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2. Juli 2024
Rede beim Sommerempfang des Goethe-Instituts


- Es gilt das gesprochene Wort - 

Ich freue mich, Sie heute bei hoffentlich einigermaßen stabilem Wetter zu unserem alljährlichen Sommerempfang zu begrüßen—wie schon letztes Jahr in den Innenhöfen des Goethe-Instituts Berlin, den Kurt Berndt-Höfen, wie sie in Erinnerung an den Architekten der in den 1910er Jahre errichteten Gebäude genannt werden.

„Wir können etwas verändern!“ sagte der 25-jährige Kylian Mbappé, Kapitän der französischen Fußball-Nationalmannschaft, vor zwei Wochen in einem Interview vor der Partie Frankreichs gegen Österreich. Das Spiel sei extrem wichtig, aber es gebe Dinge, die eine noch weit größere Bedeutung hätten—nämlich die französischen Parlamentswahlen. Und Mbappé rief vor allem die jungen Menschen auf, zur Wahl zu gehen.

„Wir sind eine Generation, die einen Unterschied machen kann! […] Dies ist ein wichtiger Moment in der Geschichte unseres Landes. Vielleicht ist er so wichtig wie noch nie. […] Wir sehen heute, dass die Extremen vor den Türen der Macht stehen. Wir haben aber die Chance, die Zukunft unseres Landes zu bestimmen. […] Ich bin gegen Extremismus, gegen spaltende Ideen. Wir müssen uns mit unserem Land, mit den Werten unseres Landes identifizieren, den Werten der Vielfalt, der Toleranz und des Respekts.“
Mbappé sprach von „mixité, tolérance et respect“. „Mixité“, wörtlich Mischung, betont noch stärker als etwa „diversité“ die soziale Mélange und kulturelle Buntheit der Gesellschaft—das Gegenteil der rechtspopulistischen Ideale einer kulturell homogenen Volksgemeinschaft. Mbappé selbst, mit einem kamerunischen Vater und einer algerischen Mutter, geboren und aufgewachsen in den Pariser Banlieues, ist ein Beispiel der „mixité“ und der Integrationschancen in der französischen Gesellschaft. Mbappés steile Karriere ist für viele Jugendliche ein Vorbild, nicht nur in Frankreich.

Das Spiel gegen Österreich hat Frankreich 1:0 gewonnen. In der ersten Runde der Parlamentswahlen allerdings haben sich Mbappés Hoffnungen nicht erfüllt. Die Wahlbeteiligung der jungen Generation lag deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von fast 67%. Und die Jugend hat nicht die Mitte, sondern die Extreme gewählt—das linke Bündnis Nouveau Front Populaire oder das Rassemblement National. Bei den Stimmen für das rechtsradikale Rassemblement lagen die jungen Wähler nur einen Prozentpunkt unter dem nationalen Durchschnitt von 34%. Ich bin gespannt sein, wie sich das im zweiten Wahlgang entwickelt.

„Europa ist ein Hort der Demokratie und Menschenrechte, trotz aller Anfechtungen, die wir auch innerhalb der EU spüren!“ Dieses leidenschaftliche Bekenntnis zu Europa stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel im März 2019 in das Zentrum ihrer Regierungserklärung vor einem EU-Gipfeltreffen und im Kontext der Verhandlungen um den Brexit. Inzwischen sind die Anfechtungen noch weitaus spürbarer geworden. Immerhin haben die Aufmerksamkeit für die Europawahl 2024 und die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2019 insgesamt zugenommen. Über die Zukunft der Europäischen Union—über die europäische Haltung zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und zum Krieg in Gaza, die Migration, die Klimakrise und die Wirtschaftslage in Europa—wurde intensiver als je zuvor debattiert. Doch sind die demokratischen und pro-europäischen Kräfte im Europäischen Parlament nach der Wahl geschwächt, die Rechtsaußen-Fraktionen haben deutlich dazugewonnen.

Wir sollten diesen Weckruf hören! Es ist bitter nötig, überall die demokratischen Kräfte zu stärken. Für die Verteidigung liberaler Demokratien und die Stärkung des europäischen Zusammenhalts brauchen wir nicht nur die Spitzenpolitik, sondern auch enge Verbindungen und kulturellen Austausch zwischen den europäischen Gesellschaften. Die Kultur spielt dafür eine zentrale Rolle. Rechtsextreme Bewegungen richten nicht ohne Grund ihre Aufmerksamkeit besonders auf den Kulturbereich und versuchen, Personal in Kulturinstitutionen auszutauschen, missliebige Werke aus Bibliotheken zu entfernen, Finanzierungen für unerwünschte Kulturveranstaltungen zu kappen und vieles mehr. Dagegen braucht es mehr denn je gemeinsame europäische Anstrengungen—friedliche und die Menschen verbindende Sprach- und Kulturarbeit, die vielfältige Perspektiven miteinander in Austausch bringt. Es braucht eine gesellschaftliche Verbindungsarbeit, die die von Mbappé aufgerufenen Werte der „mixité, tolérance und respect“ fördert.

