Vortrag von Klaus-Dieter Lehmann zur Eröffnung der Ausstellung „Brillantfeuerwerk“ im Haus der Kunst

Prof. Dr. h. c. Klaus-Dieter Lehmann
10. September 2008
Haus der Kunst München

Sehr geehrte Damen und Herren,

München leuchtet mit einem Brillantfeuerwerk der Kunst. 850 Jahre München – das ist ein wunderbarer Anlass zum Feiern. München leuchtet. Wie oft haben Sie diesen Satz schon gehört! Wie oft wird er für die verschiedensten Aspekte der „Weltstadt mit Herz“ bemüht! Erfunden hat dieses „Markenzeichen“ kein Marketingexperte, sondern Thomas Mann. Zu Beginn der Novelle Gladius Dei (1903) heißt es:

„Die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Szepter über die Stadt hin und lächelt. Eine allseitige respektvolle Anteilnahme an ihrem Gedeihen, eine allseitige, fleißige und hingebungsvolle Propaganda in ihrem Dienste, ein treuherziger Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Schönheit obwaltet … München leuchtet.“

Es ist also die Kunst, die Kultur mit ihrer eigenständigen Kraft, die hier gemeint ist. Das ist auch der Anlass, der uns heute im Haus der Kunst zusammenführt. 11 Unternehmen, 11 Sammlungen, eine Ausstellung. Das ist ganz und gar ungewöhnlich. Nicht dass sich Unternehmen auch für die Kunst engagieren ist ungewöhnlich, aber dass sich Sammler zeitbegrenzt zu einer großen Wirkung zusammenfinden, ein Kartell der Kunst im besten Sinn bilden und damit bei gleichzeitiger Sichtbarkeit der individuellen Profile einen gemeinsamen Willen mit dieser Ausstellung zum Ausdruck bringen, das ist ungewöhnlich. Und es geht noch weiter! 11 Unternehmen mit ihren 11 Sammlungen begeben sich ohne Schutz und Sicherheitsnetz in die radikale Hand von unabhängigen Kuratoren. Die Sammlungen werden zu einem Kontinuum gefügt, werden dann neu interpretiert und in neue Zusammenhänge gebracht. Vor Überraschungen ist niemand sicher, weder die Unternehmen noch das Publikum. Aber das ist das Mandat der Kunst, Bewegung in das Gewohnte zu bringen, neu zu sehen, riskant zu sein. Das Ausgewählte der Sammlungen wird in einem neuen Prozess zum Erwählten der Ausstellung. Vielleicht beginnt mit dieser Form der Fokussierung unterschiedlicher Sammlungen eine neue Art der Vermittlung privater institutioneller Sammlungen. Ich würde es mir wünschen, denn damit wird auf intelligente, manchmal auch provozierende Art ein großes Potential öffentlich erschlossen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war München in mehrfacher Hinsicht ein Zentrum der Künste: Die über Jahrhunderte währende Bautätigkeit und Sammelleidenschaft des Hauses Wittelsbach hat prachtvolle Baudenkmäler und die großen Kunstsammlungen ermöglicht. Die Emanzipation des eher konservativen Großbürgertums führte zu einem hohen Engagement in der Förderung der klassischen Künste der Antike, der Renaissance und der Wissenschaft. Aber es gab auch kosmopolitische Sammler wie das Ehepaar Sternheim, das sich für Matisse und van Gogh einsetzte oder Bernhard Koehler, der die Werke des „Blauen Reiters“ und die französische Kunst schätzte, heute ein wichtiger Grundstock des Münchener Lenbachhauses. Darüber hinaus galt, dass kaum eine deutsche Stadt den Malern, den Schriftstellern, den Musikern, den Theaterleuten mehr zu verdanken hat als München. Ob die Stadt das immer gewürdigt hat? Frank Wedekind, der lange in München gelebt hat, meinte, alles Gute im Bereich der Kunst geschehe in München trotzdem – ein böses Wort, aber auch ein anerkennendes Wort.

