Essay
Wolfgang Tillmans am Échangeur
Von Patrick Mudekereza
Von einer Ausstellung, die nacheinander in mehreren Museen zu sehen ist, sagt man, dass sie „gut läuft”. Von einem Museum, das mehrere Ausstellungen gleichzeitig auf die Beine stellt, sagt man, dass es „gut läuft“. Aus dem dynamischen Wechselspiel zwischen diesen „guten Läufern“ ergibt sich ein Parcours, in dem eine Etappe sich nachteilig auf andere auswirken kann, und in dem Pausen eingelegt werden, die den Rhythmus unterbrechen und das Verhältnis zwischen dem kulturellen Angebot der Institutionen und ihrem umliegenden Ökosystem hinterfragen. Es gibt Streckenabschnitte, die geradezu danach verlangen, dass man an- und innehält, um sich zu vergegenwärtigen, was um einen herum eigentlich vor sich geht. Lässt man sich auf diese Etappen ein, kann daraus ein Verständnis für die notwendigen Reformen von Kulturinstitutionen erwachsen, damit es auch weiterhin gut läuft, aber vor allem, um gemeinsam mit dem Publikum sicherzustellen, dass der Weg in die richtige Richtung weist.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist eine Ausstellung von Wolfgang Tillmans eine faszinierende Herausforderung für das Museum im Échangeur. Zum einen ist Tillmans eine wichtige Figur der Kunstwelt, was ihm Zugang zur Macht der Institution gewährt. Zum anderen verweist seine künstlerische Praxis auf eine gewisse Innerlichkeit und Alltäglichkeit, wodurch sie Vorstellungen musealer Hypes unterläuft, um auf den Einzelnen und das Konkrete zuzugehen: Darin zeigt sich die politische Dimension dieser Kunst. Schließlich wäre da noch der spezifische institutionelle Rahmen. Tillmans in Kinshasa: Was auf den ersten Blick wie eine ungewöhnliche, ja fast verwegene Konstellation anmutet, könnte sich als Ausgangspunkt für einen Anspruch erweisen, der unverhofft einer neuen Dynamik zum Durchbruch verhilft.
Sich an Orte begeben, an denen keine Wanderausstellung Station macht
Ungeachtet der Tatsache, dass sich die zeitgenössische Kunst weiter globalisiert, was auch deshalb begrüßt wird, weil dadurch Weltregionen ins Rampenlicht rücken, denen man bislang kaum Beachtung schenkte, bleibt der Parcours von Wanderausstellungen überwiegend auf Europa und Nordamerika beschränkt. Dazu kommen Abstecher nach China und das restliche Asien, bisweilen machen sie auch in Brasilien halt. Kurzum: Es handelt sich um Länder, die sich auf eine gewisse Museumskultur berufen können. 2007 war man stolz darauf, dass es die Ausstellung Africa Remix, Zeitgenössische Kunst eines Kontinents bis nach Südafrika in die Johannesburg Art Gallery schaffte. 2015 wurde die Ausstellung Rise and Fall of Apartheid, die zwei Jahre zuvor in München eröffnete, auch im südafrikanischen Museum Africa gezeigt. Meines Wissens nach sind das die beiden einzigen Mega-Ausstellungen, die auf ihre Reise um die Welt den afrikanischen Kontinent – genauer: Südafrika – mit einem Besuch beehrten. Dass beide Ausstellungen ausschließlich dem Thema Afrika gewidmet waren, mag dabei eine Rolle gespielt haben. Ein Kurator meinte mir gegenüber, das sei zunächst eine Frage der Versicherungsgebühren, die bei solchen Großveranstaltungen anfallen, da der Wert einzelner Werke sich auf ein Jahresbudget eines afrikanischen Museums belaufen kann. Außerdem gilt zu bedenken, dass afrikanische Museen derzeit andere Sorgen haben; viele kämpfen um ihr Überleben.Zugleich sind die großen afrikanischen Metropolen wie Lagos und Kinshasa wichtige Experimentierfelder für junge wie etablierte zeitgenössische