„Movement (1920-2020)“
Das Recht auf Bewegungsfreiheit verteidigen
Die Künstlerin Natascha Sadr Haghighian ist dafür bekannt, verschiedene Identitäten anzunehmen und dabei ihre eigene Biografie nicht offenzulegen. Auf der Biennale in Venedig arbeitete sie für den Deutschen Pavillon und präsentierte ihr Werk nun auf dem Festival „Movement (1920-2020)“ von Onassis Stegi, in Kooperation mit dem Goethe-Institut Athen. Die Journalistin Despina Zefkili traf die Künstlerin für „Goethe aktuell“ und sprach mit ihr über das Recht auf Bewegungsfreiheit und unsere Verantwortung, dieses zu verteidigen.
Von Despina Zefkili
Ihre Arbeit für den Deutschen Pavillon bei der letzten Biennale von Venedig sprach das Problem der Migration an. Wie war Ihre Herangehensweise?
Mein Beitrag war das Ergebnis von zwei zeitgleichen Ereignissen. Als ich gebeten wurde, eine Arbeit für den Deutschen Pavillon 2018 anzufertigen, hatte ich einige Meetings mit der Kuratorin Franciska Zólyom zur Besprechung und eines dieser Ereignisse passierte. Es ging um einen gewaltsamen Polizeieinsatz in einem Flüchtlingslager in Süddeutschland. Diese Gleichzeitigkeit brachte mich dazu, über die Tatsache nachzudenken, eine „gute Migrantin“ zu sein, die gebeten wird, Deutschland zu repräsentieren, während andere als die „bösen Migranten“ bezeichnet und kriminalisiert werden. Es ist fast ein Versehen, dass ich einen deutschen Pass besitze. Ich wurde hier vom Goethe-Institut eingeladen, während andere nach dem Dublin-Abkommen dorthin abgeschoben werden, wo sie als Erstes in die EU gelangt sind. Je mehr man über das europäische Asylsystem erfährt, umso bedeutender wird die Frage, weshalb die Bewegungsfreiheit für manche eine Selbstverständlichkeit ist und für andere eine Straftat darstellt.
Ein Raum des Vertrauens
Wie hat sich die Arbeit entwickelt?
Ich begann mit sehr viel Recherche über die Lager und die Geflüchteten dort. Aus diesem Material haben wir eine Veröffentlichung sowie einige Videos erstellt, die die Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland mit den Plantagen in Süditalien verknüpfen, in denen Einwanderer wie Sklaven arbeiten und die europäische Politik am Mittelmeer erläutern, die nicht nur Migration kriminalisiert, sondern auch die Solidaritätsbewegungen.
Klang ist ein wunderbares Medium, um eine sehr somatische Erfahrung im Raum zu machen. Daher haben wir eine Klanginstallation mit sechs Musiker*innen aus unterschiedlichen Traditionen erstellt, um ein Klangstück zu erschaffen, in dem ausschließlich Pfeifen vorkommen. Diese wurden in einer Metakomposition geteilt, in der niemand die volle Kontrolle über die Mischung hatte. Es ging darum, einen Raum des Vertrauens zu schaffen, der nicht von einem einzigen Ort aus kontrolliert werden kann.
Ein universales Recht
Was ist Ihr Beitrag zu „Movement (1920-2020)“?
Ich zeige eine mobile Version von einem Teil des portablen Materials, das in Venedig vorgestellt wurde; eine Aufnahme der Klanginstallation zusammen mit Videos, Fotografien und der Veröffentlichung. Ich halte das Projekt für sehr spannend, weil es die Bewegungsfreiheit nicht relativiert, sondern sagt, dass sie ein universales Recht ist.