"Befreiung verhandeln" Traumliebhaber: Wehmütige Afro-Romantik in den Emiraten 16mm
Amirah Tajdins Kurzfilm „Negotiating Liberation“ ist fast ausschließlich musikalisch beleitet und kann auf den ersten Blick als großartig gerahmtes Musikvideo erlebt werden, das farbenfrohe Mode und köstliches Gebäck in den Vordergrund stellt.
Von Bilal Qureshi
Aber was sich zunächst als sinnlicher Tanz zwischen seinen beiden wunderschönen schwarzen Hauptrollen präsentieren mag, ist tief in Tajdins eigene Erfahrung als afrikanische Künstlerin eingebettet, die in Dubai lebt und arbeitet und zwischen kommerziellem Video und ihrer eigenen Praxis als Kunstfilmerin pendelt. Die Musik der Liebenden auf dem Bildschirm ist eine melancholische Erforschung dessen, wie der Akt des Ausdrucks privater Liebe eine Form stiller Rebellion gegen die Einsamkeit des Lebens von Einwanderern außerhalb des eigenen Heimatlandes ist. Die Kulisse ist eine nicht fertig gestellte Villa in Dubai, deren Bögen und kahle Wände zur Architektur des ultimativen Migrantentraums in einer Stadt werden, die vom Streben nach persönlichem Eigentum und sonnenverwöhntem Luxus geprägt ist. Tajdin fokussiert die Geschichte auf zwei junge afrikanische Migranten, die sich nach einer langen Trennung wieder zusammenfinden, und greift dabei auf ihr Vokabular aus Mode und Musik zurück, um das Lustprinzip des Migrantenlebens „nach Feierabend“ herauszuarbeiten. Tajdin konzentriert sich auf Tanz, verwobene Körper und Live-Auftritte, weil ihrer Ansicht nach auch diese einen zentralen Teil der Erfahrung von Einwanderern darstellen. Emotionale Momente der Erholung, die vom Kampf zwischen Sonntag und Donnerstag abgetrennt sind, sind ebenso hart erkämpft und verdienen eine Feier wie die wirtschaftlichen Fortschritte und Entscheidungen, die das Leben von Migranten antreiben. Das Stück wurde auf 16-mm-Filmmaterial gedreht und mit gelegentlichen Textnachrichten überlagert. Es ist eine Hommage an die afrikanische High-Life-Bewegung der 1960er Jahre und an die Farben und Lieder von Tajdins Heimat Kenia. Das Ergebnis ist ein Film von unapologetischer Schönheit und schwarzer Liebe, der vollständig vor Ort am Golf entstanden ist, ein privater Tanz, der in einem verträumten Haus in Dubai aufgeführt wird.
BQ: Erzähle mir von dem Auftrag für dieses Projekt und was dich zum Nachdenken veranlasst hat?
Amirah: Der Auftrag kam letzten Sommer nach dem Aufstand von Black Lives Matters im Jahr 2020, der überraschenderweise in diese Stadt eindrang. Es war schön zu sehen, wie Rassenpolitik hier von Organisationen wie dem Goethe-Institut eine Stimme verliehen und tatsächlich unterstützt wurde. Es kam nach einer Zeit, in der ich nach dem Lockdown wieder ein bisschen kommerzielle gearbeitet hatte und ein etwas erschöpft war, so dass es eine schönes künstlerische Aufgabe war, Videokunst zu machen. Der Auftraggeber gab mir volle kreative Freiheit, das einzige, was er sagte, war, dass er die afrikanischen Bands in Dubai liebte und sie gerne in irgendeiner Form präsentieren würde. Angesichts der Tatsache, dass sich meine Arbeit viel um Musik dreht, war das eine leichte Aufgabe. Es war für mich auch ein Zeitpunkt und eine Jahreszeit, in der ich gerne mit dem Thema Liebe zu tun haben wollte und mir etwas Leichteres, sogar Süßes, vorschwebte. Es gibt jedoch auch eine zugrunde liegende Melancholie, die am Ende des Films durchscheint und die Realität der Erfahrung von Einwanderern widerspiegelt, ob hier oder irgendwo anders auf der Welt.
