Goethe-Medaille 2018
Nach der Katastrophe
Die Preisträgerinnen und Preisträger der Goethe-Medaille gemeinsam mit ihren Laudatoren sowie dem Präsidenten und dem Vorstand des Goethe-Instituts | Foto: Maik Schuck
Die kolumbianischen Theatermacher Heidi und Rolf Abderhalden vom Kollektiv Mapa Teatro, die schweizerisch-brasilianische Fotografin und Menschenrechtlerin Claudia Andujar und der ungarische Komponist und Dirigent Péter Eötvös wurden am 28. August mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Claudia Andujar teilte die Auszeichnung überraschend mit dem Sprecher des indigenen Volkes der Yanomami, Davi Kopenawa Yanomami.
Zum zehnten Mal gab am 28. August das Weimarer Residenzschloss den festlichen Rahmen für die Verleihung der Goethe-Medaillen, mit denen das Goethe-Institut seit 1954 den besonderen Einsatz für den internationalen Kulturaustausch würdigt. Dabei war die Auswahl der Preisträger bestimmt von dem Motto „Leben nach der Katastrophe“, das am 269. Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe Persönlichkeiten unterschiedlichster künstlerischer Couleur zusammenbrachte - die kolumbianischen Theatermacher Heidi und Rolf Abderhalden vom Kollektiv Mapa Teatro, die schweizerisch-brasilianische Fotografin Claudia Andujar und den ungarischen Komponisten Péter Eötvös. Sie alle hätten auf je ganz eigene Weise nach existenziellen Katastrophen und Brüchen „mit der Kraft der Kultur einen Neubeginn ermöglicht“, sagte der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, in seiner Eröffnungsrede. „Alle vier Preisträger sehen in der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit ein wesentliches Element des menschlichen Zusammenlebens und der menschlichen Teilhabe. Ohne kulturelles Verständnis, ohne Dialogfähigkeit wird unsere Welt immer weniger verständlich. Es braucht Menschen, die sich aktiv der kulturellen Vermittlung widmen, auch mit der Fähigkeit des Umgangs mit kulturellen Unterschieden - sei es in Südamerika, Afrika oder Europa.“
Präsident Klaus-Dieter Lehmann spricht in seiner Eröffnungsrede über die essentielle Arbeit der Preisträger | Foto: Maik Schuck
Internationale Kulturarbeit kann helfen, die Freiheit zu stärken
Die Staatsministerin für internationale Kulturpolitik, Michelle Müntefering, rief in ihrem Grußwort den sechsjährigen Goethe ins Gedächtnis, dessen kindliche „Gemütsruhe“ einst durch Berichte über das Erdbeben von Lissabon nachhaltig erschüttert worden war. Nach diesem prägenden Eindruck seien Katastrophen und persönliche Tragödien für sein späteres Lebenswerk stets Inspiration gewesen. Ganz in diesem Sinne öffne das Motto der diesjährigen Preisverleihung den Blick in die Zukunft. Auch internationale Kulturarbeit wie die des Goethe-Instituts werde künftig immer wichtiger, betonte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt: „Sie kann helfen, die Freiheit zu stärken.“Michelle Müntefering über die Bedeutung der internationalen Kulturarbeit für die Zukunft | Foto: Maik Schuck Die Laudationes vermittelten ein vielschichtiges Bild davon, welchen heutigen Herausforderungen sich die Geehrten stellen. Der Theaterautor Deniz Utlu würdigte den Mut des Mapa Teatro, im „experimentellen Labor“ verschiedener künstlerischer Genres immer wieder Probleme und Konflikte der kolumbianischen Gesellschaft offen zu thematisieren. Das sei geprägt vom kosmopolitischen Geist, der die Situation vor Ort nicht vergisst, „aber auch unseren Zentrismus auf der anderen Seite des Atlantiks erschüttern darf“, so Utlu.
Die Preisträger Heidi und Rolf Abderhalden vom Kollektiv Mapa Teatro | Foto: Maik Schuck
Überraschung in der Dankesrede
Zur Würdigung der Fotografin und Menschenrechtlerin Claudia Andujar erinnerte der Anthropologe Stepen Corry an deren langjährigen Einsatz für das indigene Volk der Yanomami in Brasilien. Die mehr als 60.000 Fotografien von bedrohten Menschen am Amazonas und das stete Engagement der heute 87-Jährigen haben letztlich mit dazu beigetragen, dass ihr Lebensraum ein erklärter Schutzraum werden konnte. Tief bewegt und spontan erklärte die Künstlerin und Aktivistin im Dank für die Medaille, sie teile die Auszeichnung mit dem Sprecher des indigenen Volkes der Yanomami, Davi Kopenawa Yanomami.Claudia Andujar teilt ihre Auszeichnung mit dem Sprecher des indigenen Volkes Davi Kopenawa Yanomami | Foto: Maik Schuck Der Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier entfaltete in seiner Laudatio auf den ungarischen Komponisten Péter Eötvös ein opulentes Theaterszenario um dessen Werk. Eötvös sei gleichermaßen Sprach- und Stimmakrobat, „seine Musik spricht alle Sprachen und jedes Stück eine neue“ und die Stimmen verschmelzen „zu einer universellen Sprache“. Seine Kompositionen seien „Felsen im Vergessen“ und machten das Unsichtbare sichtbar. „Er ist der Shakespeare unter den Komponisten“, resümierte Ostermaier. Eötvös dankte per Video, weil er wegen einer Uraufführung auf dem Luzern-Festival nicht selbst anwesend sein konnte. Charmante Dankesworte kamen von seiner Tochter Ann-yi Bingöl.
Ann-yi Bingöl nimmt stellvertretend die Goethe-Medaille für ihren Vater, Péter Eötvös, entgegen | Foto: Maik Schuck