Diese Blütezeit des bürgerschaftlichen Engagements, das typisch für die Städte in Deutschland war, wurde erst durch den Ersten Weltkrieg, die Inflation und die Weltwirtschaftskrise nachhaltig zerstört. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zerbrachen die Grundlagen für bürgerschaftliches mäzenatisches Engagement vollends.
Erst langsam gewannen die klassischen Formen des individuellen und gemeinschaftlichen Bürgerengagements zur Kunstförderung nach dem 2. Weltkrieg wieder an Boden, die Unternehmen engagierten sich beim Aufbau eigener Kunstsammlungen als langfristige Strategie, zum Teil entstanden neue Formen von Public Private Partnership.

Die Gesellschaft begreift wieder, dass der Staat nicht für eine umfassende Daseinsfürsorge dauerhaft eintreten kann, sondern eine engagierte Bürgergesellschaft und Unternehmerschaft braucht, nicht nur um die aktuellen Finanznöte des Staates zu heilen, sondern um aktiv und eigenverantwortlich zu handeln. Kunst und Kultur sind dafür ein besonders geeignetes Gestaltungsfeld.

München bietet hinsichtlich seiner Wirtschaftskraft hervorragende ökonomische Perspektiven. Dieses wirtschaftliche Leuchten Münchens führt durchaus zu mäzenatischem Verhalten oder Sponsorenförderung. Diese Ausstellung heute gibt ein gutes Beispiel. Zwar steht – nicht nur in München sondern überall – die Sportförderung der Firmen an der Spitze, weit vor der Kunst und Kultur, aber die Wirkung der Kunstförderung und das Einlassen auf Kunst bekommt bei der Wirtschaft eine wachsende Bedeutung. Der quantitativ unterschiedliche Anteil bei Sport und Kultur hängt nicht in erster Linie damit zusammen, dass eine Automarke auf dem Trikot eines Fußballers akzeptabler wirkt als auf dem Frack eines Dirigenten, sondern dass wir es bei der Kunst mit differenzierten Gruppen zu tun haben, mit Ungewohntem, mit Risiken, mit Anstrengung, sie entspricht nicht dem mainstream, sie fordert heraus. Aber gerade diese Auseinandersetzung mit den Künstlern und der Kunst gibt Einblicke in fremde oder versperrte Denkweisen, sie schafft Kommunikation, sie schärft das Wahrnehmungsvermögen, sie führt das Unverhoffte mit dem Planbaren zusammen, die Fantasie mit der Rationalität.

Unternehmen oder Unternehmensstiftungen werden tätig, um dem Neuen und Experimentellen Chancen zu geben, aber auch um niveauvolle Tradition zu erhalten und sie immer wieder in neuen Interpretationen verfügbar zu machen Was oberflächlich als Imagefaktor bezeichnet wird, wirkt langfristig nach außen und nach innen.

Letztlich sind heute Wirtschaft und Kunst auch nicht mehr die getrennten Welten: hier das Nützliche, dort das Unnütze. Auch die Wirtschaft benötigt die künstlerische Innovation für die Güter, die dem modernen Lebensgefühl entsprechen sollen, sie benötigt kulturelle Kompetenz für die internen kommunikativen Prozesse und sie benötigt Bildung zur Ausformung von Persönlichkeiten.

Eine wirkliche Motivation, eine Aufbruchstimmung, eine Übernahme von Verantwortung wird es langfristig nur dann geben, wenn auch eine Wertschätzung für Bildung in der Gesellschaft vorhanden ist. Dann bestehen auch ein vitales öffentliches Interesse und eine persönliche Bereitschaft. Kultur und Bildung sind ein Begriffpaar, sie bedingen einander. „Kultur braucht Wissen, braucht Geschichte und Tradition.“ Nur wenn wir in die kulturelle Bildung investieren, schaffen wir die entscheidenden Voraussetzungen für soziale Kompetenz, für die nötige Offenheit, Neues zu denken, für Inspiration.
Das Engagement zur philantropischen Verpflichtung muss also früh beginnen, um dauerhaft erfolgreich zu sein, nämlich bereits bei der Herausbildung von Menschen, die Kunst und Kultur als essentiellen Teil ihres Lebens empfinden und nicht erst bei Projekten und Fördermaßnahme.

Der Staat und die Gesellschaft sollten geeignete Rahmenbedingungen schaffen, die Privatinitiativen unterstützen. Vieles wäre unterblieben, würde die private Förderung oder gemeinsame Finanzierungsmodelle nicht existieren.

