17. Oktober 2014
Merck-Kakehashi-Literaturpreis
Begrüßung von Klaus-Dieter Lehmann bei der Vergabe des Merck-Kakehashi-Literaturpreises in Tokio
ich begrüße Sie sehr herzlich zur ersten Preisverleihung des neuen Merck-Kakehashi-Literaturpreises.
Autorinnen und Autoren sind Seismographen gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen. Sie beschreiben und vermitteln Lebenswelten in ihren Büchern. Durch ihre Geschichten, Assoziationen, Metaphern und Bilder überraschen sie uns, machen uns nachdenklich, berühren und begleiten uns. Ich bin überzeugt, Bücher schlagen die entscheidenden Brücken zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Das japanische Wort Kakehashi bezieht sich auf eben diese Grenzüberschreitung, auf diesen Brückenschlag. Dieser Brückenschlag ist Arno Schmid und seinem Übersetzer Jun Wada auf herausragende Weise gelungen.
Die Literatur spiegelt als Kunstgattung die Gesellschaft, sie verhandelt und vermittelt sie. Für die Arbeit des Goethe-Instituts ist die Literatur von besonderer Bedeutung; im Zusammenhang mit der kulturellen Bildung und den literarischen Diskursen im eigenen Land, in der Literaturförderung und den Literaturprogrammen der Goethe-Institute im Ausland. Zu den wichtigsten literarischen Multiplikatoren und unseren engen Partnern gehören zweifellos die Übersetzer, deren kreative Arbeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, und die wir durch zahlreiche Förderprogramme unterstützen. Sie sind wie die Lenker einer Fähre, die schwimmend im kulturellen Kontext ihre Botschaft an das gegenüber liegende Ufer bringt und so den kulturellen Dialog immer wieder neu belebt.
Der zu übergebende Preis fördert keine bereits geleistete Arbeit, sondern eine zukünftige, nämlich die Übertragung eines noch nicht in Japan bekannten Werks und Autors. Als ich erfuhr, dass Arno Schmidt mit diesem Preis ausgezeichnet wird, war dies für mich eine freudige Überraschung. Arno Schmidt ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur. Die Juroren des Merck-Kakehashi-Literaturpreises haben sich einstimmig für seine experimentelle Erzählung „Seelandschaft mit Pocahontas“ von 1953 und ihren japanischen Übersetzer, Jun Wada, entschieden. Mit Ausnahme eines Essays und einer Erzählung sind Arno Schmidts Werke bisher nicht ins Japanische übersetzt worden. Dies erklärt sich aus der Vielschichtigkeit seines Werks und spricht für die enorme Herausforderung und Jun Wadas besondere Übersetzungsleistung.
Das Preisgeld für den Autor geht in diesem Fall an die Arno Schmidt Stiftung, die sich um das Erbe des Schriftstellers verdient macht. Es wird von ihrem Mitgründer und Vorstand Jan Philipp Reemtsma entgegen genommen. Ihm möchte ich meinen Respekt für seine Leistungen bei der Autorenunterstützung entgegenbringen.
Lassen Sie mich abschließend einen Dank an die Partner, die sich für diesen neuen Preis zusammengefunden haben, aussprechen: Allen voran Merck, hier namentlich natürlich dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung, Karl-Ludwig Kley, der heute leider nicht unter uns sein kann,aber wuerdig vertreten wird durch den Vorsitzenden des Gesellschafterrates der Merck KGaA, Herrn Johannes Baillou, sowie den Kollegen vom Goethe-Institut Japan, vertreten durch seinen Institutsleiter Raimund Wördemann. Es ist mir eine Freude, die Veranstaltungsreihen im Bereich Literaturübersetzung am Goethe-Institut Tokyo zu verfolgen und zu sehen, wie engagiert japanische Verlage sich im und mit dem Goethe-Institut um die deutsche Literatur verdient machen. Man denke nur an die zahlreichen Neuübertragungen, von Thomas Mann über Rilke bis hin zu Marx‘ Wirtschaftstheorie, die hier in den vergangenen Jahren vorgestellt wurden.
Merck und das Goethe-Institut Japan haben den Merck-Kakehashi-Literaturpreis gemeinsam entwickelt und konzipiert. Wir sind gemeinsam Gastgeber des Preisverleihungsabends.
Herzlichen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.