18. September 2014
Buchvorstellung „Länderbericht Japan“

Klaus-Dieter Lehmann bei der Japan Foundation in Köln zur Buchvorstellung „Länderbericht Japan“

 
 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
 
ich begrüße Sie sehr herzlich zur Buchvorstellung des Länderberichts Japan hier im Japanischen Kulturinstitut in Köln. Die heutige Veranstaltung zeigt, wie erfolgreich der deutsch-japanische Kulturaustausch ist und wie fruchtbar die Zusammenarbeit unserer nationalen Kulturinstitute.
 
Ich freue mich – aus der Ferne und bei meinen regelmäßigen Besuchen in Japan – über das Engagement der Goethe-Institute in Tokyo, Osaka und natürlich in unserer Künstlerresidenz, der Villa Kamogawa in Kyoto. Zwölf Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland haben jedes Jahr die Gelegenheit, dort in einer inspirierenden Atmosphäre drei Monate zu leben und zu arbeiten. Doris Dörrie, Jan Jelinek und Lucy Fricke gehören zu ihnen, um nur einige wenige Namen zu nennen. Der Aufenthalt in Kyoto soll den Stipendiaten als Inspiration und künstlerische Orientierung dienen. Im direkten persönlichen Austausch mit der Kulturszene vor Ort können sie neue Projekte entwickeln und nachhaltige Arbeitskontakte zu japanischen Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden aufbauen oder vertiefen. Auf diese Weise entfaltet sich ein interkultureller Dialog, der sowohl für die Stipendiaten als auch für die japanische Kunstszene eine Bereicherung ist. Doch auch über die Goethe-Institute hinaus sind wir in Japan durch unser Partnernetzwerk vertreten. So beispielsweise mit unseren japanisch-deutschen Kulturgesellschaften. Eine von ihnen befindet sich in Sendai. An der dortigen Universität werde ich bei meiner Japanreise im Oktober zum in diesem Jahr so zentralen deutsch-deutschen Thema "25 Jahre Mauerfall" sprechen.
 
Im Oktober werde ich auch den Festakt zur ersten Preisverleihung des neuen Merck-Kakehashi-Literaturpreises in Tokyo eröffnen – ein weiteres Projekt, mit dem wir eine Brücke zwischen Japan und Deutschland bauen.  Das japanische Wort Kakehashi bezieht sich auf eben diese Grenzüberschreitung, auf diesen Brückenschlag, für den in diesem Jahr Arno Schmidt und sein japanischer Übersetzer, Jun Wada, ausgezeichnet werden. Der Preis fördert keine bereits geleistete Arbeit, sondern eine zukünftige, nämlich die Übertragung eines noch nicht in Japan bekannten Werks und Autors. Als ich erfuhr, dass sich die Jury für Arno Schmidt entschieden hat, war dies für mich eine freudige Überraschung. Arno Schmidt ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur. Mit Ausnahme eines Essays und einer Erzählung sind Arno Schmidts Werke bisher nicht ins Japanische übersetzt worden. Dies erklärt sich aus der Vielschichtigkeit seines Werks und spricht für die enorme Herausforderung und Jun Wadas besondere Übersetzungsleistung.
 
Den japanisch-deutschen Austausch im universitären Forschungsbereich fördert der Franz von Siebold-Preis für japanische Wissenschaftler. Der Preis wurde 1978 vom deutschen Bundespräsidenten anlässlich seines Staatsbesuches in Japan gestiftet. Er wird jährlich an eine japanische Wissenschaftlerin oder einen japanischen Wissenschaftler verliehen, um deren besondere Verdienste um ein besseres gegenseitiges Verständnis von Kultur und Gesellschaft in Deutschland und Japan zu würdigen. Die Preisträger werden zudem zu einem Forschungsaufenthalt nach Deutschland eingeladen.  Auch die Leiter der Goethe-Institute in Japan dürfen Kandidaten für den Preis nominieren.
 