Künstler geworden. Ob es sich um die umstrittenen Projekte eines Renzo Martens – die der französische Urbanist Tristan Guilloux zurecht zum Inbegriff eines „cynical turn“ erklärte – oder um Künstler aus Belgien, der Schweiz, Deutschland oder Frankreich handelt, die regelmäßig hier ausstellen: Der Kongo ist keineswegs ein randständiger Außenposten der Gegenwartskunst. Doch nur wenige Künstler setzen sich dabei den Reaktionen des Publikums aus, obwohl es doch gerade die Besucher sind, die das Ausstellungsformat als solches rechtfertigen. Die hitzige Diskussion mit dem irischen Künstler Richard Mosse, die auf dem Goma Filmfestival anlässlich seiner Foto- und Videoausstellung The Enclave ausbrach, ist nurmehr die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Und was würden die Leute in Kinshasa von der entstellenden Übersetzung des Liedes Soki lelo okeyi halten, das im Original von der 2016 verstorbenen kongolesischen Musiklegende Papa Wemba stammt und 2015 in Carsten Höllers Videoinstallation Fara Fara auf der Biennale von Venedig einen fragwürdigen Auftritt hatte?*
Der Kongo ist international gefragt, Kunst eine erfolgreiche Exportware, doch das heißt nicht, dass das Land im Umkehrschluss sonderlich viele Ausstellungen anzieht. Künstlerische Inhalte werden im Landesinneren gefördert und anschließend über die Grenzen verschifft, ganz ähnlich, wie es sich auch bei der Rohstoffgewinnung beobachten lässt. Nur muss die lokale Bevölkerung in diesem Fall ohne die importierten Fertigerzeugnisse auskommen, die den ästhetischen Binnenkonsum im Land ankurbeln könnten.**
Das Museum im Échangeur: Das unvollendete Außergewöhnliche
Cacoub war ein ehrgeiziger Baumeister, der sich auf Prestigeobjekte spezialisierte: den Sitz der Fondation Houphouët-Boigny pour la Recherche de la Paix, nicht zu vergessen die Präsidentenpaläste in Yaoundé und Yamoussoukro. Manche Projekte führten zu Kontroversen, andere wurden nie vollendet. Zur letzten Kategorie gehört auch der Turm des Échangeur, der bis heute unvollkommen dasteht und Staus verursacht, wo es eigentlich zügig vorangehen sollte. Der gemeinsam mit Mobutu ersonnene Plan für ein Museum zu Ehren der „zairischen Nation“, die im Échangeur in ihrer ganzen Glorie gefeiert werden sollte, wurde nicht verwirklicht. Mit dem Tod Cacoubs verschwanden seine Archive, was es umso schwieriger macht, die ursprüngliche Vision des Projekts zu rekonstruieren. Lediglich einige Unternehmer, die damals auf der Baustelle zugegen waren, können noch Auskunft über das ursprünglich angedachte Design geben. Mithilfe koreanischer Firmen konnte 2001 zumindest die Statue Patrice Lumumbas fertiggestellt werden. Um die verbleibenden Bauarbeiten zum Abschluss zu bringen, bräuchte es wohl massive chinesische Schützenhilfe. Als Kinshasa 2012 das Treffen frankophoner Länder ausrichtete, übergab die ägyptische Delegation den Gastgebern ein Projektionssystem, das die Vorführung eines Films über den Nil ermöglichte, neben dem Kongofluss, der nur einige Kilometer weit entfernt fließt, eine der großen Wasserläufe Afrikas. Der Film sollte die Verwandtschaft zwischen den beiden Gewässern herausstellen. Mit dem Erhalt des Projektionssystems und dem Erwerb einiger Gemälde aus den Beständen der Sammlung für moderne und zeitgenössische Kunst des Institut des Musées Nationaux du Congo ist der Turm in seine „museale“ Phase eingetreten. Partnerinstitutionen nutzen das Gebäude, veranstalten dort Ausstellungen, helfen wo nötig bei Malerarbeiten oder spenden Material.
