Gelingt es der Webserie „Kinshasa Collection“, ein anderes Bild Afrikas zu zeigen? Und was hat es mit der Liebe der Kinois für die Mode auf sich? Kulturjournalist Patrick Nzazi sucht nach Antworten
Ein ganz schönes Unterfangen, all die Filmemacher, Schneider, Stylisten, Designer, Models, Sapeurs und anderen Akteure ins Boot zu holen, um über die Modeszene zwischen Kinshasa, Guangzhou und Berlin zu erzählen – und dann auch noch unter der Vorgabe, „das Bild Afrikas in Deutschland zu modernisieren“. Ist es gelungen, dieses Bild neu zu definieren?
Hat „Kinshasa Collection“ eine Antwort geliefert? Zugegebenermaßen besteht die Problematik weiterhin, auch wenn die kongolesische Hauptstadt in diesem Fall dank der Mode eine gute Rolle spielen konnte. Kinshasa als Fashionmetropole darzustellen, mit dem besonderen Flair des „Sape“, der sich durch seine eigene Zurschaustellung und durch Performances darstellt – das hatte sich das Team aus Berlin vorgenommen. Konfrontiert mit Hindernissen und Einschränkungen vor allem finanzieller Natur eröffnen sich dem Team dennoch ungeahnte Möglichkeiten, gemeinsam mit der Modeszene Kinshasas etwas auf die Beine zu stellen. Am Ende entsteht aus „Kinshasa Collection“ mit bescheidenen Mitteln sogar ein richtiges Label.
Ein Netz an Filmen
Die Serie ist in Episoden aufgeteilt: „Der Pitch“, „Der Aufbruch“, „Der Deal“, „Die Investition“, „Die Pleite“ und „Das Label“. Das Ganze wird erweitert durch kongolesische Kurzfilme, zu denen „Mankin (Model)“ von Tshoper Kabambi, „Tosala: Neues Kino aus Kinshasa“ von Patrick Ken Kalala, „Théâtre urbain“ von Nelson Makengo und „Molato“ von Kadhaffi Mbuyamba zählen. Auch chinesische Beiträge gibt es mit „Letter from Xiaobei“ von Zimu Zhang und „River Sand“ von Yubin Xie. Unter anderem bekommt man eine ambulante Boutique zu sehen, die anstatt eines Geschäfts die Straße als Verkaufsfläche nutzt. Oder, in Großaufnahme, Louison Mbeya, der einige Stars im Kongo einkleidet … bis hin zu einem atmosphärischen Bild einer chinesischen Fabrik.
Dorothee Wenner tat gut daran, eine lokale Crew miteinzubeziehen. Tshoper Kabambi, verantwortlich für die Produktionsleitung in Kinshasa, war erfreut, für das Projekt angefragt worden zu sein.
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
Kinshasa Collection: Dreharbeiten in Kinshasa
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Goethe-Institut Kinshasa
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
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Foto: Catherine Trautes | Goethe-Institut
Während der ersten vier Folgen der Serie scheint es noch, dass das Filmteam dem Auftrag der deutschen Agentur und deren Kampagne „Africa On Eye-Level“ mühelos nachkommen könne. Aus China importierte Kleidung, die als typischer Kinshasa-Stil präsentiert wird, sorgt dann aber beinahe dafür, dass das ganze Projekt scheitert: Das Team wird beschuldigt, Werbung für Markenpiraterie zu machen. Somit droht das Projekt, ernsthaft ausgebremst zu werden. Die Idee einer eigenen Marke erweist sich schließlich als Glücksfall und Retter in der Not. In der letzten Episode „Das Label“ kommt schließlich die geballte kongolesische Schaffenskraft zum Tragen – den kongolesischen Modedesignern zu Ehren!
Warum diese Liebe für teure Kleidung?
Tatsächlich wird importierte Kleidung von kongolesischen Modeschöpfern nicht gern gesehen. Sie erschwert es ihnen, sich mit eigenen Marken auf dem Markt durchzusetzen. Das gilt für Kinshasa genauso wie anderswo. In einer Gesellschaft mit so geringem Einkommen wie im Kongo mutet es seltsam an, dass sich die Menschen (vor allem in Kinshasa) lieber in auffallende, importierte Designerkleidung hüllen, statt etwas „Made in DRC“ zu tragen (natürlich unter großen finanziellen Opfern). Liegt das am mangelnden Vertrauen gegenüber kongolesischen Mode-Designern oder gibt es noch andere Gründe?
Viele Fragen tun sich auf. Vom soziologischen Standpunkt aus lässt sich feststellen, dass die „Kinois“ um jeden Preis schick sein wollen, um so den Nimbus der Modehauptstadt zu verteidigen. Dafür nehmen sie auch einen knurrenden Magen in Kauf. Vielsagend der Slogan von Wilfried Luzele (besser bekannt als Lova Lova) im Titelstück der Serie: „Couvrons notre corps pour apparaitre un peu plus friqué“ („Bedecken wir unseren Körper, um etwas reicher auszusehen“). Begleitet wird das von Referenzen großer Marken wie Yohji Yamamoto, Louis Vuitton oder Issey Miyake. Diese Situation, die für kongolesische Modeschöpfer nicht gerade förderlich ist, führt dazu, dass sich viele von ihnen nach anderen Tätigkeiten umschauen, um über die Runden zu kommen.
Was lässt sich darüber hinaus über die Behauptungen gewisser Autoren sagen, die Mode sei „nicht mehr als ein kreativer Akt, tief verankert zwar im Herzen der Gesellschaft, aber keine Kunst“? Ist Mode nicht vor allem als Dialog zwischen den Modemachern und der Gesellschaft zu verstehen? Dieser Austausch, der auch von der Stylistin Lydie Okosa in der Webserie beschworen wird, wirkt sich auf die Beziehung zwischen Mode und den Mitgliedern einer Gesellschaft aus. Mode ist also die Kulturgeschichte eines Volkes. Der Schriftsteller Carlo Marco Belfanti konstatiert in einem seiner Texte, dass „sich mit der kulturellen Genealogie der Mode zu befassen bedeutet, sein Auftreten zu untersuchen, die eigene Industrialisierung nachzuvollziehen genauso wie die jüngere Evolution, all das, um die Konturen der eigenen Zukunft zu zeichnen.“ Dieser Aspekt stellt bereits einen Zukunftsentwurf für die heutige Gesellschaft dar.