Gastblogger Cam
Diese Bücher solltet ihr lesen, wenn ihr in Berlin seid
Bei all den schönen Dingen die ein Auslandsaufenthalt so mit sich bringt, gibt es doch wohl kaum etwas Besseres, als es sich mit einem guten Buch gemütlich zu machen, das an dem Ort spielt, den man gerade bereist.
Von Cam Hassard
Es gab schon immer Klassiker, die man am besten direkt vor Ort konsumiert. So ist Ernest Hemingways A Moveable Feast beispielsweise ein idealer Begleiter durch Paris oder Graham Greenes The Quiet American, führt den Leser hinter die Kulissen Südostasiens.
Auch wenn es um Berlin geht, gibt es eine Fülle großartiger Bücher, in denen man sich verlieren kann, und noch besser ist es natürlich, wenn man hier lebt und sich demnach Zeit lassen kann, sie alle ganz gemütlich nach Belieben aufzusaugen.
Rory McLeans Imagine a City, Anna Funders Stasiland und Stuart Brauns legendäre City of Exiles sind nur einige der Titel, die ganz besonders hervorstechen, und mit all ihren Höhen und Tiefen ein dynamisches Bild der kulturellen und politischen Geschichte Berlins darstellen.
Berlin: Imagine A City
Rory MacLeans' Streifzug durch Berlin hat einen ungewöhnlichen Stil. Der kanadische Autor und langjährige Wahlberliner taucht in die reichhaltige, gruselige und dunkle Vergangenheit der Stadt bis hin zur Gegenwart ein, indem er die Geschichten legendärer Persönlichkeiten über die Epochen hinweg erzählt. Unter anderem erwähnt er Kathe Kollwitz, Christopher Isherwood, Marlene Dietrich und sogar David Bowie, deren Erbe für immer in der Stadt spürbar sein wird. Einige mögen MacLeans fiktive Grenzfreiheiten als etwas verwirrend empfinden, aber ich habe seinen Stil geliebt: eine einzigartige Zeitreise, die sich über fünf Jahrhunderte durch Berlins hedonistische und mythische Vergangenheit erstreckt.
City of Exiles
City of Exiles macht süchtig, wie auch Berlin selbst. Der australische Journalist und Autor Stuart Braun führt uns durch Zeit, Raum und Ort, um den kulturellen und politischen Eigenheiten seiner Wahlheimat durch die unzähligen verbannten Seelen, die im Laufe der Jahrhunderte die spannungsgeladene, lebensverändernde Luft dieser Stadt eingeatmet haben, Farbe zu verleihen. Braun verehrt Berlin als einen Ort, an dem jeder willkommen ist, und hält an den Tugenden dieser egalitären, kreativen und einzigartigen Stadt fest: eine aufregende Momentaufnahme von „Berlin from the outside in“.
Stasiland
Stasiland stand während meiner High School Zeit zwar auf meinem Lehrplan, aber so richtig gelesen habe ich es erst, als ich nach Berlin gezogen bin. Auch hatten wir in der Schule etwas über die Berliner Mauer gelernt, aber ich habe nie wirklich verstanden, welchen Sinn und Zweck sie zu erfüllen hatte, oder was genau sie für die Menschen auf beiden Seiten bedeutete, bis ich sie mir (oder was davon noch übrig ist) selbst mal angeschaut habe. Kurz nach meiner Ankunft habe ich mein Stasiland ausgegraben: eine erstaunliche Ergänzung zu meiner eigenen Wahrnehmung der Mauer-Ära. Die Autorin Anna Funder (im Interview, oben) schildert ihre eigenen Erfahrungen von diesem Ort, vor und nach dem Mauerfall, ihre Begegnungen mit ehemaligen Stasi-Offizieren, zivilen Informanten und Ostberlinern, die die schlimmsten Zeiten des DDR-Regimes kennengelernt haben. Ein spannendes Erlebnis und eine absolute Pflichtlektüre.
Voluptuous Panic: The Erotic World of Weimar Berlin
Mel Gordons historische Darstellung von Berlin in den 20er Jahren ist nichts für schwache Nerven und liest sich wie der Ursprung von Babylon Berlin: eine raue und unzensierte Darstellung einer sehr wilden und sehr aus den Angeln gehobenen Ära. Angesichts der Freiheit, der Partys und des Nachtlebens, mit denen die Weimarer Jahre synonym zu sein schienen, wird dieses Jahrzehnt oft mit einer Art rosafarbener Ehrfurcht betrachtet - die Wahrheit ist, dass das Leben für die meisten Berliner in den 20er Jahren ein düsteres, nervenaufreibendes Leben war. Mit nüchternen Augen zeigt Voluptuous Panic die Realitäten des Hedonismus, der weit verbreiteten Prostitution und des aufkeimenden dunklen Impulses, der im Hintergrund durch die Stadt zu eitern begann.
Spazieren in Berlin
Franz Hessels Spazieren in Berlin, das von vielen - nicht zuletzt vom seinem Freund, Schriftsteller und Philosophen, Walter Benjamin - als zeitloses Meisterwerk angesehen wird, zeigt die einzigartigen Feinheiten des Berliner Alltags in den 1920er Jahren. Mit Flair und Geschicklichkeit ist Hessels gelehrsame Auseinandersetzung mit Berlins Stadtteilen, Mode, sozialen Sitten und Architektur auch darüber hinaus ein wahres Juwel: eine überzeugende Zeitkapsel, die eine Stadt in Bewegung, im Fluss und immer nach seiner eigenen Melodie tanzend zeigt.
Sonnenuntergang an der Admiralbrücke in Kreuzberg | © Honor Kennedy
EINE FRAU IN BERLIN
Diese anonyme Abhandlung, die später der Journalistin Marta Hillers zugeschrieben wurde, gibt einen erschütternden und dennoch tiefen Einblick in die acht Wochen, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Rote Armee die Stadt und das Leben ihrer Frauen, vom Osten her eroberte. Hillers äußerst realistischer und ausdrucksstarke Schreibstil untermalt die Brutalität der Vergewaltigung durch die Besatzungssoldaten, und sorgt für eine tief bewegende, düstere und ergreifende Lektüre - alles andere als unbeschwert, aber wunderschön und mit Tiefe geschrieben.
Berlin Now: The Rise of the City and the Fall of the Wall
Der langjährige Wahlberliner Peter Schneider taucht mit Berlin Now in die Vergangenheit ein und konzentriert sich hauptsächlich auf die Jahre nach dem Mauerfall, und bietet eine spannende Reise durch die Architektur, die Clubkultur, soziale Themen und Einwanderungsprobleme der Stadt, während ihrer langen Ära der Wiedervereinigung. Schneiders Interviews, Recherchen und persönliche Anekdoten, die eher als Zusammenstellung ergänzender Aufsätze geschrieben wurden, sorgen für ein sehr angenehmes Leseerlebnis.