Online-Konferenz „United for a New Future“
Aus der Krise in die Zukunft
Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verstärkt das Goethe-Institut sein bisheriges europäisches Engagement. Wenige Tage vor Beginn der Ratspräsidentschaft suchten Kultur- und Kreativschaffende gemeinsam mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament sowie dem Rat der EU auf der Konferenz „United for a New Future“ Wege aus der Krise.
Von Tanya Wittal-Düerkop und Benjamin Panten
Am 1. Juli übernimmt die Bundesrepublik Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft und eröffnet ein europäisches Kulturprogramm mit Fokus auf europäischer Öffentlichkeit und europäischer Solidarität. Der Beitrag des Goethe-Instituts zum Kulturprogramm der Bundesregierung blickt auf die Frage: Was macht Europa zukünftig aus und wie kann europäischer Zusammenhalt auch in Zeiten von Corona gelingen? Auf diskursive und künstlerische Weise widmen sich die europaweiten Projekte des Goethe-Instituts der Vielfalt Europas und der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit. Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, hob hervor: „Gerade in Zeiten, in denen die Europäische Gemeinschaft durch die Auswirkungen von Covid-19 stark betroffen ist und nationalstaatliches Denken zunimmt, setzen wir mit unseren Projekten auf die Stärkung der europäischen Öffentlichkeit, um Zusammenhalt und Solidarität auf europäischer Ebene zu ermöglichen.“
Wenige Tage vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eröffnete er die Konferenz mit einem eindringlichen Appell an die politischen Entscheidungsträger*innen. Die Corona-Krise nehme er nicht nur als disruptiv wahr, sondern auch als handlungsleitend für das Vorantreiben einer neuen wertebasierten, nachhaltigen und innovativen Politik für den europäischen Kultur- und Kreativsektor: „In den letzten Monaten sind länderübergreifend kreative und kulturelle Initiativen entstanden, die inspirieren und neue Freiräume in Zeiten des Stillstandes des öffentlichen Lebens schaffen. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben seit Beginn der Krise Strategien entwickelt, schnell Finanzmittel bereitgestellt. Ich wünsche mir, dass im neuen mehrjährigen Finanzrahmen dem kulturellen Ökosystem als Booster für Innovation und Zusammenhalt eine angemessene finanzielle Ausstattung zugeteilt wird. Nicht weniger als das Überleben unserer kulturellen Vielfalt steht auf dem Spiel. Es gibt keinen besseren Weg als gemeinsam zu planen und zu gestalten. Es gibt keinen besseren Moment dafür als jetzt.“
Existenzielle Bedrohung für die Branche
Die Kultur- und Kreativwirtschaft zählt zu den Sektoren, die die Pandemie EU-weit besonders hart getroffen hat. In finanzieller Hinsicht ist dies eine existentielle Bedrohung für die Branche. Lockdown-Maßnahmen bedeuteten aber nicht nur Verlust von Einnahmen und Zerstörung von Arbeitsplätzen, sondern auch von öffentlicher Wahrnehmung, vielfach sogar von Wertschätzung. Die Konferenz fächerte daher die vielfältigen Herausforderungen und Schwierigkeiten auf, mit denen sich Kultur- und Kreativschaffende aktuell konfrontiert sehen.
In ihrer Eröffnungsansprache betonte Mariya Gabriel, Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, die Bedeutung der gemeinsamen Plattform „Creatives Unite“. Seit Mai 2020 wird diese gemeinsam vom Goethe-Institut und dem European Creative Hubs Network (ECHN) im Rahmen des EU-geförderten Projekts „Creative FLIP“ koordiniert. Die Plattform sammelt eine Vielzahl aktueller Initiativen und Informationen über die Auswirkungen der Pandemie auf den Kultur- und Kreativsektor für Akteur*innen innerhalb wie außerhalb der EU. „Gerade der Kultur- und Kreativsektor mit seiner Innovationskraft, seiner Kreativität und seiner Vielgestaltigkeit bietet dieser Krise die Stirn“, so Mariya Gabriel. „Gemeinsam Auswege aus der Krise zu finden, die Branche weiter zu stärken und zukunftssichernde Instrumente bereitzustellen, das sehe ich als meine Aufgabe.“
Die kroatische Kulturministerin Nina Obuljen-Koržinek betonte die Bedeutung der Konferenz und der Austausch-Plattform: „Für uns politische Entscheidungsträger ist es entscheidend, zuzuhören, die Ideen der Kultur- und Kreativschaffenden zu begleiten und geeignete Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zu entwickeln.“
Angeregter Austausch trotz Kontaktbeschränkungen | Foto: Wanda PoitschkeNachhaltige Finanzierungsmodelle für den Sektor entwickeln
Sabine Verheyen, die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament, kritisierte die jüngsten Kürzungen der Europäischen Kommission bei den Bildungs- und Kulturprogrammen im neuen überarbeiteten Vorschlag für den EU-Haushalt 2021-2027 scharf. Die Finanzmittel müssten für die Kultur- und Kreativszene, die mit am schwersten getroffen wurde, ebenso angehoben werden, wie dies für andere Programme bereits ausgehandelt wurde. Immerhin trage der Sektor mit circa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur wirtschaftlichen Gesamtleistung in der EU bei.
Auch Johannes Ebert spricht sich gegen Budgetkürzungen aus: „Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen zum künftigen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), eine einzigartige Gelegenheit, einen EU-Haushalt vorzulegen, der dem Kultur- und Kreativsektor hilft, sich von der Krise zu erholen. Das Goethe-Institut setzt sich ein, dass die Bedürfnisse des Sektors bei der neuen Generation der EU-Programme berücksichtigt werden. Das Goethe-Institut teilt die Bedenken des Sektors hinsichtlich des jüngsten Vorschlags empfindlicher Budgetkürzungen, etwa bei ‚Creative Europe‘, dem ‚Solidarity Corps‘ und bei ‚Erasmus +‘.“
Perspektiven für Europas Kultur- und Kreativszene
Christian Ehler, Abgeordneter im Europäischen Parlament, fordert für die Zeit nach der Corona-Krise einen grundlegenden Strukturwandel in der Wirtschaft im Allgemeinen. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Besonderen wünscht er sich ein gleichwertiges Konjunkturprogramm wie für andere Industriezweige, nicht nur staatliche Transferzahlungen oder Liquiditätshilfen. Nur so könne man den Sektor wirklich stärken, Arbeitsplätze erhalten und sogar neue schaffen. Den Akteur*innen des Sektors solle nicht ausschließlich die Opferrolle zugeschrieben werden, im Gegenteil, man müsse sie als Teil der Lösung und Antwort auf die Krise wahrnehmen, so der Abgeordnete. Dafür benötige man von den politischen Entscheidungsträger*innen zwei Dinge: Planungssicherheit und konkrete Perspektiven für Europas Kultur- und Kreativszene.