Bicultural Urbanite Luke
Forever Young
![Berlin Peter Pan Aspiranten, circa 2013. Berlin Peter Pan Aspiranten, circa 2013.](/resources/files/jpg732/berlin-peter-panners-in-the-making-crica-2013_intro-formatkey-jpg-w491.jpg)
In der erfundenen Welt des ‚Peter Pan‘ ist Nimmerland ein Fantasieort, an dem Kinder nie erwachsen werden müssen. In der realen Welt heißt dieser Ort Berlin. Könnte man zumindest meinen.
Fragen Sie einfach die Horden an ausgewachsenen Männern und Frauen – häufig Ende 20, 30, 40 und darüber hinaus –, die jeden Sonntagabend am Berghain Schlange stehen, dem weltberühmten Technoclub und Hedonisten-Spielplatz. In der deutschen Hauptstadt ist das Berghain nur einer von vielen dekadenten Clubs, in denen jeder, dem danach ist, rund um die Uhr ohne Unterbrechung dem Sinnestaumel frönen kann; surreale Weltflucht-Nischen, in denen heiße Bässe pulsieren und ein sanft beleuchtetes Meer glänzender Haut sich bis weit in die Bürozeiten des Montagmorgens hinein erstreckt.
Peter-Pan-Syndrom
Natürlich sind nicht alle älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Partys ausgemachte ‚Peter Pans‘. Viele sind engagierte Freiberufler und Künstler mit flexiblen Arbeitszeiten und einem ‚Work hard, play hard‘-Schlachtplan. Gar nicht wenige von ihnen arbeiten sogar Vollzeit und gönnen sich noch einen freizügigen Tanz im Dunkeln, bevor sie am Montagmorgen wieder der Monotonie des grauen Alltags ins Auge sehen müssen. Aber alle eint ein unterschwelliger Wesenszug des populärpsychologischen ‚Peter-Pan-Syndroms‘: eine beharrliche Weigerung, die sorgenfreie Unschuld der Jugend vollends aufzugeben. Ein Bedürfnis danach, dass das Leben auch weiterhin Spaß macht.![Auf dem Fusion Festival, etwa 2013. Auf dem Fusion Festival, etwa 2013.](/resources/files/jpg732/exploring-fusion-festival-circa-2013_text-formatkey-jpg-default.jpg)
Was die Frage aufwirft: Liegt das daran, dass Berlin Peter Pan-Persönlichkeiten anzieht, oder ist irgendwas im Berliner Trinkwasser, das die Menschen hier dieses sogenannte Syndrom entwickeln lässt? Insbesondere wenn es ans Feiern geht, ist das sicher auch eine Frage der Möglichkeiten. In meiner Heimatstadt Melbourne – und im Prinzip jeder anderen normalen Stadt der Welt – hätte man einfach nicht die Option, diesen Eskapaden endlos weiter zu frönen. Zu irgendeiner respektablen Zeit ginge die Party zu Ende und man würde nachhause geschickt, um die davongetragenen Schäden im harschen Licht des Badezimmerspiegels zu begutachten. Aber in Berlin ist es oft nur die eigene Selbstbeherrschung, die zwischen einem selbst und dem nächsten epischen Besäufnis steht.
Das deutsche Nimmerland
Natürlich geht die Idee, der eigenen Jugend nachzujagen, weit über die Grenzen des Clubs hinaus. Sich bis weit ins Erwachsenenalter hinein auch weiterhin auszutoben mag das offenkundigste Merkmal des modernen Peter Pan sein, aber es ist nur eine Verhaltensweise aus einem ganzen Spektrum, das zahlreiche Elemente des Lebens im deutschen Nimmerland durchdringt. Und während der gewohnt paternalistische Dr. Google diejenigen, die an diesem Syndrom ‚leiden‘, in ausschließlich abwertenden Farben malt, bin ich nicht davon überzeugt, dass ihr Verhalten nur krankhaft ist.![Das Nimmerland der Kindheit in Melbourne. Das Nimmerland der Kindheit in Melbourne.](/resources/files/jpg732/early-peter-pan-days-back-in-melbourne_text-formatkey-jpg-default.jpg)