Die Flexibilität, das Experiment, das Ungewohnte, das Risiko, das die Kunst so nötig braucht, das ist im mäzenatischen Bereich oder im private-public-partnership-Modell nicht schlecht aufgehoben. Die staatlichen Institutionen der Kultur benötigen auch die Anregung und die Initiative von außen. So ist die Wirkung der privaten Kulturförderung weit höher zu veranschlagen, als es ein bloßer Vergleich der jeweils aufgebrachten Mittel vermuten lässt.

Bei aller Offenheit muss eines Bestand haben, weder der staatliche Einfluss noch der private darf die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit kultureller Einrichtungen im Hinblick auf ihr Kunsturteil einschränken. Die Interessenlagen benötigen ein beiderseitiges Vertrauensverhältnis, Fairness und Anerkennung der öffentlichen Legitimation. Kunst und Kultur leben nicht vom Augenblick, von der Tendenz zur Selbstverstärkung, sie leben von der Aura, von der Widerstandskraft gegen Inflationierung und Trivialisierung. Die Öffentlichkeit will sie hoch gehalten sehen, um zu erfahren, warum sich die Anstrengung des Sehens, Hörens oder Lesens lohnt. Deshalb bedarf es einer unabhängigen Kuratierung, wie auch bei dieser Ausstellung.

München hat große Chancen für ein überzeugendes Zusammenspiel von Bürgergesellschaft, Unternehmen, Staat und Wissenschaft zugunsten von Kunst und Kultur.

Landeskunde- und Freizeitprogramm

Neben dem Wettbewerb haben die Schüler und ihre Lehrer an einem intensiven Landeskunde- und Freizeitprogramm teilgenommen. Viele der Jugendlichen, die Deutschland bisher nur aus Büchern kannten, hatten hier die Gelegenheit, etwas über die deutsche Kultur zu lernen und Jugendliche aus Dresden zu treffen.

Sie haben viele Sehenswürdigkeiten Dresdens kennen gelernt, das Konzert einer Band der Dresdner Musikhochschule besucht, in Wanderungen das Dresdner Umland erkundet, am Elbestrand Beach-Volleyball gespielt und mit Jugendlichen des TSV Cossebaude ein Fußballturnier ausgetragen. Der Wirtschaftsbürgermeister von Dresden und der daad haben die Jugendlichen besucht, um Sie über die Möglichkeiten eines Studiums in Deutschland zu informieren.

Alumni-Programm

Damit die Jugendlichen auch weiterhin Kontakt zu Deutschland und untereinander halten, werden in jedem Jahr fünfzehn der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen, ein vierwöchiges Praktikum in Deutschland zu absolvieren. Zurzeit sind 15 unserer ehemaligen Stipendiaten aus Mittel- und Osteuropa in Berlin, Dresden, Bonn, München, Franfurt am Main und Wien, um sich dort mit dem Arbeitsalltag in Stiftungen, Kulturinstitutionen, dem Bundestag und der freien Wirtschaft vertraut zu machen.

Über ein Internetforum, das rege genutzt wird, können die Jugendlichen sich untereinander austauschen; in Rundbriefen werden sie regelmäßig über Studien- und Stipendienangebote in Deutschland informiert und bekommen Tipps zu interessanten neuen Büchern, Filmen und CD’s.

Für die Lehrer erarbeiten wir Unterrichtseinheiten zum Thema „Berlin nach ’89“, in denen Berliner, bald auch Dresdner, ihre Lieblingsorte vorstellen. Diese Unterrichtseinheiten stellen wir auf die Homepage der Initiative Deutsche Sprache, damit die Lehrer gleich nach ihrem Aufenthalt in Deutschland die Möglichkeit haben, ihre frischen Eindrücke und Kenntnisse in den Unterricht einzubringen.

Dank

Viele Institutionen und Menschen, denen die deutsche Sprache am Herzen liegt, sind inhaltlich und finanziell an der Verwirklichung dieses Projektes beteiligt:

Mein Dank gilt vor allem dem Internationalen Deutschlehrerverband und der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die mit uns gemeinsam Träger der Initiative Deutsche Sprache ist. Ihre Partner sind die Heinz Nixdorf Stiftung und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Initiative Deutsche Sprache steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.

