Jeem
Lass uns über Gender, Sex und die Gesellschaft reden – auf Arabisch
Jeem ist eine neue Website für junge arabischsprachige Menschen zum Thema „Liebe, Sexualität und Gesellschaft“. Die Idee kam erstmals 2015 auf, als das Team des Goethe-Instituts Kairo ein Digitalprojekt entwickeln wollte, um Jugendliche der Region anzusprechen. Wir veröffentlichen einen Auszug aus einem Artikel von Afrah Nasser über vier jemenitische Künstlerinnen, die Krieg und Vertreibung erfahren haben.
Entgegen der gängigen Annahme, dass Frauen in der Kunstwelt eine Minderheit darstellen und ihre Werke marginalisiert werden, ist dies im Jemen ganz anders. Meine zehnjährige Erfahrung in der Berichterstattung aus dem Jemen zeigt, dass die jemenitische Kunstbewegung von Frauen und Männern gemeinsam gestaltet wird. Beide erleben zusammen Ausgrenzung und Nichtbeachtung vonseiten der Medien. Ihre Werke und Talente werden nicht ausreichend dokumentiert.
Die ägyptische Sängerin Maryam Saleh beim Launch von Jeem in Kairo
| Foto: Roger Anis
Kunstschaffen ist wie Psychotherapie
Sara Ishaq ist eine der bedeutendsten jemenitischen Künstlerinnen der jungen Generation, die ihre Stimme zu Beginn der jemenitischen Revolution im Jahr 2011 fand. Nach einem zehnjährigen Aufenthalt in Schottland ist sie in den Jemen zurückgekehrt und dokumentiert seither alltägliche Einzelheiten der politischen und sozialen Realität ihres Heimatlandes. Ihre Kurzfilme über eine Demonstrantin auf dem Taghyeer-Platz und ihr Film „Die Hängengebliebenen“ über Jemeniten, die in Ägypten festsitzen, belegen die gesellschaftspolitische Relevanz, die Saras Dokumentation von Erinnerungen jemenitischer Bürger hat.In einem Gespräch mit Sara Ishaq, das ich in Sanaa führte, erklärte sie mir, egal ob im Krieg oder im Frieden, Filmemachen spiele für die jemenitische Jugend eine wichtige Rolle. Es sei ein Mittel der Ermächtigung für Jugendliche und eine bereichernde Quelle für Gespräch und Meinungsbildung. „Generell wirkt Kunstschaffen in Zeiten des Krieges wie Psychotherapie. Das gilt für die Macher der Filme ebenso wie für die Zuschauer. Filme helfen uns, abseits von Klischees und konventionellen Rahmenbedingungen, uns zu artikulieren und unsere Meinungen differenzierter zum Ausdruck zu bringen.“
Ein Camp für Filmemacherinnen und Filmemacher im Jemen | Foto: Sara Ishaq
Bilder von verbaler Gewalt
So ähnlich stellt es sich auch für Haya Al-Hammoumi dar. Die 23-Jährige erzählt in einem Gespräch in Sanaa vom Malen als Methode der Anpassung an die Realität und des Überwindens von Druck. „Ich male“, sagt sie, „weil das die Art ist, in der ich mich über mich selbst und mein Umfeld ausdrücken kann.“Haya begann ihre Bilder öffentlich auszustellen, als 2014 der Bürgerkrieg im Jemen ausbrach und die Huthis in die Hauptstadt Sanaa eindrangen und die staatlichen Institutionen unter ihre Kontrolle brachten. Seitdem malt Haya, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ihre Bilder „Das Opfer“ oder „Wutschrei“ entstanden in einer Zeit, in der sie die Gesellschaft als Opfer eines erbitterten Krieges erlebte, die dem Aggressor am liebsten vor Wut ins Gesicht schreien will.
„Wutschrei“ (Detailansicht) | Foto: Haya Al-Hammoumi
Mit dem Flüchtlingsboot nach Dschibuti
Methal ist eine jemenitische Sängerin und Gitarrenspielerin, die große Anerkennung und Unterstützung genießt. Sie wurde bekannt, nachdem sie letztes Jahr mit der Band „X Ambassadors“ das Lied „Cycles“ veröffentlichte. Das Lied war Teil einer Kampagne mit dem Namen „I am with the banned“, die sich solidarisch erklärt mit Menschen aus arabischen Ländern, denen die USA mit dem Beschluss des Präsidenten Donald Trump die Einreise verbot. Seit der Revolution von 2011 komponiert, singt und publiziert Methal ihre vor allem in englischer Sprache verfassten Lieder.In einem Interview erzählt Methal, wie viele Vorurteile sie am Anfang erdulden musste. „Ich bekam viele Hassbriefe wegen meines Auftretens. Die Belästigungen nahmen immer mehr zu, da musste ich das Singen 2014 aufgeben. Als der Bürgerkrieg ausbrach, reiste ich auf einem Flüchtlingsboot nach Dschibuti. Dort trat ich eine Weile in Hotels auf und versuchte, meine Werke übers Internet zu vermarkten. Ich erhielt Einladungen zur Beteiligung an Veranstaltungen in Deutschland und Kanada, um den Jemen zu repräsentieren. Anschließend blieb ich in Kanada.“
Methal und die X Ambassadors | Foto: Spotify
Eine außerordentliche Geschichtenerzählerin
Die Worte von Rim Megahed befördern ihre Zuhörer zurück in den Jemen. Seit Kriegsbeginn beschreibt die Soziologin und Schriftstellerin von ihrem neuen Wohnsitz in Prag aus ihr Heimweh in Geschichten, die erstaunlich realitätsnah sind. Bei unserer Begegnung Anfang des Jahres gesteht Rim, dass sie mit diesen Geschichten mit dem kleinen Dorfmädchen in Kontakt treten will, das sie selbst einmal war.Auf den Seiten der Safir-Zeitung hat Rim sechs Geschichten hintereinander veröffentlicht: Ihre Titel lauten Bluse, Hochzeit, Flucht, Diebstahl, Verschiebung und Weg. Die Redaktion der Zeitung erkannte sofort ihr Talent und druckte ihre Geschichten auf einer ganzen Seite. „Die junge Rim Megahed hat uns überrascht. Jede ihrer Geschichten ist ein Gemälde von einem anderen Winkel des jemenitischen Lebens. Wir haben in Rim Megahed eine außerordentliche Geschichtenerzählerin entdeckt.“
Projektmanagerin Dalia Othman beim Launch von Jeem in Kairo | Foto: Roger Anis Dies sind vier Beispiele einer ganzen Reihe von jemenitischen Künstlerinnen, die Krieg und Vertreibung erfahren haben. Sie sind bewaffnet mit ihrer Fantasie und Leidenschaft für das Filmemachen, Malen, Singen und Geschichtenerzählen. Viel ist noch nicht geschrieben worden über den Jemen und den Krieg. Der Bedarf nach Werken von Künstlern und Künstlerinnen, die die Zeitgeschichte dokumentieren, ist daher groß.
Dies ist eine gekürzte Fassung. Die Originalversion können Sie hier lesen.