Bicultural Urbanite Brianna
Städtische Landwirtschaft wird in Berlin zum Mainstream
Deutschland ist weltweit führend wenn es darum geht, nachhaltig angebaute Produkte voranzutreiben. Die Foodtech-Unternehmerin Anne-Kathrin Kuhlemann setzt mit ihrer Bio-Fischfarm im Herzen Berlins neue Maßstäbe in Sachen Bio.
Von Brianna Summers
Die erste und einzige kommerzielle Fischfarm der deutschen Hauptstadt, die StadtFarm, liegt versteckt zwischen einem Friedhof, einem Kraftwerk und einem Krankenhaus im östlichen Landkreis Lichtenberg. Drei riesige Gewächshäuser bilden das unwahrscheinliche Zuhause einer Kolonie afrikanischer Welse, die 2016 in die Nachbarschaft gezogen sind. Diese schlüpfrigen neuen Bewohner sind Teil eines autarken Systems, das jedes Jahr 50 Tonnen Fisch und 30 Tonnen Gemüse produziert.
Neue Erfahrungen fischen
Ich bin zum ersten Mal über die StadtFarm gestolpert, als ich eine Anzeige über deren monatlichen Markt gesehen habe. Immer auf der Suche nach neuen und ungewöhnlichen Wochenendausflügen habe ich ein paar Freunde zusammengetrommelt und wir haben uns an einem klaren Frühlingstag auf der städtischen Farm getroffen. Der kleine Markt war in und um das dritte Gewächshaus gruppiert, in dem sich, wie mir meine Nase verriet, die Aquarien befanden. Familien und Feinschmecker probierten die marinierten Fischspieße der Farm (direkt vom Grill), tranken Bio-Kaffee und bestellten frisches Gemüse.Wir hatten gehofft, die Welse in ihrem neuen urbanen Zuhause ausgelassen herumplätschern zu sehen. Stattdessen drängten sie sich im tröstlichen Dunkel ihrer undurchsichtigen Tanks zusammen, wo sie als Teil eines geschlossenen Ökosystems existieren. Ihr Abwasser wird in die beiden anderen Gewächshäuser gepumpt, wo Gemüse, sowie? Salat und Tomaten angebaut werden. Nachdem die Pflanzen die Nährstoffe aus dem? vom? Fischkot aufgenommen haben, wird das Wasser durch Bakterien, ein speziell entwickeltes Substrat und einen mechanischen Filter weiter gereinigt, bevor es in die Tanks zurückgepumpt wird. Nichts wird verschwendet: Sogar der Müll aus dem Filter wird verwendet um ihre Würmer zu füttern.
Eine der Unternehmerinnen hinter dieser kompakten innerstädtischen Lebensmittelfabrik ist Anne-Kathrin Kuhlemann. Ich hatte nach unserem Besuch die Gelegenheit sie zu fragen, wie dieses geschlossene Wasserkreislaufsystem denn überhaupt zustande kam. Sie erklärte, dass die normale industrielle Aquakultur jede Woche das Beckenwasser vollständig ersetzen muss ("das ist viel Wasser!"), weshalb sie und ihre Mitbegründer ein umweltfreundliches System entwickeln wollten, das keine Abfälle produziert. „StadtFarm hat nicht einmal einen Kanalanschluss“, schwärmt sie. Eines der Gewächshäuser auf der Stadtfarm in Berlin | © Mathea Millman
Von Afrika nach Deutschland
Warum aber gerade Afrikanischer Wels? Bisher sah ich diese seltsame Spezies nur in Zeitlupe in einer BBC-Dokumentation. Der Hinweis liegt in ihrer unglaublichen Anpassungsfähigkeit. In der Trockenzeit überleben sie in freier Wildbahn, indem sie sich in den verbleibenden Wasserpfützen zusammenkauern. Wenn ihre Pfütze austrocknet suchen sie nach Wasser, indem sie sich über den Boden wälzen, geschützt von einer dicken, gummiartigen Haut und Dank ihrer Fähigkeit, Sauerstoff einatmen zu können. Das Stichwort lautet „aneinander gekuschelt“: Afrikanischer Wels lebt von Natur aus gern auf engem Raum, das heißt, er kann auf sehr wenig Land in großer Zahl gezüchtet werden.Die StadtFarm erbte ihre drei Gewächshäuser von einer Blumenzucht, die in den 1980er Jahren von der DDR-Regierung gebaut und betrieben wurde. Kuhlemann erzählt mir, dass in 50 Hektar Gewächshäusern Gerberas für den Export in westliche Länder gezüchtet wurden. Drei der Bauten haben die Wende überlebt und lagen brach, bis die StadtFarm auf das Gelände zog.
Auf dem Gelände des Kraftwerks Vattenfall bei Ostkreuz, im Osten der Stadt, wird nun die nächste städtische Farm des Unternehmens von Grund auf neu errichtet. Es wird auch hier Verbindungen zur Vergangenheit geben. „Das Kraftwerk Vattenfall […] heizte in den 1930er Jahren Gewächshäuser mit überschüssiger Wärme“, sagt Kuhlemann. Teamarbeit: Die Afrikanische Welse halten die Systeme auf der Farm am Laufen | © Julia Schmidt
Urban Fish Farming in Australien?
Angesichts der weltweit überfischten Ozeane, der erschöpften Böden und der enormen Menge an Nahrungsmitteln, die jedes Jahr verschwendet werden, ist es nicht weiter verwunderlich, dass das StadtFarm-Konzept im In- und Ausland auf großes Interesse gestoßen ist. Sogar der australische Minister für Wasserressourcen, David Littleproud, kam 2019 im Namen der Regierung zum Auskundschaften vorbei. Seit seinem Besuch wurde die StadtFarm von einem australischen Unternehmen, das sich für ihre Technologie interessierte, kontaktiert. "Hoffentlich werden diese Gespräche voranschreiten", sagt Kuhlemann, "da der Markt für umweltfreundliche Lebensmittel, die man mit gutem Gewissen genießen kann, jetzt boomt."Bevor meine Freunde und ich uns wieder Richtung heimwärts machten, kaufte ich noch etwas Räucherfisch für meinen fischbesessenen finnischen Ehemann. Er riss die Verpackung in Sekunden auf, nahm einen Bissen und stellte überrascht fest, dass es fast nach Schweinefleisch schmeckte. Diese unerwartet fleischige Konsistenz könnte für die Stadtfarm jedoch von Vorteil sein, da Bio-Wels auch Menschen ansprechen könnte, die sich nicht besonders für die Fischigkeit von Fisch interessieren. Kuhlemann hofft auf jeden Fall: "Um wirklich effektiv zu sein hoffen wir, dass die Menschen weniger Fleisch essen und tatsächlich einen Teil ihres Fleischkonsums durch unseren Fisch ersetzen."
Berlin ist nach wie vor ein fruchtbarer Standort für Start-ups, während Deutschland weltweit eine treibende Kraft für grüne Technologien und nachhaltige Lösungen bleibt. Hoffen wir, dass sich Australien davon eine Scheibe (oder ein Salatblatt) abschneidet und sich über die Eindämmung des Klimawandels informiert, bevor alle unsere Optionen in Rauch aufgehen.