BQ: Deine Darsteller befinden sich in dieser Villa in der Stadt, aus der du später herauszoomst, und am Anfang ist es weniger offensichtlich, in welchem Kontext sie sich befinden. Erzähle mir von dem Ort, an dem du gedreht hast, und wie die Architektur die Art und Weise geprägt hat, wie du die Geschichte erzählt hast.
Amirah: Das Setting verlangte den größten Bearbeitungsaufwand, als ich das Drehbuch schrieb. Ich wollte, dass es eine halbfertige Villa ist, weil es eine Metapher dafür ist, dass wir als afrikanische Einwanderer hierher kommen, um unsere Träume und eine bessere Zukunft außerhalb unserer korrupten, vom Krieg heimgesuchten Länder zu verwirklichen. Aber können Sie jemals in Ihrem Traumhaus leben? Wie sieht das aus und was bedeutet das? Ich wollte das Setting in einer großen Villa sehen, wie sie für die Golfregion typisch sind. Es sollte ausserhalb gelegen sein, und so ist sie in einem Viertel namens Khawaneej, ein sehr typisches Emirati-Viertel. Es liegt am Rande der Stadt und ist zu einer sicheren Enklave geworden, in der die Einheimischen an ihrer Identität festhalten können und sich den Expatriates so ausgesetzt fühlen wie in manch anderen Vororten wie Jumeirah. Es war interessant, durch dieses Viertel zu fahren, und es dauerte acht Wochen, bis wir etwas gefunden hatten. Als der Besitzer dieses Hauses zusagte, hatte es genau den richtigen arabesken Touch und es war genau den richtigen Bauzustand. Ich wollte wirklich diese harte Ästhetik unbemalter Steine gegen diese königlichen Charaktere haben, die auf dieser Welt existieren.
BQ: Eines der Dinge, die ich genossen habe, war, dass der Film, obwohl er in Dubai verwurzelt ist, diesen jenseitigen, verträumten Ton hat. Ein Großteil des Geschichtenerzählens für Migranten ist so realistisch, so sehr von Nachrichten und Dokumentationen beeinflusst, und dieser etwas surrealere und traumhaftere Stil ist eine andere Möglichkeit, diese Geschichte zu erzählen. Als dieses Thema über das Freizeitverhalten von Migranten in Dubai vorgeschlagen wurde, gab es angesichts der Tatsache, dass dies ein kompliziertes Thema ist und das Erzählen dieser Geschichten sehr komplex ist, Themen, die du persönlich vermeiden wolltest?
Amirah: Ja, sicher. Die Idee kam von meinen eigenen Abenden mit der Band, die im Film Lesasa Jocker & Bilenge Musica Band zu sehen ist. Leider konnten wir nicht mit ihnen drehen, da sie seit Beginn der Pandemie in Kenia festsitzen. Der Traum wäre gewesen, sie live in der Villa spielen zu lassen, zusammen mit diesem Paar, das sich mit ihnen beschäftigt und in ihrer Nähe tanzt, aber das war nunmal eine Projektion und ein Remote-Shooting mit ihnen in Nairobi. Die Idee war inspiriert von der Frage, wohin geht man an einem Freitagabend, um Spaß zu haben, wenn du von Sonntag bis Donnerstag deinem Traum hinterhergerannt bist. Es ist auch das uralte Ding der Schwarzen, die es lieben, gut auszusehen. Zum Beispiel in Südafrika und Amerika, wo es rassistisch motivierte Gründe gab, um sicherzustellen, dass man gut aussah und im Sonntagsstaat zur Kirche kam, wie in Amerika. Wie sieht das heute in einer Ästhetik von 2021 aus? Wie takeln wir uns auf, gehen tanzen und feiern? Ich hätte leicht eine traurige Geschichte über afrikanische Einwanderer machen können, die es in der Stadt einfach nicht schaffen. Die Wahrheit ist, dass du nicht weißt, ob du es hier schaffst oder nicht, aber was passiert in der Zwischenzeit? Ich wollte mich