Bicultural Urbanite Brianna
Zweisprachig Werden

Graffiti-Lektion
Kostenlose Graffiti-Lektion in deutscher Grammatik an einer Kirche in Neukölln. | © Ben Gook

Ich werde häufig gefragt, warum ich angefangen habe, Deutsch zu lernen. Meine Standardantwort ist: „Weil es leichter ist als Französisch und Chinesisch“. Ich habe beide in der High School zu lernen versucht und bin an beiden gescheitert. Deutsch war zwar auch ganz schön harte Arbeit, aber ich schaffte es mit der Zeit, mir einen Reim darauf zu machen. Ich vermute, dass mich seine inhärente Logik und die Befriedigung anzogen, die ich dabei empfand, den deutschen Code zu knacken. Auch wenn ich meine Karriere um meine Zweisprachigkeit herum aufgebaut habe, gibt es in meinem Alltagsleben in Berlin trotzdem noch genug Gelegenheit für sprachliche Verwirrungen.

Französisch und Chinesisch waren in meinen ersten zwei Highschool-Jahren verpflichtend. Während ich im Französischen durchaus Fortschritte machte, hatte ich Mühe, die Kluft zwischen dem Aussehen und der Aussprache der Wörter zu überwinden. Ich bekam die ganzen aalglatten stummen Buchstaben einfach nicht in den Griff. Chinesisch dagegen war schlicht verlorene Liebesmüh. Klar, mit Kalligraphie-Pinseln chinesische Schriftzeichen kopieren machte Spaß, aber wenn die Lehrerin auch nur den geringsten Versuch machte, irgendeine grammatikalische Facette zu erklären oder uns Vokabular beizubringen, wurde es den Klassenclowns und Störenfrieden schnell langweilig und sie fingen an, sich aufzuführen. Wir verschlissen drei Chinesischlehrer in zwei Jahren.

Trotz meines Mangels an echten Fortschritten in beiden Sprachen stürzte ich mich in der 9. Klasse auf die Chance, mit Deutsch anzufangen. Ich weiß bis heute nicht, wieso. Vielleicht war mir Deutsch einfach sympathischer als die anderen Wahlfächer, die angeboten wurden. Auf jeden Fall stellte es sich letztlich als exzellente Entscheidung heraus, da ich damit unbeabsichtigter Weise die Sprache lernte, die mich später in die Lage versetzen sollte, Europas ‚Capital of Cool‘ in voller Breite zu erleben. Deutsch war logisch. Ich mochte die klaren und einfachen Ausspracheregeln nach dem Motto „What you see is what you get“. Die gemeinsamen linguistischen Wurzeln des Deutschen und Englischen bedeuteten zudem, dass viele Wörter nur einen Katzensprung von meinem muttersprachlichen Vokabular entfernt waren. Deutsch schien mir handfester, mit Wörtern, die auf eine Reihe strikt definierter Arten aneinandergefügt werden konnten. Es war einfacher, Brücken (oder auch Eselsbrücken) zwischen englischen und deutschen Wörtern zu bauen.

Sieben Jahre Der, Die, Das

Ich verbrachte in meiner Highschool- und Unizeit sieben Jahre damit, Deutsch zu lernen, aber als ich nach Berlin zog, hatte ich nach wie vor das Gefühl, als sieche mein gesprochenes Deutsch im Kindergarten vor sich hin. Ich hatte mich bis dahin irgendwie durchlaviert, indem ich mich auf meine guten Lese- und Schreibfähigkeiten verließ. Ich verstand so gut wie alles, was meine Deutschlehrer zu mir sagten, pflegte aber in eher kurzen Sätzen zu antworten. Meine Klassenkameraden und ich überlebten unsere mündliche Abiturprüfung dank einer Notfallredewendung, die uns unsere Deutschlehrerin hervorzuzaubern beibrachte, wenn wir nicht weiterwussten: „Ich habe nie daran gedacht.“ Ich bin sicher, dass die Prüfer uns diesen Satz mehr als einmal papageienhaft aufsagen hörten, während wir einer nach dem anderen im Prüfungsraum eintrudelten, um unsere sorgfältig einstudierten Drehbücher abzuspulen.

