28. August 2014
Begrüßung zur Verleihung der Goethe-Medaille 2014

Klaus-Dieter Lehmann begrüßt die Gäste zur Verleihung der Goethe-Medaille 2014

 
 

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Herr Matschie,

Lieber Herr Oberbürgermeister Wolf,

Sehr verehrte Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, liebe Claudia Roth, verehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages, des Thüringer Landtages und des Weimarer Stadtrates,

Präsidenten, Direktoren, Exzellenzen

Sehr verehrte Präsidiumsmitglieder und Mitglieder des Goethe-Instituts,

Hoch verehrte Festversammlung,

ich heiße Sie sehr herzlich willkommen zur diesjährigen Verleihung der Goethe-Medaille im Festsaal des Stadtschlosses Weimar. Das Jahr 2014 ist ein herausragendes Jubiläumsjahr. Zum 60. Mal wird die Goethe-Medaille verliehen. Große Dankbarkeit dürfen wir insbesondere dafür empfinden, dass dieser Festakt nach der Wiedervereinigung an dem symbolischen und realen Weltort für Bildung und Kultur stattfinden kann – in Weimar. Und auch für diese politische Zeitenwende ist das Jahr 2014 ein besonderes Jahr. Zum 25. Mal jährt sich der Mauerfall.

Präsidium und Vorstand des Goethe-Instituts nehmen dieses Jubiläumsjahr zum Anlass, die Bindung des Goethe-Instituts in und für Weimar noch stärker zu festigen. Goethe ist nicht nur unser Namensgeber, er ist auch Programm. Dieser durch den Weltbürger Goethe geprägte, aber immer auch in der Folgezeit ausstrahlende kulturelle Ort der Moderne, soll ab 2016 internationaler Tagungsort für das vom Goethe-Institut geplante Weimar –Kultursymposium werden, das alle zwei Jahre stattfinden soll und 200 bis 300 internationale Persönlichkeiten zusammenführen wird, um Fragen von globaler Bedeutung aus der Sicht der Kultur zu verhandeln – mit einer möglichst großen öffentlichen Wirkung. Wir vertrauen der Kraft der Kultur – gerade in unseren Zeiten. Weimar ist mit seinen Institutionen der ideale Ort für eine solche Initiative des kulturellen Dialogs.

Die Verleihung der Goethe-Medaille in den zurückliegenden Jahren hat die besondere Aura Weimars, aber auch die nachhaltige Wirkung vielfach vor Augen geführt. Damit wird nun noch ein weiterer innovativer Schwerpunkt gesetzt, der Weimar zu einem kulturellen Netzknoten in einem internationalen Netzwerk werden lässt.

Wir ehren heute drei Persönlichkeiten mit der Goethe-Medaille aus der internationalen Theaterszene. Diesen Schwerpunkt haben wir im Jubiläumsjahr ganz bewusst gewählt. Die Kunstform Theater ist ein besonders ergiebiges Medium für den globalen Kulturaustausch. Denn zum einen liegt ihre Eigenheit in der Abgeschlossenheit von Theaterkulturen und –ästhetiken, die sich zum großen Teil der Globalisierung widersetzen: Es lassen sich noch immer und überall maßgeblich nationale Theaterformen und ihre Handschrift erkennen. Es gibt dafür gute Gründe: Das Theater ist – zumindest derzeit – als flüchtige Kunst noch nicht handelbar und somit nicht den Regeln eines internationalen Markts unterlegen. Theater ist maßgeblich an Sprache gebunden, aber auch der kollektive Charakter der Theatererfahrung und die gesellschaftliche Rezeption verankern es tief in seiner kulturellen Herkunft. Theater ist ein Spiegel des Umgangs einer Gesellschaft mit sich selbst. Das ist die eine Seite.

Immer mehr aber prägen auch Theatermacher das internationale Gegenwartstheater, die sich in erster Linie für künstlerische Exzellenz jenseits jeglicher Tradition interessieren und auf internationalen Festivals oder in Häusern wie dem Hebbel Theater in Berlin oder Kampnagel in Hamburg vertreten sind. Sie lassen sich kaum mehr einer nationalen Ästhetik und Handschrift zuordnen.