Dem Échangeur war also ein zweites Leben beschieden, das mit seiner ursprünglichen Bestimmung wenig zu tun hatte. Inzwischen hat der Turm sogar den hochgeschossigen Einkaufszentren im Stadtzentrum die Show gestohlen. Für die Menschen in Kinshasa ist das Gebäude längst das inoffizielle Wahrzeichen dieser Metropole (das bisweilen sogar offizielle Logos ziert). Da niemand mehr weiß, was die Konstrukteure mit dem Turm vorhatten, konnte er zu einer Projektionsfläche für ganz unterschiedliche Ideen und Vorstellungen werden: eine Fabrik des Imaginären, eine Location für Science-Fiction-Romane, aber auch ein Ort, an dem die Folterknechte der politischen Polizei aller Länder ihr finsteres Werk verrichten. Darüber hinaus ist der Turm zu einem wichtigen Bezugspunkt für die rebellischen Bewohner des Stadtteils Limete geworden, die bei Demonstrationen andächtig dem aufsteigenden Rauch der brennenden Reifen nachsehen: Für sie ist der Pfeil eher ein Kamin, um den man sich versammelt. Im Grunde ist der Turm ein imaginärer Ort des Austauschs oder vielmehr ein Ort, der – einer verlassenen Festung gleich am Eingang der Stadt thronend – sich für den Austausch zwischen unterschiedlichen Vorstellungswelten geradezu anbietet.
In materieller Hinsicht mögen die Unzulänglichkeiten des Gebäudes und seine Unvollkommenheit augenscheinlich sein, aber in intellektueller Hinsicht ist es schon jetzt ein durchschlagender Erfolg. Wenn ein Kunstmuseum gut beraten ist, aus der Energie der Stadt zu schöpfen, die es umgibt, dann hat der Échangeur, jener größenwahnsinnige und dekadente Turm, der spindeldürr in der Landschaft herumlungert, jenes phallokratische und zugleich eunuchenhafte Gebäude, jener Trichter, in den der Stolz, die Scham und die Wut der Massen einfließen, alles richtig gemacht.
Das Werk von Wolfgang Tillmans: Das unerwartete Infra-Ordinäre
Wolfgang Tillmans zufolge bedarf ein Museum einer gewisser architektonischen Komplexität. Als er die Erweiterung der Tate Modern gegen Kritiker verteidigte, betonte er immer wieder die „außergewöhnliche Komplexität“ des Anbaus, den das Architekturbüro Herzog & de Meuron realisierte. „Hier konstruiert man nicht nur irgendeinen Klotz, hier arbeitet man an einer Idee“, so Tillmans. In einem anderen Interview warnte er hingegen vor „unredlichen“ architektonischen Herangehensweisen, die über die Bedürfnisse der Gebäudenutzer einfach „hinweggehen“. Architektur und Ausstellung können nur dann als gelungen bezeichnet werden, wenn ihre materielle Ausführung das Publikum ernstnimmt und den Besuchern offen und ehrlich in ihrer Eigenheit gegenübertritt.Tillmans’ Herangehensweise zielt stets darauf ab, sich diese Komplexität zu eigen zu machen. Seine eigene Arbeit beschreibt er als Prozess der „Verstärkung von Ideen, Dingen, Themen“, denen er sich verschreibt und mit denen er sich auseinandersetzt.