Hausparty Hausparty mit Unifreunden aus meiner Deutschklasse, circa 2003. | © Brianna Summers Nach meinem Umzug nach Berlin sprach ich täglich Deutsch – tagsüber in der Arbeit und abends mit meinen Mitbewohnern. Es dauerte nur drei Monate, bevor es irgendwo Klick machte. Statt alles im Kopf zu übersetzen, bevor ich den Mund aufmachte, fing ich einfach an, mich in der seltsamen Sprache meiner Wahlheimat auszudrücken. Ich erinnere mich, dass ich von den Überstunden völlig erschöpft war, die mein Gehirn machte, um verlorenes Vokabular aus den Tiefen meines Gedächtnisses auszubaggern und neue linguistische Signifikanten mit Objekten, Gefühlen und Konzepten zu verbinden.

Verwechslungen Und Fehlinterpretationen

Es gibt zahlreiche Wörter und Redewendungen, die ich nach wie vor seltsam finde, und ich verstricke mich auch weiterhin von Zeit zu Zeit in linguistische Missverständnisse. Ich finde es beunruhigend, dass ‚böse‘ (‚evil‘) im Deutschen auch ‚wütend‘ (‚angry‘) bedeuten kann. Wenn ich jemandem versichern will, dass ich nicht wütend bin, fühle ich mich daher unweigerlich, als würde ich sagen „Ich bin kein böser Mensch“, was für meine Ohren einfach lachhaft klingt. Als ich zum ersten Mal den Satz „Ich gebe dir Bescheid“ hörte, arbeitete ich in einem Buchladen. „Was zum Teufel ist ein Bescheid?“ dachte ich bei mir, „Und warum will mein Vorgesetzter mir einen geben?“ Als eine Freundin sich in einer SMS mit „Ich melde mich“ verabschiedete, dachte ich, sie habe vor, sich für irgendetwas zu registrieren. Ich kannte das Verb sich anmelden, hatte aber nie von sich melden gehört.

Und natürlich gehen die Missverständnisse in beide Richtungen. Vor vielen Jahren saß ich in der Küche und unterhielt mich mit meinem Mitbewohner, als der plötzlich ganz ernst wurde. Er wollte das Problem besprechen, das Haare den Duschabfluss verstopften. Ich muss missverstanden haben, was er auf Deutsch sagte, denn er wechselte schließlich ins Englische: „Do you find it disturbing?“ („Findest du das beunruhigend?“) Sehr zu seinem Unmut brach ich in schallendes Gelächter aus. Für mich klang es, als fragte er mich, ob ich den mit Haaren verstopften Abfluss irgendwie bestürzend oder unheimlich fände. Natürlich wollte er nur wissen, ob es mich störte, letztlich im Hinblick darauf, mich zu bitten, nach dem Duschen das Abflusssieb zu reinigen.

WG Küche Die Küche meiner alten WG im Prenzlauer Berg. | © Brianna Summers Ein anderer unvergesslicher Moment der Fehlkommunikation entstand dank des Verbs mögen. Mein damaliger Freund und ich waren bei seinen Eltern zum Abendessen eingeladen und seine Mutter hatte eine Lasagne gemacht, die unfassbar lecker aussah. Als wir uns gerade zum Essen hinsetzten, eilte sie zu mir hinüber und fragte: “Magst du Pierogi?”, worauf ich antwortete „Ähh… ja.” Ich war leicht verdutzt, warum sie gerade diesen Moment ausgewählt hatte, um mich zu fragen, ob ich Pierogi mochte oder nicht, aber klar doch, wer mag keine polnischen Klöße? Sie rannte in die Küche, ich hörte die Mikrowelle bimmeln, und als sie wieder zu uns an den Tisch kam, hatte sie einen Teller Pierogi dabei. Es kam mir ungewöhnlich vor, dass es nun zusätzlich zu der riesigen, frisch gebackenen Lasagne, die vor unseren Nasen vor sich hin dampfte, eine Kloßbeilage gab, aber zu diesem Zeitpunkt war ich daran gewöhnt, über seltsame Gewohnheiten nur die Achseln zu zucken, und dachte nicht weiter darüber nach. Erst als ich sah, wie mein Freund widerwillig Klöße auf seinen bereits übergehenden Teller häufte, wurde mir klar, was seine Mutter mich in Wirklichkeit gefragt hatte. „Hättest du gerne Pierogi?“ Mist.

Ganz klar, eine Fremdsprache zu sprechen ist immer work in progress.