Hier spielen zum Beispiel Städtepartnerschaften und Jugendaustausch eine wichtige Rolle, und hier kann auch die Arbeit des Goethe-Instituts viel bewirken. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen.
Das EU-finanzierte und vom Goethe-Institut umgesetzte Programm „Culture Moves Europe“ wird bis 2025 die Mobilität von über 7.000 europäischen Künstler*innen und Kulturschaffenden fördern, die frei gewählte internationale Kooperationsprojekte realisieren—sozusagen ein ERASMUS-Programm für den Kulturbereich. Hier entstehen inspirierende Begegnungen und viele langfristige grenzüberschreitende Arbeitsbeziehungen und Freundschaften. So wird europäische Integration mit Leben gefüllt!
Das Projekt „Perspectives: one Europe, many stories“ richtet sich an Journalisten und Journalistinnen aus Tschechien, Litauen, der Slowakei, Ungarn, Polen, der Ukraine und Deutschland. Was bewegt und verbindet junge Europäer*innen in Hinblick auf Themen wie Identität, Demokratie und Nachhaltigkeit? Was denken sie über den Krieg in der Ukraine oder im Nahen Osten? Zu diesen und ähnlichen Fragen arbeiten multinationale Teams in Workshops und gemeinsame Recherchen. Sie produzieren kollektive Artikel, Podcasts und Social Media-Beiträge.

„Wir nehmen an Perspectives teil, weil es den Journalismus neu definiert“, so eine erste Bilanz des Teams vom ungarischen EPER-Radio: „Das Programm befreit uns von nationalen Medienblasen und bringt Redaktionen in ganz Europa zusammen“. Ein Team aus Prag schreibt: „Für uns ist Perspectives eine einmalige Gelegenheit zur Zusammenarbeit zwischen den Ländern, weil wir glauben, dass Europäer-Sein nicht nur ein Zustand ist, sondern eine Denkweise“. Hier entsteht ein wichtiges Gegengewicht gegen Fake News und populistische Verschwörungstheorien. Hier wachsen solidarische Netzwerke, die die Presse- und Meinungsfreiheit ganz praktisch unterstützen.

Solche grenzüberschreitenden gesellschaftlichen Netzwerke und multiperspektivische Kulturarbeit in Europa zu fördern, ist ein zentrales Anliegen des Goethe-Instituts. Allerdings werden die finanziellen Ressourcen knapper. Darum verändert sich das Goethe-Institut, um diese Aufgaben auch in Zukunft wahrnehmen zu können—ich nenne hier nur die Stichworte Maßgabebeschluss und Transformationsprozess, inklusive der Neuaufstellung unseres Institutsnetzwerks, der Reorganisation unserer europäischen Regionen und der Neuaufstellung der Zentrale. Ich bin trotz vieler mit der Transformation verbundenen Härten zuversichtlich, dass das Goethe-Institut hier den richtigen Weg geht.
Das Goethe-Institut hat ein starkes Netzwerk und treue Freunde und Partnerinnen, die sich für den internationalen Kultur- und Bildungsaustausch und damit auch die Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte einsetzen. Daher möchte ich mich an dieser Stelle bedanken:

…bei den krisenerprobten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Goethe-Instituts für ihren Einsatz und Ideenreichtum und beim Vorstand für seinen unermüdlichen Einsatz für das Goethe-Institut,

…beim Auswärtigen Amt für die Zusammenarbeit und Förderung,

…bei den Parlamentariern und Parlamentarierinnen für Unterstützung und Vertrauen auch in schwierigen Zeiten

…bei allen Mittlerorganisationen, DAAD, ifa, Alexander von Humboldt Stiftung, Deutsches Archäologisches Institut und Deutsche Welle, für die partnerschaftliche Zusammenarbeit

…und natürlich bei allen Partnerinnen und Partnern aus Kultur, Bildung, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Ohne Sie wären viele unserer Projekte nicht möglich. Ich freue mich auf die künftige gemeinsame Arbeit mit Ihnen!

Nun übergebe ich das Wort an den Generalsekretär Johannes Ebert und wünsche Ihnen und uns einen schönen Abend und gute Gespräche!

 

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