auf diese Zeit konzentrieren und festhalten, wie es aussieht, wie es sich anfühlt, wie es sich anhört. Aber als ich zum Schnitt kam, hatte ich das Gefühl, dass die Schauspieler mehr als das auf die Leinwand gebracht hatten. Es war ihre Sehnsucht nach den Menschen, von denen du getrennt bist. In Dubai gibt es auch oft diese Situation, dass nicht unbedingt beide Ehepartner gleichzeitig hier sind. Einer der Ehepartner kommt oft früher hierher, unabhängig von der Einkommensklasse. Ich fand es interessant, damit zu spielen und die weibliche Figur zuerst hier zu haben, im Gegensatz zum Mann, und er kommt nach zwei Jahren, um sie zu sehen und hat seine Frau seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Es wird die Nacht, in der ich nach so langer Zeit meine Liebe sehen werde. Dies sind meine eigenen Erinnerungen an das Aufwachsen zwischen Kenia, Oman und Dubai. Einmal waren wir mit meiner Mutter im Oman, und mein Vater war immer noch in Kenia. Er kam etwas später und unsere Tanten planten hatten diese ganze Überraschung geplant, sie wieder zu vereinen. Ich erinnere mich nur daran, wie ich diese Interaktion zwischen meinen Eltern beobachtet habe, nachdem sie so lange voneinander getrennt gewesen waren. Es war dieser süße, schüchterne Moment, deine Liebe nach so langer Zeit zu sehen. Für mich ging es in dem Film eher um diese kleinen Momente als um große, großartige humanistische Themen wie Traurigkeit und Depression von Einwanderern, die natürlich immer wichtig sind, aber darauf wollte ich in diesem Stück nicht speziell eingehen. Es ist interessant, dass es trotzdem gelungen ist, sich durchscheinen zu lassen.
BQ: Ich möchte dich fragen, als eine afrikanische Künstlerin mit Sitz in Dubai und als jemand, die selbst diese Erfahrung teilt, die die Serie erforscht. Hast du nach so vielen Jahren hier das Gefühl, dass diese Stadt deinen Erzählstil, deine Ästhetik und deine Sensibilität für das Filmemachen so verändert hat, dass deine Kunst speziell von diesem Ort geprägt ist?
Amirah: Auf jeden Fall. Im Laufe der Jahre war Dubai immer ein wichtiger Bestandteil meiner kreativen Reise, sowohl als Regisseurin in den letzten zehn Jahren als auch als Teenager, als ich mich entschied, Filmemacherin zu werden. Es ist interessant, weil Dubai eine Stadt ist, die eine eigene Version des Kapitalismus aufbaut, und eine Stadt, in die so viele Menschen kommen, um ihre Träume zu verwirklichen. Vielleicht ist es wie in New York in den 1920er oder frühen 1900er Jahren, wo du einfach deine eigenen Regeln aufstellst und die Leute dafür offen sind, weil alle daran beteiligt sind, die Struktur einer neuen Stadt aufzubauen. Als schwarze Regisseurin wurde mir erlaubt, Regiejobs zu bekommen, von denen ich woanders nur hätte träumen können. Es gibt eine Ebene, in der man nicht gleich auf Basis seiner Hautfarbe eingeordnet wird. Es geht wirklich zuerst um dein Talent, und ich denke, das ist als Kreativer überall sonst auf der Welt sehr selten, wo man das Gefühl hat, Diversity-Kästchen oder Repräsentationskästchen anzukreuzen. Du glaubst wirklich an dein Selbstwertgefühl als Kreativer. Ich bin jetzt in Europa und Amerika vertreten und manchmal frage ich mich, ob ich ein Symbol in diesen Listen bin oder ob ich für meine Arbeit da bin. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich weiß, dass ich für meine Arbeit da bin und nicht, um Kästchen anzukreuzen, weil ich zuerst in dieser Stadt angefangen habe.