Dieses Nebeneinander von nationalen Theaterkulturen und internationalen Koproduktionen nutzen wir sehr bewusst in unseren Programmen, denn gerade diese Differenzen sind spannend. Die Akteure, die wir zusammenbringen, lernen nicht nur neue Stoffe, Perspektiven und künstlerische Herangehensweisen kennen. Sie reflektieren gleichermaßen den eigenen Standpunkt neu. Es geht nicht darum, zu vergleichen, was besser ist, sondern darum, durch die Begegnung mit anderen Theaterformen das eigene Theaterverständnis neu zu bedenken, Impulse zu geben, zu irritieren und produktiv zu verstören. Das Goethe-Institut exportiert nicht einfach „Theater made in Germany“ in die Welt, sondern ermöglicht Begegnungen der Künstler und gegenseitiges Kennenlernen. Dafür steht ein breites Spektrum an Formaten zur Verfügung: neben dem internationalen Gastspielaustausch vor allem auch Formen der künstlerischen Zusammenarbeit wie Gastregien, Gastchoreografien, Koproduktionen, szenische Lesungen oder Künstlerresidenzen. Interessiert sind wir an der Intensivierung des Erfahrungsaustausches in beide Richtungen. Das betrifft nicht nur gegenseitige Gastspiele sondern auch den Austausch von Regisseuren, Dramaturgen oder Assistenten. Theaterpartnerschaften oder Austauschprogramme sehen wir hierfür als sehr förderlich an.

Die drei Protagonisten des heutigen Tages, die in ihrem Schaffen jeweils auf einzigartige Weise und mit neugierigem Geist Kulturaustausch auf höchstem Niveau betrieben haben und mit ihrem enormen künstlerischen Potential Grenzüberschreitung geradezu zum Programm gemacht haben, haben unsere Spiel- und Denkräume ungemein erweitert.

Die Preisträgerin Krystyna Meissner ist eine der wichtigsten Mittlerinnen zwischen den europäischen Theaterszenen. Ihre Festivals „Kontakt“ und „Dialog-Wrocław“ sind Drehscheiben für Theaterschaffende und Produktionen aus ganz Europa und stehen sinnbildlich für den europäischen Gedanken. „Gerade besteht das Bedürfnis Europa zusammenzunähen, den Osten mit dem Westen“ – so erklärte Meissner ihre Gründe, das Festival „Kontakt“ ins Leben zu rufen. Zahlreiche renommierte deutsche Regisseure hatten durch Krystyna Meissner ihre ersten Gastspiele in Polen und vice-versa ebnete sie den Weg für das osteuropäische Theater nach Westeuropa. Ich freue mich sehr, liebe Frau Meissner, Sie heute in Weimar zu begrüßen. Ein herzliches Willkommen!

Ihre Laudatio wird die Theaterkritikerin Renate Klett halten, die uns mit ihrer profunden Kenntnis und ihrer großen Eindringlichkeit die Horizonte von Krystyna Meissners Arbeit ausleuchten wird.  Ihnen ebenfalls ein herzliches Willkommen, liebe Frau Klett.

Mit Robert Wilson, unserem zweiten Preisträger der Goethe-Medaille 2014, ehren wir einen Ausnahmekünstler, der in seinem Wirken als Regisseur, Bühnenbildner, Architekt und Designer heute einer der bedeutendsten Repräsentanten des internationalen Gegenwartstheaters ist. Vielleicht konnten einige von Ihnen, so wie ich gestern, auf seiner Performance auf dem Kunstfest in das Universum des Robert Wilson eintauchen und ganz eigene Eindrücke mitnehmen. Ich habe es mit Genuss getan! Robert Wilson hat maßgeblich den transatlantischen Kulturaustausch geprägt, insbesondere durch seine Begeisterung für deutschsprachige Dramatik und Opernstoffe: Er hat Stücke von Autoren wie Tankred Dorst und vor allem Heiner Müller, mit dem ihn eine sehr enge und langjährige künstlerische Beziehung und Freundschaft verbunden hat, auf die ihm eigene Weise entdeckt und interpretiert. Mit „Black Rider“, einer Musicalversion von Webers „Freischütz“ hat er einen Welterfolg produziert. Es ist schön Sie hier zu haben, lieber Robert Wilson. Ich heiße Sie sehr herzlich in Weimar willkommen.

Als Laudator konnten wir Thomas Oberender gewinnen, Intendant der Berliner Festspiele, der einmal von Weimar in die Welt aufgebrochen ist. Herzlich Willkommen zurück in Weimar – aus einem besonders schönen Anlass! Wir begrüßen Sie. Auch Thomas Oberender hat schon öfter mit Robert Wilson gearbeitet, zuletzt brachte er „Einstein on the Beach“, die wohl wichtigste und berühmteste Oper aus seinem Werk, im Haus der Berliner Festspiele auf die Bühne. Ich hatte die Chance, dabei zu sein, und wurde komplett vom Geschehen auf der Bühne vereinnahmt. Mit Robert Wilson habe ich 2003 in Berlin in der Neuen Nationalgalerie zusammengearbeitet als er für uns ein grandioses Ausstellungskonzept realisierte.

