Rede von Klaus-Dieter Lehmann zum 30-jährigen Jubiläum des Instituts für Deutsch als Fremdsprache der LMU München
17. Dezember 2008
Sehr geehrter Herr Prof. Roche,
sehr geehrte Damen und Herren,
Als mir angeboten wurde, einige einführende Worte anlässlich der heutigen Veranstaltung zu halten, habe ich gern zugesagt. Ich danke der Ludwig-Maximilians-Universität und Herrn Prof. Dr. Roche als Leiter des Lehrstuhls Deutsch als Fremdsprache sehr für diese Einladung. Das Goethe-Institut gratuliert herzlich der Universität zum Jubiläum. 30 Jahre Deutsch als Fremdsprache an der LMU haben diese Universität zu einer der ersten Adressen im Fachgebiet gemacht, und als Präsident des Goethe-Instituts kann ich den glücklichen Umstand unserer Nachbarschaft und engsten Verbindung nicht hoch genug schätzen.
Die Münchener alma mater war für das Goethe-Institut, das seit über 50 Jahren ebenfalls seinen Sitz in München hat, immer so etwas wie unsere Heimatuniversität. Ich selbst habe das Privileg, von der LMU die Ehrendoktorwürde verliehen bekommen zu haben Und als Institut, das die Pflege der deutschen Sprache im Ausland als Vereinszweck im Schilde führt, ist die Verbindung zum Fachbereich Deutsch als Fremdsprache immer von besonderer Bedeutung.
Das Goethe-Institut ist stolz auf die jahrzehntelangen engsten Beziehungen, die es mit dem Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache unterhält. So nimmt es nicht Wunder, dass die Lehrstuhlleiter immer als Mitglieder des Beirats Sprache im Goethe-Institut wesentlich zum fachlichen Profil unserer Arbeit beigetragen haben: Professor Harald Weinrich war schließlich auch Mitglied des Goethe-Instituts, und das Engagement, mit dem sich der Gründungsleiter des Lehrstuhls auch für das Goethe-Institut verdient gemacht hat, können wir nicht hoch genug schätzen. Aber auch, nachdem Professor Weinrich zu Höherem berufen den Lehrstuhl verließ, konnte das Goethe-Institut den neuen Chef Professor Konrad Ehlich zur engagierten Mitarbeit im Beirat gewinnen. Tres faciunt collegiam – Sie, verehrter Herr Professor Roche, folgten nicht nur Herrn Ehlich in der Leitung des Lehrstuhls, Ihre geschätzte Mitwirkung im Beirat Sprache des Goethe-Instituts ist uns besonders wichtig.
Dass so enge persönliche Beziehungen auch Auswirkungen auf gemeinsame Projekte haben, wird dann niemanden überraschen. Auf die gemeinsame Durchführung des Deutschen Sprachdiploms, immerhin der Sprachprüfung, die im Gegensatz zu allen anderen Deutschprüfungen wirklich nachweist, dass der erfolgreiche Absolvent „fit in Deutsch“ ist, können wir stolz sein. Das Große Deutsche Sprachdiplom ermöglicht hunderten von geschätzten ausländischen Lehrern, in Deutschland zu arbeiten, denn diese Prüfung weist Sprachkenntnisse nach, die muttersprachlicher Sprachverwendung gleichkommt. Dieses verdienstvolle Projekt könnte das Goethe-Institut nicht ohne Unterstützung eines starken Partners durchführen, es gehört zu den festen Fundamenten der Prüfungsarbeit des Goethe-Instituts.
Wenn das Sprachdiplom zu den traditionsreichen gemeinsamen Projekten gehört, dann gehört das Fernstudienprogramm, das das Goethe-Institut mit der Ludwig-Maximilians-Universität anbietet, zu den jüngsten und Erfolg versprechenden neuen gemeinsamen Initiativen unserer beiden Häuser. Wie auch das Diplom: Das Fernstudium entwickelt sich zu einem Markenartikel der Fortbildung von Lehrern, die Kenntnisse in der Vermittlung der Fremdsprache Deutsch erwerben oder vertiefen wollen. Stolz sind wir, wie stark gerade dieses neue gemeinsame Angebot angenommen wird. Wir können es auch Bildungsträgern und Ministerien als Baustein in der Qualifizierung von Primarschullehrern und Erziehern anbieten, die sich der verdienstvollen, aber schweren Aufgabe verschreiben, die deutsche Sprache auch den kleinsten Zuwanderern in Deutschland zu vermitteln. Mit diesem gemeinsamen Projekt leisten wir mehr als nur die Vermittlung von Kompetenzen auf höchstem fachlichem Niveau: wir übernehmen eine wichtige Funktion in dem Prozess der Integration von Menschen, die in Deutschland leben, unsere gemeinsame Sprache aber nicht als Muttersprache erworben haben. Daher ist dieses Projekt über die Fachkompetenz hinaus ein wichtiges Referenzprojekt, das uns beide, die Ludwig-Maximilians-Universität genau so wie das Goethe-Institut, in eine Funktion hineinstellt, die wahrzunehmen die bundesdeutsche Gesellschaft fürwahr über Jahrzehnte vernachlässigt hat.