Doch Begriffe wie „Verstärkung“ und „Komplexität“ könnten schnell den falschen Eindruck hervorrufen, Tillmans sei auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen. Sein Ansatz hebt jedoch vielmehr das Banale hervor; Tillmans’ Aufmerksamkeit gilt dem, was auf den ersten Blick eher gewöhnlich erscheint. So ist auf seiner fotografischen Arbeit Sendeschluss/End of Broadcast 2014 das weiße Rauschen eines analogen Bildschirms, der kein Signal empfängt, zu sehen. Dennoch provoziert dieses auf einer Ebene zweifellos triviale Foto weitreichende Fragen: Was kennzeichnet das Verhältnis zwischen Bildern, Technologie und den Veränderungen, die beide für unseren Alltag mit sich bringen? Auch Tillmans’ Porträtfotos akzentuieren nicht so sehr Gesichtsausdrücke, sondern der „Begegnungen von Körpern“, die auf die Materialität, die tiefe Sinnlichkeit, aber auch die Verwundbarkeit unseres Leibs verweisen. Sieht man sich die Arbeit Lutz and Alex sitting in the trees an, entdeckt man zunächst halbnackte Körper, die, so könnte man meinen, fast eins mit den Bäumen geworden sind. Doch nach und nach treten die Muskeln der Porträtierten stärker hervor, ihre Grazie und ihre Festigkeit, ganz als ob das Fleisch den Regenmantel abstreifen wollte, um uns unmittelbar vor die Augen zu treten. Dieser Sinn für Materialität, der dem Betrachter fast das Gefühl von physischem Kontakt vermittelt, kommt auch in den Porträts von Anders zum Vorschein, einem Modell, mit dem Tillmans regelmäßig (zum Beispiel in Anders (Brighton Arcimboldo)) arbeitet. In Anders pulling splinter from his foot sitzt das Modell auf einem Hocker, ein Fuß ist auf dem Boden, das zweite Bein ist angewinkelt und ruht auf dem Oberschenkel des ersten. Die Nähe, die dieses Bild ausstrahlt, fühlt sich beinahe wie ein Eingriff in die Intimsphäre ein, wobei hier auf jede allzu offensichtliche erotische Spielerei verzichtet wird.
Diese Materialität in der fotografischen Abbildung der Körper resultiert aus einem Augenblick, den Tillmans wie kein zweiter festzuhalten weiß. Für den Künstler ist jede Arbeit gleichermaßen Liebesakt, Respektsbekundung und eine Umarmung, die eine Verbindung zwischen dem Fotografen und den von ihm Fotografierten herstellt.
In der Auswahl seiner Sujets, seiner Art, mit ihnen umzugehen und sie zu präsentieren, entspricht Tillmans Schaffen einer „Poetik des Infra-Ordinären“. Diese Bezeichnung prägte Elvira Dyangani Ose, um zu bestimmen, wie künstlerische Praxis gesellschaftliche Verhältnisse im öffentlichen Raum verändert. Sie bezieht sich damit auf afrikanische Kunstprojekte („Hug“ von Sello Pesa, Chimurenga Library und Bessengue City), die gänzlich andere öffentliche Räume als Tillmans üblicherweise bespielen. Aber auch Tillmans verfährt im Register jenes Infra-Ordinären, das Dyangani Ose den Schriften des französischen Schriftstellers Georges Perec entlehnt hat:
Tillmans’ truth study center (2005-2015) setzt diese Erkundungen des Infra-Ordinären fort. Kleinformatige Fotos sind dort auf Tischen arrangiert, daneben liegen Zeitungen, Briefe, Alltagsobjekte. Dieser Arbeit liegt ein Verständnis von Wahrheit (truth) zugrunde, das sich als komplexer als die Wirklichkeit der Nachrichtenmagazine, der Objektivitätsanspruch der Wissenschaft oder die Letztgültigkeitsbehauptungen religiöser Dogmen entpuppt. Dieser Wahrheitsbegriff hat nichts Absolutes und speist sich eher aus dem Erlebten als aus dem Erlernten.
Trotzdem bleibt bei dem Vorhaben einer Tillmans-Ausstellung in Kinshasa eine Ungewissheit. Das Unerwartete verschafft sich immer wieder Platz. Möglicherweise erschließt sich internationalen Geldgebern und Kulturschaffenden vor Ort nicht unbedingt, warum eine Ausstellung ausgerechnet durch ihr Insistieren auf persönliche Ausdrucksweisen und die Hervorhebung des Alltäglichen ein kongolesisches Publikum erreichen soll. Zumindest sichert die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Artikel 27 jedem Menschen das Recht zu, „sich der Künste zu erfreuen“. Die internationalen Interventionen in der Kunst lassen jedoch auf sich warten, obgleich nicht zu bestreiten ist, dass humanitäre Aktionen im Gesundheitssektor oder zum Schutze der Grundrechte natürlich auch kulturelle Belange berühren und sich in dieser Hinsicht Artikel 27 verpflichtet fühlen.
