19. Mai 2016
Eröffnung Public Space: Fights and Fictions
Rede von Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann zur Eröffnung von Public Space: Fights and Fictions im Rahmen der Ausstellung DEMO:POLIS – Das Recht auf Öffentlichen Raum
Der öffentliche RaumImmer stärker prägt der kommerziell orientierte und global vernetzte Markt des Bauens das neue Gesicht der Megastädte. Das damit einhergehende industrialisierte Bauen ist zu einer massiven Wirtschaftsmacht geworden, die weder auf lokale, kulturelle oder soziale Kontexte eingeht noch den Anspruch einer Stadtplanung mit menschlichen Dimensionen und dem Wechsel von Bauten und geplanten Zwischenräumen als öffentlichem Raum Rechnung trägt. Beispiele wie Sao Paulo, Lagos, Mumbai oder die vielen wachsenden Metropolen in China zeigen das eindringlich. Investoren, Developer, unbewegliche Administratoren und Signature-Architekten bestimmen den Mainstream.
Gleichzeitig wachsen ungesteuert zu dem rasanten Wachstum der Betonklötze und Plattenbauten die sogenannten informellen Siedlungen: Slums, Favelas, Townships. Es sind Parallelwelten mit großer sozialer Sprengkraft und gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Diese Entwicklungen werden noch verstärkt durch die weltweiten Migrations- und Flüchtlingsbewegungen, die globale autoritäre Welle mit ihrem zunehmenden Druck durch die Regime, die zum Rückgang von Frei- und Gestaltungsräumen führt. Intensivere Überwachung, Kontrolle und Verschärfung der NGO-Gesetze sind die Folge.
Unser menschliches Zusammenleben ist aber in erster Linie eine kulturelle Leistung! Dazu bedarf es geeigneter Voraussetzungen, die dieses Zusammenleben ermöglichen: Solidarität, gesellschaftliche Verantwortung, lokale Wertschöpfung und partizipatives Verhalten.
Architektur hat, angefangen von ihren Entwurfs- und Bauprozessen über die Realisierung bis hin zur Stadtplanung mit ihren öffentlichen Räumen, eine langfristige und tief greifende Auswirkung. Das tägliche Lebensumfeld wird nachweislich beeinflusst. Das bedeutet, Architektur hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Nimmt sie sie nicht im Sinn einer sozialen Verantwortung wahr, verliert sie ihre Glaubwürdigkeit und Einflussgröße. Für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft wäre das fatal.
Man benötigt deshalb Gegenpositionen zu dem globalen Mainstream, die einerseits nach dem lokalen und sozialen Kontext fragen und andererseits sich an globalen Fragestellungen ausrichten. Dazu bedarf es nicht unbedingt einer ausgreifenden Programmatik sondern eher eines schlüssigen Pragmatismus. Was aber unbedingt erforderlich ist: das gemeinsame Vorgehen von Architekten, Stadtplanern, Aktivisten, Künstlern und Nachbarschaft als Gruppe, die Initiativen planen und umsetzen, die Architektur wieder zu einer dienenden Kunst der Gesellschaft machen. Das Urbane fordert mit Nachdruck seinen Platz ein, es fordert Aufmerksamkeit in der öffentlichen, in der gesellschaftlichen Diskussion und in den Kulturprogrammen.
Im Mittelpunkt der Konferenz steht der öffentliche Raum als Plattform gesellschaftlicher Auseinandersetzung, als Ort des freien Versammelns und der gesellschaftlichen Begegnung, als Ort der Repräsentanz und des Feierns. Auf dem öffentlichen Raum liegen große Hoffnungen. Er ist der Ort, an dem Zukunft verhandelt wird.
Warum engagiert sich das Goethe-Institut bei dieser Konferenz? Was kann es selbst dazu beitragen? Wir sind davon überzeugt, dass die Städte in ihrer lebenswerten Ausgestaltung ein entscheidendes Element für eine humane und emanzipatorische Entwicklung sind, ein Thema, das man nicht den Investoren und Maklern allein überlassen darf, sondern die Bürgerschaft, die Künstlerinnen und Künstler, die Kulturakteure und lokal Verantwortlichen einbeziehen muss. Es geht um das Recht auf öffentlichen Raum, um Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger, um das Kuratieren von Stadt. Vielleicht am wichtigsten dabei ist, dass die lokalen Erfahrungen und Überlegungen durch Netzwerke und Plattformen austauschfähig gemacht werden.
Das Goethe-Institut mit seinen 160 Instituten in knapp 100 Ländern kann dies in Workshops, Ausstellungen und Kunstprojekten, Installationen und Auftritten im öffentlichen Raum zusammenbringen und sichtbar machen. Das ist im besten Sinn internationaler Kulturaustausch! Es ist für mich großartig zu erleben, wie viele der Sprecherinnen und Sprecher, die aus dem Ausland zu dieser Konferenz angereist sind, zum Teil schon langjährige Partnerinnen und Partner der Goethe-Institute im Ausland sind und konkret an Projekten, die für dieses Treffen relevant sind, mitgewirkt haben.
Lassen Sie mich ein paar der Projekte konkret benennen, um die Vielfalt, aber auch die Wirksamkeit zu dokumentieren:
- Think Global, Build Social. Die Tournee- Ausstellung tourt seit September 2015 weltweit in zwei Versionen. 15 aktuelle internationale Positionen einer alternativ sozial engagierten Architektur setzen sich mit der sozialen Verantwortung von Architektur auseinander.
- Actopolis Die Initiative versammelt Künstler, Urbanisten, Aktivisten und Kuratoren entlang der Balkanroute aus sechs Städten Südosteuropas und schafft über drei Jahre ein transnationales Produktionslabor mit Stadtprojekten, die in 2016 in eine gemeinsame Wanderausstellung münden.
- Intransit vernetzt mittels thematischer Gruppenreisen und lokalen Veranstaltungen 18 zivilgesellschaftliche Initiativen aus Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, England, Schottland, Irland, den Niederlanden und Deutschland. Es geht um die Verbesserung der lokalen Lebensverhältnisse. Ende April kamen alle Akteure zu einem Abschlusstreffen in Erfurt zusammen.
- Kulturzentrum Sao Paulo Itororo. Gemeinsamer Ausbau einer Ruine zu einem Kulturzentrum mit Stadtplanern, kommunaler Verwaltung, Künstlern und Nachbarschaft
- Breslau Europäische Kulturhauptstadt. Neumarkt als Standort eines gläsernen Pavillons, ein Platz, der die Geschichte Breslaus wie in einem Prisma widerspiegelt; alle Formen von Kunstpräsentation, auch diskursive Formate zur Flüchtlingsfrage: ernsthaft, informativ, modern, gesellig, innovativ. Begegnung, Dialog.
Dank an alle, die sich aktiv mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung an der Ausgestaltung von Public Space: Fights and Fictions beteiligen.
Dank an Wilfried Wang; die Ausstellung DEMOPOLIS ist ein großartiger Anreger und bettet die Konferenz hervorragend in den Zusammenhang ein.
Dank an die Akademie der Künste in toto. Besonders nennen möchte ich Johannes Odenthal und Nicole Beissner, die das möglich gemacht haben. Es war eine großartig produktive Partnerschaft.
Dank an Eyal Weizman als Keynote Speaker und an die Diskutanten Sophie Wolfrum und Omar Nagati. Ein herzliches Willkommen und ertragreiche spannende Stunden in der Denkfabrik!
Es gilt das gesprochene Wort.