendes ermöglichen. Sie rücken Themen in den Fokus, über die wir bislang geschwiegen haben. Sie rütteln uns wach. Danke für Ihren Mut und für Ihr Durchhaltevermögen!

Bevor wir nun in den Abend starten, möchte ich meinen ausdrücklichen Dank an den Deutschen Bundestag und die engagierten Abgeordneten aussprechen, die die Kulturakademie Tarabya seit ihrer Gründung bis heute begleiten und unterstützen. Dieses Vertrauen hat maßgeblich auch zum Erfolg des Residenzprogramms beigetragen. Ich danke den Mitgliedern des Beirats und der Jury für die gute Zusammenarbeit.

Darüber hinaus danke ich auch den Partnern und Förderern der Kulturakademie: der Mercator-Stiftung, namentlich Michael Schwarz und Jannes Tessmann, sowie der Lotto-Stiftung Berlin und allen weiteren Unterstützern.

Großes Lob und großer Dank gebührt dem kuratorischen Team vom „Studio Bosporus“, namentlich Stéphane Bauer, Çağla İlk, Susanne Weiß und Max Czollek; das war eine außerordentlich furchtbare Zusammenarbeit!

Und schließlich gilt mein Dank und Respekt dem Team des Goethe-Instituts: namentlich Pia Entenmann als kuratorische Projektleitung, Lena Alpozan, Cigdem Ikiisik, Alma Seiberth und Tijen Togay. Sie haben nicht nur dieses zweimonatige multidisziplinäre Festival mit Tatkraft und größtem Engagement möglich gemacht; sie leisten auch vor Ort in Tarabya großartige Arbeit.
 

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