Wechseln wir nun aber die Perspektive. Denn umgekehrt schlägt auch Japan kulturelle Brücken in alle Welt: Einerseits mit dem Praemium Imperiale, der ja eine Auffassung zur Wirkung der Kunst seitens der japanischen Stifter formuliert. In meiner Funktion als internationaler Berater des Praemium Imperiale werde ich auch in diesem Oktober wieder bei den Feierlichkeiten in Tokyo dabei sein. Der Preis wurde 1988 aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Japan Art Association und zum Gedenken an Seine Kaiserliche Hoheit Prinz Takamatsu in Tokio ins Leben gerufen. Prinz Takamatsu wirkte annähernd 60 Jahre als Schirmherr dieser ältesten Kunststiftung Japans und der Kunstpreis Praemium Imperiale wurde gleichermaßen zu seinem Vermächtnis. Heutiger Schirmherr der Japan Art Association ist Seine Kaiserliche Hoheit Prinz Hitachi, Bruder des amtierenden Kaisers. Die ursprüngliche Mission der Japan Art Association lag in der Bewahrung des kulturellen Erbes des Landes – in der frühen Meji-Periode öffnete sich Japan sehr stark dem Westen und die Kunststiftung sollte der profunden und nachhaltigen Förderung der japanischen Künste und deren Erhalt gleichermaßen dienen wie der Beziehungspflege und dem Kulturaustausch mit den westlichen Ländern. Ganz in diesem Geiste steht auch der Praemium Imperiale: Die Grundidee des Preises ist die Überzeugung, dass Kunst sowie ein grenzüberschreitendes Bewusstsein für künstlerisches Schaffen bedeutend zum Frieden und zur Entwicklung der Menschheit beitragen können. Kunst ist nicht eine Spielwiese der Künstler und Intellektuellen, sie ist ein essentieller Bestandteil einer Gesellschaft. Der Preis stellt die Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit der Kultur Jahr um Jahr in den Mittelpunkt. Er bringt spartenübergreifend großartige Persönlichkeiten zusammen, die die Welt mit ihrer Schaffenskraft und Kreativität, mit ihren exzellenten künstlerischen Arbeiten zum Nachdenken anregen und inspirieren. Um die Highlights der Preisträger aus dem letzten Vierteljahrhundert aufzuzählen fehlt hier die Zeit. Über 120 herausragende Künstler aus aller Welt wurden inzwischen geehrt, eine ungemein hochrangige Gruppe ist dabei zusammengekommen. Um nur einige deutsche Künstler zu nennen: Sigmar Polke, Gerhard Richter, Frei Otto, Pina Bausch, Georg Baselitz, Rebecca Horn.
Die Bedeutung von Kunst und Kultur in unserer Welt wird dadurch auf allerhöchstem, internationalem Niveau gewürdigt. Als Präsident des Goethe-Instituts sehe ich darin einen ganz besonderen Verdienst, sind doch Kunst, Kultur, Sprache und Bildung die zentralen Instrumente für den Austausch, den wir mit unseren 160 Instituten weltweit fördern möchten.  Der Praemium Imperiale wird am 15. Oktober 2014 durch Seine Kaiserliche Hoheit Prinz Hitachi in Tokyo feierlich verliehen.
 
Andererseits schlägt die Japan Foundation, bei der wir heute zu Gast sind, Brücken von Japan nach Europa. Man denke nur an die wunderbaren Ausstellungen in der Maison de la culture du Japon in Paris. In meiner Zeit als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war ich verantwortlich für die japanische Sammlung im Museum für Asiatische Kunst in Berlin. Daher bin ich bis heute sensibilisiert für die Darstellung japanischer Kunst in Europa. Das japanische Kulturinstitut hier in Köln ist als Deutschland-Vertretung der Japan Foundation im gesamten deutschsprachigen Raum aktiv. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit stehen die Bereiche Kunst und Kultur, Sprachvermittlung, Japanforschung und intellektueller Austausch sowie die japanbezogene Informationsvermittlung. Vorrangiges Ziel ist es, die japanische Kultur in einem möglichst breiten Spektrum vorzustellen, das Wissen über Japan zu erweitern und ganz allgemein die Freundschaft zwischen den Ländern zu vertiefen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, bietet das Institut ein vielfältiges Kulturprogramm. Dazu gehören Kunstausstellungen, Theater- und Tanzperformances, Konzerte, Filmabende, literarische Lesungen sowie Symposien und Vorträge zu Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen der japanischen Kultur. In diese Reihe zahlreicher erfolgreicher Veranstaltungen reiht sich die Buchvorstellung am heutigen Abend ein.
 
Die Länderberichte der bpb-Schriftenreihe bieten umfassende Informationen über bislang elf Länder weltweit. Politik, Gesellschaft, Mentalität, Wirtschaft, Kultur: Die Autorinnen und Autoren werfen einen kenntnisreichen Blick auf die Länder mit all ihrer Vielfalt und beschreiben auf diese Weise Länder und Menschen jenseits herkömmlicher Klischees. Der von Raimund Wördemann, Leiter des Goethe-Instituts Tokyo, herausgegebene Länderbericht Japan enthält auf rund 600 Seiten 30 Beiträge zu Leben, Politik, Geschichte, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Texte werden ergänzt durch Fotostrecken von Herlinde Koelbl, Jan Riephoff, Christiane Olma, Hans-Christian Schink und Detlef Rehn sowie Auszügen aus der deutsch-japanischen Manga-Comicreihe Nichimandoku. Ich bin gespannt auf die ausführlichere Lektüre und freue mich nun auf die Podiumsdiskussion zum Thema  „Japan und seine Rolle in der Welt“. Erlauben Sie mir hierzu eine sportliche Bemerkung am Rande: 2020 finden die Olympischen Sommerspiele in Tokyo statt. Ich bin sicher, dass dieses Ereignis, das weit über den Sport hinausgeht, ein weiterer Erfolg in dem deutsch-japanischen Beziehungen sein wird.
 
Lassen Sie mich abschliessend meinen Dank an die Partner, die sich für die Publikation des heutigen Tages zusammengefunden haben, aussprechen: Allen voran Herrn Dr. Bolz und Frau Bremer von der Bundeszentrale für politische Bildung. Mein herzlicher Dank gilt auch dem  Japanischen Kulturzentrum in Köln, namentlich natürlich der Direktorin, Frau Kiyota, sowie dem Goethe-Institut Tokyo,vertreten durch seinen Institutsleiter Raimund Wördemann.
 
Ich freue mich über die Kooperation dieser drei Institutionen. Und vielleicht bietet sich schon bei einem der kommenden Länderberichte wieder die Gelegenheit einer Zusammenarbeit mit einem unserer 160 Institute auf der ganzen Welt.
 
Vielen Dank.
 
Es gilt das gesprochene Wort.