Tillmans am Échangeur: eine Plattform des Widerstands?
Das truth study center stellt zunächst eine denkbar einfache Frage: What’s wrong with redistribution? (Wo ist eigentlich das Problem mit der Umverteilung?) Diese Frage, die Einkommens- und Vermögensungleichheit ins Visier nimmt, ließe sich jenseits der Ökonomie ebenso auf die Sphäre der Macht oder des Wissens anwenden. Es geht um Unterschiede und darum, wie man sie überwinden kann. Schon deshalb sind Ausstellungsräume für Tillmans immer auch Plattformen des Widerstands.Sein Engagement für eine gerechtere Welt schlägt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Form der Ausstellung nieder. Tillmans kuratiert jede Ausstellung selbst und ist stets darauf bedacht, den „Duktus der Bedeutsamkeit“ zu vermeiden: gemeint ist ein Foto, das mehr und mehr Platz einnimmt, maximal sichtbar und auf jeder Ausstellung vertreten ist, weil ihm angeblich ein besonderem Wert zugeschrieben wird. Indem Tillmans fortwährend die Formate, Hängung und Zusammenstellung der Exponate variiert, hebelt er Darstellungs- und Präsentationshierarchien aus.
Der Turm des Échangeur ist eine Stein gewordene Machtdemonstration, eine Erinnerung daran, dass Kinshasa das unbestrittene Zentrum des Landes ist. Sind an einem solchen Ort gleichberechtige und offenherzige Begegnungen zwischen dem Künstler und einem Publikum möglich, das mit Fotoausstellungen nicht unbedingt vertraut ist? Wie lässt sich ein Austausch jenseits der Codes der zeitgenössischen Kunst und der Geschichte der Fotografie in die Wege leiten? Wie kann es gelingen, dass Besucher nicht nur eine deutsche Kunstausstellung im Kongo sehen, sondern an einer zutiefst menschlichen Erfahrung teilhaben? Welchen Blick muss man auf die Exponate werfen, um darin nicht nur einen triumphalistische Verherrlichung der Kunstwelt, sondern eine Immersion in das Alltägliche zu erkennen?
Auf diese Fragen habe ich keine abschließende Antwort, aber ich stelle mir vor, dass die Besucher diese Ausstellung mit dem Gefühl betrachten, bei sich zu sein und ihrem Alltag in verstärkter und sublimierter Form gegenüberzustehen. Ich hoffe, dass der Veranstaltungsort sich in Sachen Gastlichkeit an Between Bridges orientiert, einem Kunstraum im Eingang von Tillmans’ Studio in London, der anschließend auch nach Berlin umzog. Und sollte die Ausstellung einigen nicht afrikanisch genug und viel zu europäisch erscheinen oder diese oder jene Differenz überdeutlich hervorheben, wird umso mehr eine anthropologische Reflexion gefragt sein, die das eigene Selbst zum Untersuchungsgegenstand macht und nicht die anderen. Anstatt „exotische“ Expeditionen zu unternehmen, geht diese Anthropologie, noch einmal mit Perec gesprochen, resolut „endotisch“ vor.
* Das Lied, das auf Lingála gesungen wird, thematisiert eine Trennung. Doch in Venedig hörten die Besucher einen anderen Song: Plötzlich standen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Musikern aus Kinshasa im Mittelpunkt. So wurde aus „ko batela“ (behalten, bewahren) der „Battle“. Für eine vorsätzliche, bewusst vorgenommene Umdeutung gibt es keine Anzeichen.
** Der internationale Austausch, der stattfindet, läuft zumeist über unabhängige Initiativen oder Partnerinstitutionen im Ausland.
*** Georges Perec, „Annäherungen an was?“, in: Warum gibt es keine Zigaretten beim Gemüsehändler?,
Bremen 1991, S. 7–10, hier S. 8. Original in Georges Perec, « Approches de quoi », dans L’Infra-ordinaire, Seuil, Paris, 1989, S. 10-11.