25. März 2024
50 Jahre Nelkenrevolution und die Wohnungsfrage in Portugal
Die sogenannte Nelkenrevolution ebnete in Portugal 1974 den Weg hin zur Demokratie und brachte bahnbrechende Fortschritte im sozialen Wohnungsbau mit sich. Heute erlebt das Land eine neue Wohnungskrise. In der vergangenen Woche lud das Goethe-Institut Portugal dazu ein, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Wohnens in einer ersten Generalversammlung zu diskutieren und neue Perspektiven zu schaffen. Die angestoßene Debatte über andere Wohnformen und neue Lebensweisen mündet in einem Festival im Herbst.
Am 25. April 1974 endete in Portugal die autoritäre Diktatur im Estado Novo mit einem Militärputsch. Fünf Jahrzehnte nach der Nelkenrevolution gehen die Menschen in Portugal erneut auf die Straße. Der durch Spekulation angespannte Wohnungsmarkt und die rasante Gentrifizierung ganzer Stadtviertel stürzt große Teile der Bevölkerung in eine tiefe Wohnungskrise. Rechte und rechtsextreme Parteien nutzen die grassierende Wohnungsnot zu ihren Zwecken und konnten bei den jüngsten Parlamentswahlen große Gewinne verzeichnen. Der rechtsextremen Chega-Partei gelang es, ihren Stimmanteil im Vergleich zu den Parlamentswahlen von 2022 mehr als zu verdoppeln.
In diesem angespannten Klima öffnet das Goethe-Institut in Portugal Dialogräume, um den Mangel an Wohnraum nicht nur anhand von Debatten, sondern auch mit Mitteln aus Kunst und Kultur zu adressieren. Das vom 25. September bis 6. Oktober im Großraum Lissabon stattfindende Festival mit dem Titel „EINE REVOLUTION WIE DIESE - Kampf und Fiktion: die Wohnungsfrage“ versteht sich als Plattform für Austausch und kollektive Reflexion. Nebst Podcast-Serie und reisender Radiostation finden Debatten im öffentlichen Raum in verschiedenen Stadtvierteln statt und bringen die Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen Gästen, Expert*innen, Initiativen und Vertreter*innen der lokalen Politik zusammen. Ein mehrteiliger Video-Essay, der seit letztem Jahr verschiedene Kooperativen und Baugruppen sowie Aktivist*innen dokumentiert, wird Premiere feiern. Künstlerische Interventionen sowie Performances in privaten Wohnräumen laden ein zur Reflexion über die Wohnungskrise und unsere Art zu leben. Das Festival ist eine Initiative des Goethe-Instituts Portugal, kuratiert von Julia Albani, unter Beteiligung des Künstlers Nuno Cera und in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung Culturgest. „Mit diesem Festival wollen wir einen offenen und produktiven Dialog anstoßen, Praktiken und Ansätze austauschen, wie wir unseren Lebensraum und ein Zusammenleben gemeinsam überdenken, umgestalten und pflegen wollen, vor dem Hintergrund sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit, sowie den sich wandelnden gesellschaftlichen Konstellationen und Normen, die andere Wohnformen verlangen,“ so Julia Albani.
Im Vorfeld des Festivals fand vergangene Woche eine Generalversammlung mit Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Kommunalpolitik sowie Architekt*innen, Städteplaner*innen und Aktivist*innen statt. Konzipiert als demokratisches Forum stellten Teilnehmer*innen verschiedene genossenschaftliche und gemeinschaftliche Wohninitiativen und -projekte vor, diskutierten alternative Wohnformen und reflektierten über neue Lebensweisen. Rund 100 Personen nahmen an der Generalversammlung teil, so auch Ana Jara vom unabhängigen Architekturkollektiv Artéria: „Um die Wohnungsfrage zu lösen, müssen wir den Wohnungsbau von einer privaten Investition und Initiative zu einem kollektiven Bestreben machen“.
Zeitgleich mit der Generalversammlung startete ein Open Call für performative Interventionen, die als Teil des Festivals in Privatwohnungen im Großraum Lissabon stattfinden werden. Link zum Open Call: https://www.goethe.de/ins/pt/de/kul/sup/ura/pcc.html
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