SKIN
Ein intimes Tanzduett baut Barrieren ab
Die beiden in Berlin lebenden Performer Renae Shadler und Roland Walter haben sich für zwei einzigartige Shows an gegenüberliegenden Enden Australiens zusammengetan. Ihr noch unvollendetes Stück mit dem Titel SKIN möchte beim Publikum Kapazitäten für Intimität, Umweltsensibilität und Inklusivität aufbauen.
Von André Leslie
Auf einer schwach erleuchteten Bühne hebt eine Frau einen schmächtigen Mann unter den Armen hoch und trägt ihn quer durch den Raum, wobei seine Füße leicht auf den Boden tappen. Der Mann ist Roland Walter, ein Berliner Performer mit spastischer Tetraplegie, die Frau Renae Shadler, eine erfahrene Tänzerin und Choreografin.
Willkommen zu SKIN – einem noch in Entwicklung befindlichen Stück, das die Poesie des menschlichen Körpers und die Beziehung zu den Flächen erkundet, über die wir uns hinwegbewegen. Inspiriert von Seeanemonen, Flüssigkeiten und der Haut der Erde, fordert es definitiv auch sein Publikum heraus, indem es Konventionen zum Thema Behinderung und Intimität durchbricht.
„Ich hatte schon länger die Idee, mit Haut zu arbeiten, habe aber nie jemanden gefunden, der zu dem Projekt passte“, erklärt Walter, der mit Hilfe eines Assistenten kommuniziert.
„Diese Performance gibt mir die Möglichkeit, den Leuten zu zeigen, wie man miteinander leben und was man alles erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet.“
Renae und Roland proben SKIN bei Lucy Guerin Inc in Melbourne
| © Beat Pix with Heart
PERFEKTE ERGÄNZUNG
Der in Magdeburg geborene Walter ist seit seiner Kindheit auf den Rollstuhl angewiesen, wovon er sich aber nicht von seiner vielseitigen Arbeit abhalten lässt. Er ist unter anderem als Model, Performer und Schriftsteller tätig und seit 2015 zudem offizieller Inklusionsbotschafter.Er traf Shadler erstmals am Rande des letztjährigen Performing Arts Festivals in Berlin, wo die in Melbourne aufgewachsene Tänzerin heute auch einen Wohnsitz hat. Walter sah eine ihrer Performances und schlug ihr direkt im Anschluss eine Zusammenarbeit vor.
„Ich habe viel mit Veränderungen gearbeitet und damit, wahrzunehmen, was uns umgibt, und wie sich der Körper auf verschiedene Situationen bezieht“, erklärt Shadler. „In letzter Zeit ging es dabei um die Erkundung des Themas Klimawandel.“
„Hier war es sehr interessant zu sehen, wie ich mich auf Rolands Bewegungen beziehen kann und er sich auf meine.“ Renae und Roland hoffen, daß SKIN bis zum nächsten Jahr eine fertige, 1-stündige Performance sein wird | © Beat Pix with Heart
FRISCHE EINDRÜCKE
Als Teil seiner Australienreise genoss Roland Walter die Aufregung einer Reise ans „andere Ende der Welt“, einschließlich eines Abstechers ins Northern Territory, um den Uluru zu sehen.„Mir hat die Natur dort sehr gut gefallen“, erzählt er. „Ich habe das Gefühl, es gibt noch ein Paradies auf der Erde.“
Der 56-Jährige berichtet, dass es im Vergleich zu Berlin relativ einfach war, sich in Melbourne mit dem Rollstuhl fortzubewegen, und dass er, wo immer er hinkam, mit offenen Armen begrüßt wurde.
„Ich habe das Gefühl, es gibt überall, wo ich hinkomme, eine Rampe“, sagt er. Roland Walter besucht Uluru in Zentralaustralien | © Roland Walter
NEUE IMPULSE
Während frühe Versionen von SKIN bereits vor ausgewähltem Publikum in Hamburg und Berlin aufgeführt wurden, hat das Stück in Australien neue Anregungen erhalten und ist nun fast doppelt so lang.Die Performances in Melbourne und im westaustralischen Bunbury – Shadlers Heimatstadt – sind zudem von Frage-und-Antwort-Runden gefolgt. So hat das Publikum die Gelegenheit, die Künstler kennenzulernen, während gleichzeitig die Diskussion über das Wechselspiel von Behinderung und Kunst gefördert wird.
„Roland bekommt immer nur Wasser, reicht aber nie jemandem welches“, erklärt Shadler. „An einer Stelle der Performance gießt er mir mit einer Trinkflasche Wasser in den Mund.“
„Wir spüren also diese Momente auf, in denen wir herausfinden, was möglich ist und was nicht.“
Laut Walter war das Feedback zu dem Stück bisher positiv, insbesondere wenn das Publikum sieht, wie viel Harmonie die beiden Performer trotz ihrer physischen Unterschiede mit ihren Körpern erzielen können.
„Das Publikum war bis jetzt stets sehr berührt von der Nähe zwischen Renae und mir“, sagt er.
Die australischen Performances von Roland Walter und Renae Shadler werden vom Goethe-Institut Australien unterstützt.