Tragischerweise kann ich den dritten Preisträger heute nicht persönlich begrüßen: Gerard Mortier ist im März dieses Jahres seinem Krebsleiden erlegen. Wir ehren ihn posthum als einen der wichtigsten europäischen Kulturprotagonisten, als vielfältigen und mutigen Erneuerer des Musiktheaters. Immer wieder prägte er auf zentralen Positionen auch die deutsche Opern- und Kulturszene, etwa als langjähriger Leiter der Ruhrtriennale. Er begann seine Karriere als Leiter des künstlerischen Betriebsbüros der Deutschen Oper am Rhein. So waren die Verbindungen zu Deutschland stets eng, nicht zuletzt auch durch seine Bewerbung für die künstlerische Leitung der Wagner-Festspiele in Bayreuth, die er 2008 zusammen mit Nike Wagner vorlegte.

Liebe Frau Wagner, ich begrüße Sie sehr herzlich als Laudatorin. Sie sind eine ideale Laudatorin, der Person und dem Werk Mortiers verbunden, der Stadt Weimar verbunden und der Goethe-Medaille als Mitwirkende in der Kommission verbunden. Ein sehr herzliches Willkommen!

Ich konnte Gerard Mortier über die Entscheidung der Kommission noch informieren und er hat mir damals seine große Freude über die Auszeichnung vermittelt. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr nachdrücklich bei Sylvain Cambreling, dem Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart bedanken und ihn herzlich begrüßen, er wird heute die Goethe-Medaille für Gerard Mortier entgegennehmen. Wir kennen uns aus meiner und seiner Frankfurter Zeit, als er als Künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt von 1992 bis 1997 herausragende Inszenierungen ermöglichte, Dirigent des Jahres wurde und die Oper das Prädikat „Opernhaus des Jahres“ bekam. Dank für Ihre Bereitschaft nach Weimar zu kommen und die Medaille für Gerard Mortier entgegen zu nehmen.

Bleiben wir bei der Musik.

Für die musikalische Begleitung der Feierlichkeiten arbeiten wir erneut mit der Hochschule für Musik Franz Liszt zusammen und ich bedanke mich bei Tiago Oliveira Pinto, der das Programm kuratiert hat. Ausgewählt wurden die Künstlerinnen und die Künstler mit Bezug zu unseren Preisträgern. Für Krystyna Meissner wird Elham Fanoos aus Afghanistan Chopin spielen. Er hat eine ganz außergewöhnliche Geschichte: Der heute 16-jährige Pianist hat als reiner Autodidakt begonnen und sich über Chopin der Musik und dem Klavierspiel genähert. Unter den Taliban hatte er keine Chance auf eine musikalische Ausbildung. Entdeckt wurde er durch das privat geführte „Afghan Institute of National Music“ in Kabul, wo er seit einigen Jahren Unterricht erhält und das ihn auch schon 2013 für drei Monate nach Weimar in die Obhut von Professor Christian Wilm Müller brachte. Auch diesen Sommer wird er wieder an der Hochschule hier in Weimar studieren.

Der Komponist Robin Minard aus Montréal, der heute zu Ehren Robert Wilsons eine aktuelle Komposition geben wird, nimmt uns heute mit seinem Stück „Qikiqtaaluk Deep Map“ mit in die Kultur der Inuit. Auf einer Reise in die nordkanadische Region Nunavut nahm er die Klänge dieses Ortes auf und führte zahlreiche Gespräche mit den Bewohnern. In seinem Stück bilden die Erzählungen von vier Generationen den Hintergrund für die Klangwelt der Inuit.

Viele Jahre lang hat die Sopranistin Angela Denoke mit Gerard Mortier zusammengearbeitet. Sie ehrt die gemeinsame künstlerische Produktivität und langjährige Freundschaft, die sie mit Gerard Mortier verbunden hat, heute mit der Darbietung der „Jugendlieder“ von Alban Berg. Ihre erste Begegnung war für ein Vorsingen für Bergs Oper „Wozzek“. Gleich zwei Mal gab Angela Denoke dann die Marie in Inszenierungen von Gerard Mortier. Begleitet wird sie heute von der Pianistin Karola Theill.

Ich möchte mich abschließend bei Christian Holtzhauer und seinem Team beim Kunstfest Weimar bedanken: Er ist dieses Jahr mit seinem Festival, das zeitgenössische internationale Theaterformen nach Weimar bringt, gestartet und wir haben ganz wunderbar zusammengearbeitet: Robert Wilson selbst ist auf dem Kunstfest aufgetreten, heute Nachmittag folgt noch eine öffentliche Gesprächsrunde mit den Preisträgern und Sylvain Cambreling und mit „Schlachtfeld Erinnerung 1914/2014“ gastierte eine Produktion, die auf Initiative der Goethe-Institute in Südosteuropa entstanden ist, in Weimar. Einen eindrucksvolleren Rahmen für die diesjährige Preisverleihung hätten wir uns kaum wünschen können.

Mein Dank gilt natürlich auch wie jedes Jahr unserem großzügigen Gastgeber hier im Schloss, der Klassik Stiftung Weimar, namentlich Helmut Seemann.

Und nun freue ich mich, das Wort an Christoph Matschie zu übergeben.

Herzlichen Dank.