Die Institutionen und ihre Menschen, die in den 40 Ländern an den Deutsch-Olympiaden mitgewirkt haben, sind die jeweiligen Goethe-Institute und Deutschlehrerverbände dort. Das Auswärtige Amt hat sich dafür eingesetzt, dass sich die deutschen Botschaften an den Deutscholympiaden beteiligt haben und zum Teil besondere Ehrungen der jeweiligen Gewinner arrangierten.

Nachhaltiger Dank gilt auch den Bildungsministerien der Länder, den Schulen und Lehrern sowie dem Goethe-Institut Dresden, seinem Leiter Robert Sobotta und seinen Mitarbeiterinnen, die die Initiative Deutsche Sprache bei der Ausrichtung der Internationalen Deutscholympiade tatkräftig unterstützt haben und in dessen Räumen unsere Stipendiaten in diesem Jahr zu Gast sein dürfen.

Als Medienpartner hat sich die Deutsche Welle um die Internationale Deutscholympiade verdient gemacht. Sie hat nicht nur drei ihrer Reporter nach Argentinien, Japan und Südafrika geschickt, um schon vor Ort über drei unserer Teilnehmer zu berichten, sondern auch in Dresden unsere Oympioniken filmisch begleitet.

Auch der Mitteldeutsche Rundfunk und die Axel Springer-Akademie haben sich sehr für die Internationale Deutscholympiade engagiert und für eine intensive Berichterstattung gesorgt. Mein Dank gilt insbesondere dem Direktor der Axel Springer Akademie, Jan-Erich Peters, und dem Stellvertretenden Direktor Marc Thomas Spahl.

Die breite Unterstützung und Hilfsbereitschaft, die wir bei der Organisation der Internationalen Deutscholympiade in Dresden von allen Seiten erfahren haben, wissen wir sehr zu schätzen. Da es kaum möglich ist, alle Helfer zu nennen, möchte ich hier nur einige stellvertretend erwähnen: das deutsch-tschechische Internat in Pirna, den Dresdner Verkehrsverbund, das Tourismusbüro Meißen, den Wander- und Bergsteigerverein und die dampfbetriebene Lösnitz-Grundbahn, die eigens für unsere Stipendiaten ihren Zug um einen Wagen verlängert hat, damit alle Jugendlichen zur Moritzburg mitfahren können.

Zum Schluss möchte ich meinen ganz herzlichen Dank dem Projektteam unter Leitung von Gabriele Stiller-Kern sagen sowie Frau von Ruckteschell, die als Leiterin der Abteilung Sprache des Goethe-Instituts für die Initiative Deutsche Sprache bis vor kurzem zuständig war – sie ist jetzt in Johannesburg als Leiterin des dortigen Goethe-Instituts – und ihrem Nachfolger Herrn Makowski. Er hatte bereits das Vorläuferprojekt „Wir können Deutsch“ verantwortet.
Ihnen allen herzlichen Dank. Sie haben eine beeindruckende Leistung vollbracht zum Nutzen der deutschen Sprache und zur Freude allerAber Chancen müssen genutzt werden. Es genügt eben nicht zu sagen: Kunststadt das sind wir, das leben wir. Oder mit einem Zitat von Karl Valentin aus der Ausstellung: „Und wer behauptet, München sei noch Kunststadt, der ist auch mit schuld daran – dass es keine mehr ist.“ Kunst braucht Neugier, Offenheit, Begeisterungsfähigkeit, freies Denken und Engagement. Sie ist Aufbruch und nicht Selbstbespiegelung. Dass ich heute Abend zu Ihnen als Präsident des Goethe-Instituts spreche hat genau damit zu tun – nicht etwa, weil ich vorher Präsident der großen Berliner Museen war. Die Künstler sind für das Goethe-Institut in ihrer gestalterischen Kraft und ihrem Formenreichtum unverzichtbare Partner im interkulturellen Dialog weltweit. Waren es im 19. Jahrhundert Wissenschaftler wie Alexander von Humboldt, die die Welt vermessen haben, dann später die Ethnologen wie Claude Levi-Strauss, so sind es heute vielfach die Künstler, die mit Intuition, Emotion und Improvisation Zugänge eröffnen und Nachdenken, Alternativen und Entwicklung ermöglichen, Weltverständnis schaffen. Kunst ist nicht der Wettermacher, aber möglicherweise ist sie im Besitz des Barometers!