Das Goethe-Institut und Pong Film präsentierten die Kinshasa Collection im Haus der Kulturen der Welt.
Ist das noch eine Brille, was der Sänger auf dem Laufsteg im Haus der Kulturen auf der Nase trägt? Die Brille ist so eng mit nach Brillanten aussehenden Schmucksteinen besetzt, dass nicht ganz klar ist, ob die Gläser noch Licht hindurchlassen. Oder sind es nur glitzernde Stoffreste? Vom Sprechgesang bleiben Wortfetzen wie Yamamoto und Versace hängen. Der Musiker und Kulturmanager Wilfried Luzele aka LovaLova intoniert das Intro zur Kinshasa Collection. Wer schon mal in der kongolesischen Metropole Kinshasa war, zeigt sich auch nach Jahren noch vom modischen Geist, der dort weht, beeindruckt. Eine Stadt macht sich schick, die Menschen in den Straßen bilden einen demonstrativen Kontrast zu dem Schmutz der zentralafrikanischen Megalopolis.
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Ein Model bereitet sich auf ihren Auftritt auf der Modenschau vor, die von der südafrikanischen Berliner Modeaktivistin Goitseone Montsho organisiert wurde
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Das Umziehen muss schnell gehen
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Ein letzter Blick in den Spiegel vor der Show
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Die Models der Kinshasa Collection
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Auf dem Laufsteg
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Auf dem Laufsteg
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz for Goethe-Institut
„Voguing“-Tänzerinnen und –Tänzer. Voguing ist ein Tanzstil aus den queeren Nachtklubs Berlins
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Foto: Anne Schönharting / Ostkreuz für Goethe-Institut
Regisseurin Dorothee Wenner, Designer Cedrick Nzolo und Moderatorin Wendy Bashi
Die Berliner Filmemacherin Dorothee Wenner, die wiederholt einen filmischen Blick auf die Kontexte der Textilwirtschaft in der globalisierten Welt geworfen hat, hat mit Kinshasa Collection nun ein faszinierendes Projekt auf den Weg gebracht, in dem pure Entdeckerfreude, ironische Selbstreflexion und unmittelbare Modeherstellung auf wunderbare Weise zusammengeführt werden.
Es ist die Darstellungslust der Models, die am Freitagabend sofort den Funken überspringen lässt. Als ginge es darum, das Heidi-Klum-Klischee zu kontern, zeigte sich die Kinshasa Collection in einem furiosen Präsentationsfeuerwerk, das nicht zuletzt von den vorgeführten Kleidern ausging. Klare Schnitte, kühne Applikationen, grelle Farben und stilvolle Kombinationslust- die Designer zeigten ihre Kreationen in einem gekonnten Spagat zwischen provokantem Gestaltungswillen und der Lust an der Parodie. Laufsteg oder Theaterbühne - was ist da schon der Unterschied?
Die Mode aus Kinshasa entsteht nicht nach den Mustern der sich überall durchsetzenden Start-up-Phantasmagorien. Auf den Märkten der Stadt wird entworfen und geschneidert, die Kreativen an der Ecke sind vor allem auch findige Unternehmer ihrer selbst. Kinshasa ist einer der größten Umschlagplätze der Welt für plagiierte Mode, und seit der Kongo zum wichtigsten afrikanischen Handelspartner für China geworden ist, werden Textilwaren dort in großem Umfang von importiert. In der sechsteiligen Web-Serie des von der Bundeskulturstiftung geförderten Projekts kommt das alles auch vor, die Hauptrolle aber spielt das kongolesische Lebensprinzip des Kizobazoba, eine Art existenzielles Kombinieren, bei dem man sich von allem, was man vorfindet, das herausgreift, was man zu brauchen meint. Eine Bricolage der Überlebenskunst, die sich nicht auf die Suche nach dem richtigen Stil macht, sondern diesen eher beiläufig findet. Und so verwenden die Modemacher aus Kinshasa ungeniert die Logos der großen Internationalen Label - gern auch ein bisschen größer - nicht, um sie zu kopieren. Es geht vielmehr um Inkorporation und Verfremdung. Wenn es gut aussieht, ist es gleichgültig, welche Idee dem Ganzen einmal vorausgegangen sein mag. Kizobazoba kann aber auch als moderne Form des Wirtschaftens verstanden werden. Viele der jungen Designer bewegen sich als ambulante Boutiquen durch Kinshasa. Wenn einem Passanten gefällt, was er sieht, wird das benötigte Material per Handy in China bestellt und ein paar Tage später gefertigt. Die Unterscheidung zwischen Designerware und traditionellen afrikanischen Stoffen ist ohnehin eine Fiktion, denn was wir heute als typisch afrikanische Stoffe zu erkennen meinen, war ursprünglich ein Import aus Java.
Schon möglich, dass die spontane Begeisterung, die der Kinshasa-Collection im HKW am Freitag entgegenschlug, nicht zuletzt einem postkolonialen Blick entsprungen ist. Der aufgeklärte Europäer bastelt sich ein schmuckes Bild vom Kongo als Kreativmetropole, in der schöne Menschen es verstehen, das Beste aus sich zu machen. Tatsächlich aber sind es genau diese Fragen, die es im postkolonialen Diskurs, der sich bislang vor allem am rechtmäßigen oder illegitimen Erwerb von Museumsbeständen aufhält, zu stellen gilt. Mehr Kizobazoba also für das Humboldt-Forum. Die Web-Serie wird auf www.kinshasacollection.com bis zum 22. September fortgesetzt.
Dieser Artikel ist am 14. August 2017 in der Berliner Zeitung erschienen.