Bicultural Urbanite Brianna
Wie ich durch Zufall zum Expat wurde
Als ich im Sommer des Jahres 2006 in Berlin eintraf, strahlte die Stadt noch vor nachweltmeisterschaftlicher Euphorie. Sonnenlicht reflektierte auf den pastellfarbenen Fassaden entlang der Schönhauser Allee und improvisierte Bars schenkten auf überwachsenen, leerstehenden Flächen Bier in Halblitergläsern aus.
Nachdem ich in einer Jugendherberge eingecheckt hatte, dachte ich bei mir: Das ist es jetzt also. Ich bin hier! Erst dann überwältigte mich die furchteinflößende Erkenntnis, dass mein Plan, wenn man ihn so nennen konnte, nicht weiter reichte als bis „nach Berlin ziehen“. Jetzt, wo ich hier war, hatte ich keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ich hatte mich von einem bequemen Leben im Vorstadthaus meiner Eltern in eine 16,000 Kilometer entfernte europäische Stadt verpflanzt. Ich hatte in meinem Leben noch keine richtige Mahlzeit gekocht, geschweige denn eine Toilette geputzt.
Ich hatte nicht vor, in Berlin hängen zu bleiben. Während ich wenige Stunden vor Abflug nervös mein Leben in einen Rucksack stopfte, erklärte ich meiner Schwester, dass ich nur ein Jahr weg wäre, oder vielleicht sogar nur sechs Monate. Ja, sechs Monate, mal sehen, wie es läuft. Meine Schwester, die gerade von einem dreijährigen Aufenthalt in Tokio zurückgekehrt war, wusste es besser. „Ich glaube, es wird dir gefallen, ich glaube, du wirst nie zurückkommen“, zog sie mich auf.
Eine andere Welt
Ohne mir dessen bewusst zu sein, wurden die Grundlagen meiner Expat-Existenz bereits im Jahr 1999 gelegt. Als pickeliger Teenager nahm ich an einem sechswöchigen Schüleraustausch in einem kleinen Dorf im Ruhrgebiet teil. Ich war zum ersten Mal ohne meine Familie unterwegs, und zum ersten Mal im Ausland (von Neuseeland mal abgesehen). Ich erlebte auch zum ersten Mal Temperaturen unter null Grad, sah Schnee vom Himmel fallen und trank Bier in einer Kneipe. Die Schule fing vor Sonnenaufgang an, die Schüler trugen Daunenjacken und Kappa-Hosen, die Pause war im Prinzip eine Raucherpause und alle gingen mittags nach Hause. Es war eine wahrhaft andere Welt.Auch wenn ich es nach meinem Austausch nicht gerade eilig hatte, meine Zelte abzubrechen und nach Deutschland zu ziehen, hatten der ganze Schweinebraten, die vielen verschiedenen Jogurt-Geschmacksrichtungen und der auch Minderjährigen erlaubte Alkoholkonsum doch eindeutig einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Brianna Summers im Mauerpark zu Beginn ihres Berliner Expat-Lebens. | © Brianna Summers Als ich mein Studium der Medienkommunikation abschloss, hatte ich mich insgesamt sieben Jahre lang mit der deutschen Sprache abgeplagt. Ich hatte keine Ahnung, was ich beruflich machen wollte, und dachte, es wäre eine gute Idee, endlich mein mühsam erworbenes Fremdsprachenvokabular zum Einsatz zu bringen.
Eine andauernde Liebe
Zweiundzwanzig und völlig unbedarft, beschloss ich, nach Berlin zu ziehen. Warum Berlin? Meine ausgefeilte Begründung lautete in etwa: Ähh ich weiß auch nicht, ist die Hauptstadt, passt schon. Davor hatte ich nur einmal vier Tage in Berlin verbracht, und zwar damit, von Café zu Café zu hasten, um meine Zehen und Finger aufzutauen, während ich mich Unter Den Linden entlang zum Brandenburger Tor vorarbeitete. Ich hatte noch nie von Berghain gehört, hielt elektronische Musik für Schrott und hatte nicht die geringste Ahnung von der lebendigen alternativen Kunstszene, die nach der Wiedervereinigung entstanden war.Als ich also mit nichts als vier Emailadressen, einem relativ nutzlosen Studienabschluss, keiner professionellen Arbeitserfahrung und zweifelhaftem Deutsch bewaffnet in Berlin ankam, schaffte ich es irgendwie trotzdem, mich durchzuschlagen. Ich verliebte mich in die Stadt - es ist eine dauerhafte Liebe draus geworden.