29. Januar 2014
Grußwort auf der Eröffnungsgala zu Deutsch 3.0
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, lieber Herr Lammert, verehrte Staatsministerin, liebe Frau Böhmer, verehrter Akademiepräsident, lieber Herr Detering, sehr geehrte Projektpartner, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste,
ich freue mich sehr, dass wir heute Abend die Veranstaltungsreihe Deutsch 3.0 feierlich eröffnen. Mein besonderer Dank gilt eingangs den Mitveranstaltern und Partnern, die sich bereitgefunden haben, aktiv daran mitzuwirken, das Bewusstsein für die deutsche Sprache wieder zu schärfen. Neben unseren Mitveranstaltern – der Duden, das Institut für Deutsche Sprache und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – widmen sich das ganze Jahr über mehr als 30 Institutionen aus Kultur, Wissenschaft und Politik in eigenen Veranstaltungen dem Themenkomplex Deutsche Sprache und ihre Zukunft. Mit Auftritten in Wien, Zürich, Budapest und weiteren europäischen Städten tragen wir die Debatte über die Grenzen Deutschlands hinaus. ZDF-Aspekte und Deutschlandradio werden als Medienpartner die Ergebnisse der Diskussionen breitflächig vermitteln. Ich danke Ihnen allen für dieses unüberhörbare Signal und für die wirkungsvolle Vorgehensweise.
Hat Deutsch wieder Konjunktur? Zumindest muss man feststellen, dass, anders als vielleicht noch vor fünf Jahren, eine erstaunliche Aufmerksamkeit und Zuwendung der deutschen politischen und kulturellen Öffentlichkeit gegenüber der deutschen Sprache eingesetzt hat. Und im Ausland erleben wir derzeit einen regelrechten Boom beim Erlernen der deutschen Sprache. In den südeuropäischen Ländern mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit sehen gut ausgebildete junge Menschen eine Chance mit der Kenntnis der deutschen Sprache ihre beruflichen Aussichten positiv zu gestalten. In Indien, China und Südkorea erlebt Deutsch als Unterrichtsfach in Schulen und universitären Sprachlernzentren neues Interesse. Das Interesse an der deutschen Sprache ist immer besonders groß, wenn ihr fachlicher und beruflicher Nutzen erkennbar ist oder wenn sich kulturelles Interesse auf bestimmte Entwicklungen fokussieren lässt. Deutschland als Wissenschafts- und Bildungsstandort hat hier einiges zu bieten.
Aber der Erfolg der deutschen Sprache ist kein Selbstläufer, sie ist auch keine Weltsprache wie das Englische. Man muss bewusst und gezielt in sie investieren, um das Interesse wach zu halten. Es ist mit der Sprache ähnlich wie mit anderen Kulturgütern: mangelnde Aufmerksamkeit macht sie weniger attraktiv, macht sie weniger reich und ausdrucksstark. Wir müssen deshalb unsere Sprache vor unserer eigenen Gleichgültigkeit schützen. Wir müssen uns auch selbst sprachlich sensibilisieren und ein positives Sprachbewusstsein für das Deutsche entwickeln. Etwas mehr Leidenschaft für unsere Muttersprache ist angebracht. Sie ist es wert! Genau hier setzen wir mit der Reihe „Deutsch 3.0“ an – wir wollen herausfinden, was die Herausforderung an Deutsch heute und in Zukunft sind. Ich finde es wunderbar, heute Abend schon einen so gut besuchten Auftakt zu erleben, so kluge Thesen zur Entwicklung unserer Sprache zu hören.
Ein zentrales Thema unserer Debatte wird die Zukunft von Deutsch im wissenschaftlichen Kontext sein. Herr Detering hat uns in seinem Vortrag bereits aufgerüttelt. Es geht nicht darum, zum x-ten Mal mit großem Pathos allgemeine Erklärungen zu formulieren oder Deutsch als Wissenschaftssprache vorzuschreiben. Es geht um praktische Fragestellungen, die zu Handlungsanweisungen führen. Dazu gehört eine wesentlich bessere Kenntnis über das Sprachwahlverhalten internationaler Wissenschaftler in Bezug auf das Deutsche. Derzeit ist die Faktenkenntnis dazu eher dürftig. Dazu gehört eine Art Kartierung der Bedeutung der deutschen Sprache für verschiedene Fachdisziplinen. Gestärkt werden kann die Wissenschaftssprache Deutsch nur dann, wenn in Deutschland maßgebliche Forschungsergebnisse in ihr erarbeitet und publiziert werden. Je weniger in der Wissenschaft Deutsch gesprochen wird, desto weniger wird die Gesellschaft über Wissenschaft sprechen.
Als Mittlerorganisation der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist es natürlich zentrales Anliegen des Goethe-Instituts in einer Debatte über die deutsche Sprache auch das Zusammenspiel von Innen und Außen zu verhandeln. 100 Millionen Menschen sprechen Deutsch als Muttersprache und noch einmal so viele als Fremdsprache. Für neue Zugänge zur deutschen Sprache im Ausland setzen sich das Goethe-Institut, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und der DAAD verstärkt ein. In Deutschland selbst hat man begriffen, dass der Schlüssel zur Integration die deutsche Sprache ist. Die Integrationskurse sind deshalb ein wichtiges Element für hier lebende Ausländer. Die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen ist eine entscheidende Bedingung für eine offene und verantwortliche Gesellschaft. Wenn wir in Deutschland die Verantwortung für die eigene Sprache ernst nehmen, dann erleichtern wir auch den Deutschlehrern, den Sprachdozenten an Universitäten und vielen, die sich im Ausland aus Enthusiasmus für die Fremdsprache Deutsch einsetzen, das Geschäft der Sprachvermittlung. Nur so kann glaubwürdig gearbeitet werden.
Wenn die Politik etwas für die deutsche Sprache tun will, dann soll sie sie mit konkreten Maßnahmen fördern, etwa indem sie in den von ihr verantworteten Texten vorbildlich ist, indem sie dort, wo sie Sitz und Stimme in staatlichen Einrichtungen hat (Bahn, Flughäfen, öffentliche Einrichtungen) die deutsche Sprache bei der Beschriftung vorschreibt, dann soll sie bei der Wirtschaft darauf dringen, dass Verträge und Formulare mindestens auch in einer deutschen Fassung vorliegen. Noch entscheidender ist jedoch der Stellenwert des Deutschen in der Schulpolitik. Derzeit wird der Deutschunterricht reduziert anstatt erweitert, die Sprache mit ihren kulturellen und literarischen Bezügen eher als Werkzeug zu einer Verkehrssprache degradiert.
Goethe soll bei diesem Thema das letzte Wort haben. Er schreibt in seinen Maximen und Reflexionen: „Die Muttersprache zugleich reinigen und bereichern ist das Geschäft der besten Köpfe. Reinigung ohne Bereicherung erweist sich oft als geistlos; denn es ist nichts bequemer als von dem Inhalt abzusehen und auf den Ausdruck zu passen. Der geistreiche Mensch knetet seinen Wortstoff, ohne sich zu bekümmern, aus was für Elementen er bestehe; der geistlose hat gut rein sprechen, da er nichts zu sagen hat.“
Man sollte den gesunden Menschenverstand walten lassen, nicht jeden Unfug hinnehmen sondern mit Augenmaß vorgehen. Dann hat Deutsch wieder Konjunktur.