Bicultural Urbanite Luke
Zwei Zuhause sind besser als eines: Expat-Weihnachten in Berlin
![Da kommt Weihnachtsstimmung auf. Da kommt Weihnachtsstimmung auf.](/resources/files/png43/teaser_getting-into-the-xmas-spirit-formatkey-png-w491.png)
Einer der größten Nachteile des Daseins als australischer Expat in Berlin ist die gigantische Distanz zu seinen Lieben – und die noch gigantischeren Preise für Flüge nachhause um sie zu sehen.
Und dann ist da noch der Flug selbst. An dieser Stelle sei lediglich festgehalten, dass ich für Jetsetter nichts als Bewunderung übrig habe, die den mörderischen Transit Berlin-Melbourne ohne den willkommenen Beistand eines leckeren Sedativums und eines Glases Wein (oder auch drei) überstehen. Und auch wenn dies vermutlich den Inbegriff eines Erste-Welt-Problems darstellt, vermag dieses Wissen das deliriumartige Gefühl nur wenig abzuschwächen, das irgendwo auf der letzten Teilstrecke dieser Reise von einem Besitz ergreift, wenn der Kopf angesichts der Durchquerung einer grauenerregenden Anzahl von Zeitzonen gleichzeitig zu implodieren und zu explodieren scheint, die Füße zu schmerzempfindlichen Fleischballons angeschwollen sind und das rotznasige, schreiende Kind hinter einem die brandneue Sportart erfunden und gemeistert hat, zwanzig Stunden lang ohne Unterlass zu den unmöglichsten Zeiten gegen die Rücklehne deines Sitzes zu treten.
Ich beim Versuch, mich geistig auf die Strecke Berlin-Melbourne einzustimmen.
| © Isabelle Beyer
Dies erklärt höchstwahrscheinlich den Anflug von Neid, den ich verspüre, wann immer meine europäischen Freunde mir erzählen, dass sie mal eben für einen Kurzbesuch nach Hause fahren. Und jedes Jahr, wenn der Dezember wieder ins Haus steht und der Kurzbesuch in Italien oder England oder Frankreich oder Schweden so locker und selbstverständlich stattfindet wie immer, wird dieser Anflug zu einer anhaltenden Qual. Die Flugpreise nach Melbourne sind ohnehin gigantisch, aber es gibt einen deutlich weniger poetischen Ausdruck für die Art von räuberischer Erpressung, der die Fluglinien um die Weihnachtszeit frönen. Und so kommt es, dass ich – sehr zum Entsetzen meiner Mutter – in den letzten sieben Jahren meines Expat-Lebens die stattliche Anzahl von genau einem Weihnachten in Australien verbracht habe.
Das verlorene Privileg uralter Familienverpflichtungen
Nun erzählen wir ja alle gerne lang und breit davon, was für eine enorme Unbill es ist, tagelang mit den Verwandten dicht auf dicht herumzuhocken, Großvögel weichzukochen und dem Sherry übermäßig zuzusprechen, bis jemand aus Versehen die wunden Punkte eines anderen dann doch etwas zu gezielt berührt. Aber wenn man das Privileg erst einmal verloren hat, dieses uralte Ritual familiärer Verpflichtungen zu durchleiden, fängt man doch tatsächlich an, sich nach dem geschwisterlichen Gezanke und dem peinlichen, beschwipsten Wiederaufwärmen verflossener Dramen zu sehnen – sogar nach Muttis nicht enden wollenden Geschichten über den Sohn eines Freundes eines Nachbarn, den man nie auch nur gesehen hat (und was immer gleich noch mit seinem Hund war). Kurz gesagt, man lernt zu schätzen, wie sehr es einen doch erdet, mit seiner Sippschaft zusammenzukommen und sich mit ihr zu zanken und das Brot zu brechen, während sich das Jahr dem Ende zuneigt.![Für kurze Zeit wird Berlin über Weihnachten zu einer menschenleeren Winterlandschaft. Für kurze Zeit wird Berlin über Weihnachten zu einer menschenleeren Winterlandschaft.](/resources/files/png43/berlin-very-briefly-becomes-a-deserted-winter-wonderland-over-christmas-2_-formatkey-png-default.png)
![Expat-Festmahl – nur ein ganz kleines bisschen angebrannt. Expat-Festmahl – nur ein ganz kleines bisschen angebrannt.](/resources/files/png43/an-expat-xmas-feast-only-a-little-burned_-formatkey-png-default.png)