Nicht unerwähnt bleiben soll natürlich das fruchtbringende Miteinander von Goethe-Institut und LMU: zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses sind durch die akademische Schule des Fachbereichs Deutsch als Fremdsprache gegangen. Anders herum haben Mitarbeiter des Goethe-Instituts immer wieder in Lehraufträgen und gemeinsamen Forschungsprojekten auch beitragen können, die Qualität der LMU auf dem hohen Niveau zu halten, um das Sie Deutschland beneidet.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Adelbert-von-Chamisso-Preis aus der Sicht des Goethe-Instituts machen. Er ist unter der geistigen Mentorschaft von Harald Weinrich vor nunmehr 25 Jahren auf Initiative der Bosch Stiftung entstanden. Nicht nur für die Auslandsgermanistik bzw. „Deutsch als Fremdsprache“ hat die Bedeutung des Preises zugenommen, auch für das Goethe-Institut hat er eine gewichtige und aktuelle Bedeutung. Sein Zweck damals war, Autorinnen und Autoren in den Blick zu nehmen, die aus einem ursprünglich anderen kulturellen Kontext stammten, nach Deutschland gekommen sind und mit dem Kulturwechsel auch den Sprachenwechsel vollzogen haben – also auf Deutsch geschrieben haben. Heute spielt sich dieser Vorgang vor einem Hintergrund ab, der die Themen Migration und Integration in einem viel umfassenderen Umfang beinhaltet. Es ist eben nicht nur ein ökonomisches oder soziales Feld, sondern in ganz besonderer Weise ein kulturelles. Die frühe Entscheidung, einen Adelbert-von-Chamisso-Preis für diesen Zuwachs an Literatur zu schaffen, war deshalb höchst verdienstvoll. Der hohe Anteil von Chamisso-Preisträgern an den Literaturprogrammen der Goethe-Institute im Ausland erklärt sich möglicherweise aus dem dialogischen Anspruch der Literatur und der Auffassung der Kulturvermittlung des Goethe-Instituts.
Ein Autor und eine Autorin mit einem solchen Hintergrund werden heute Abend hier lesen, die 1960 in Istanbul geborene und seit 1963 in Deutschland lebende Autorin Zehra Cirak und der 1943 in Budeapest geborene, in Berlin lebende György Dalos.
Cirak liest aus ihrem 2008 erschienen Band „In Bewegung“.
Dalos liest aus seinem 2007 erschienen Roman „Jugendstil“.
Dabei geht es eben nicht um das Eigene und das Fremde, sondern um selbstverständliche Beiträge zur deutschen Gegenwartsliteratur. Die Gedichte einer Zehra Cirak oder eines Adel Karasholi, die Romane eines György Dalos, einer Terezia Mora, einer Sevgi Emine Özdamar oder eines Feridun Zaimoğlu, die Essays einer Yoko Tawada oder Ilma Rakusa und vieler anderer haben die deutsche Gegenwartsliteratur enorm bereichert. Die diesjährige Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung beschäftigte sich u.d.T. „Eingezogen in die Sprache, angekommen in der Literatur“ erst vor wenigen Wochen in Darmstadt intensiv mit diesem literarischen Feld. In der Rezeption ist häufig auf den narrativen Reichtum, den vielfach gebrochenen, verfremdeten und verfremdenden Blick, die Sinnlichkeit der Sprache, die Stofffülle in den Texten vieler dieser Autorinnen und Autoren hingewiesen worden.
Es überrascht auch nicht, dass von den fünf auf der Shortlist für den diesjährigen Leipziger Buchpreis in der Sparte Belletristik nominierten Autoren zwei einen sog. Migrationshintergrund hatten: Sherko Fatah wurde mit seinem Roman „Das Dunkle Schiff“ und Feridun Zaimoglu mit „Liebesbrand“ benannt.
Der Adelbert-von-Chamisso-Preis spielt aus unserer Sicht eine wichtige Rolle, eine Literatur in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken, die in den vergangenen Jahren immer mehr an Profil, Ausstrahlungskraft und ästhetischem Reiz gewonnen hat.
Nochmals meine herzlichen Glückwünsche zum dreißigjährigen Jubiläum „Deutsch als Fremdsprache“ an der LMU!