Bicultural Urbanite Brianna
Cineastischer Ausflug auf die Antipoden
Jedes Jahr im September präsentiert eine Gruppe hart arbeitender Freiwilliger australische und neuseeländische Filme, die es sonst wohl kaum über das weite Meer bis nach Deutschland geschafft hätten. Das ‚Down Under Berlin‘-Filmfestival zelebriert dann für fünf Tage antipodische Kreativität, Geschichten und Stimmen. Für Expats ist es ein kleines Stück Heimat – und für alle anderen eine erhellende Einführung in die Wunder von Down Under.
Das Filmfestival wurde 2011 von Frances Hill gegründet, einer erklärten Kinoliebhaberin, die früher in Sydney lebte. Zufällig befand sich ihre erste Berliner WG quasi direkt neben dem Moviemento, dem ältesten noch in Betrieb befindlichen Kino Deutschlands. Frances wurde Stammkundin und begann schließlich, an der Kinokasse und in der Vorführkabine zu arbeiten. Als sie auf die Idee kam, ein Filmfestival für Filme aus Australien und Neuseeland zu gründen, fiel die Wahl des Veranstaltungsortes daher nicht schwer. Das Moviemento war mit von der Partie, und in seinem ersten Jahr begrüßte das frisch gebackene Festival in nur drei Tagen 500 Besucher.
Das Moviemento-Kino in Kreuzberg, das älteste noch in Betrieb befindliche Kino Deutschlands.
| © Rose Condon
VON JODELNDEN LESBEN UND HÜHNERZÜCHTERN
Meine eigene Einführung in das Festival bestand aus einem Dokumentarfilm über die Topp Twins, die die neuseeländische Filmkommission als „Neuseelands beliebteste lesbische, tanzende und jodelnde Comedy- und Countrymusik-Zwillingsschwestern“ beschreibt. Zwei Jahre später sah ich einen weiteren faszinierenden Dokumentarfilm, diesmal über eine Gruppe von Milchbauern, die in einem semiprofessionellen Rugbyteam spielen. In Schwarz-Weiß gefilmt, ergründete er die Herausforderungen des Farmer- und Vater-Daseins, Männerfreundschaften und die Kunst des Auf-Ex-Trinkens von Bier. Seitdem habe ich Filme zu so gut wie jedem Thema gesehen, von Hühnerzüchtern über gescheiterte Ehen und Vorstadt-Faulpelze bis hin zu animierten Rentieren.Das mittlerweile acht Jahre alte Festival ist um einiges größer geworden, hat sich jedoch seinen eklektischen Charakter bewahrt. Der gemeinnützige Verein Down Under e.V. wird heute von drei Vorstandsmitgliedern geleitet: Sabrina Wittmann, Charmaine Gorman und Auste Serapinaite. Sie sind ausnahmslos Freiwillige, die die Leidenschaft antreibt, neue und unbekannte Filme von den Antipoden nach Berlin zu bringen.
EIN EINGESPIELTES TEAM
„Ich habe Regie studiert und einen Film gemacht“, erklärt Auste, die aus Litauen stammt. „Dann zog ich hierher und hatte kaum Kontakte, da kam die Mitarbeit beim Festival genau richtig.“ Sabrina hat Sozialwissenschaften studiert: „Ich wollte irgendwas mit Film oder Theater machen, aber dann hat mich die Realität eingeholt.” Nichtsdestotrotz fing sie 2014 als Freiwillige beim Festival an und ist mittlerweile Vollzeit im Vorstand. „Wenn ich bezahlt werden würde, wäre es mein Traumjob.“ Charmaine ist Schauspielerin (ihre erste Rolle hatte sie im zarten Alter von sechs Jahren in der australischen Serie Neighbours), daneben betreiben sie und ihr Mann einen Online-Reiseführer namens My Guide Berlin.Die drei sind ein eingespieltes Team. „Wir arbeiten mit Slack und sind damit im Prinzip den ganzen Tag online“, erklärt Auste. „Es fühlt sich an, als sei ich rund um die Uhr mit den beiden zusammen“, fügt Charmaine hinzu. Zusammen nehmen sie die jährlich wiederkehrende Herausforderung in Angriff, finanzielle Unterstützung für das Festival aufzutreiben, das sich ausschließlich aus Sponsoren- und Spendengeldern finanziert. „Wir können mit nichts rechnen. Wir fangen im Prinzip jedes Jahr neu an“, erklärt Charmaine. Zum Glück macht die wachsende Reichweite von Down Under Berlin das Festival für Werber zunehmend attraktiver. Letztes Jahr bestand das Publikum aus 50 Prozent Deutschen, 20 Prozent Australiern und sieben Prozent Kiwis, der Rest war international. „Wir locken also nicht nur Australier an. Die deutsche Community ist sehr interessiert“, freut sich Sabrina.
Besucher können sich auf kostenlosen neuseeländischen Wein und typische Snacks wie Pasteten, Sausage Rolls, Feenbrot und Pavlova freuen. | © Rose Condon
BUNT GEMISCHT
Für die Festivalorganisatorinnen ist es Ehrensache, eine Mischung aus Spielfilmen, Kurzfilmen und Dokumentarfilmen mit einer großen Bandbreite an Themen zu kuratieren. Und wie sorgt man am besten für Vielfalt? Indem man sicherstellt, dass möglichst viel Material zur Auswahl steht. Für die Ausschreibung intensivierte das Team dieses Jahr seine Nutzung sozialer Medien und wurde mit 40 Prozent mehr Filmen überhäuft als noch 2017. „Wir haben ein Team von Leuten, die sich alle Filme ansehen, und dann setzen wir uns zusammen und überlegen uns ein Abstimmungssystem“, erklärt Charmaine. Für das Programm für 2018 resultierte dieses System übrigens auch in einer beeindruckenden 50/50-Aufteilung zwischen männlichen und weiblichen Filmemachern. Zu den Highlights gehören Terror Nullius, eine schillernde Rache-Story, die australische Nationalmythen zu demontieren sucht, und Hotel Coolgardie, ein schonungsloser Dokumentarfilm über zwei finnische Backpackerinnen, die als Bardamen eingestellt werden und sich als neueste Portion „Frischfleisch“ in der einzigen Kneipe einer entlegenen australischen Bergarbeiterstadt wiederfinden.Das Festival wird 2018 auch mehrere Filmemacher von den Antipoden vorstellen, die in Berlin leben – nicht überraschend, wenn man die hohe Anzahl australischer und neuseeländischer Kreativer bedenkt, die im Laufe des letzten Jahrzehnts hierhergezogen sind. Zwei Filmemacher reichten ihre Filme sogar ein, als sie noch in Down Under lebten, und sieh an, auch sie sind mittlerweile in die deutsche Hauptstadt übergesiedelt.
Also, Berlin, es wird wieder Zeit, deine Flipflops anzuziehen und ins Moviemento ‘rüberzuschlendern. Wer außer Crocodile Dundee noch keine australischen Filme kennt, wird angenehm überrascht werden.
Das ‚Down Under Berlin‘-Filmfestival findet von 19. bis 23. September 2018 statt.