In Memoriam
Gute Reise Dorine Mokha

Dorine Mokha im Rahmen des Projektes "Fluss im Bauch"
© Lucille de Witte

Der/die kongolesische Künstler*in Dorine Mokha starb am 8. Januar in Lubumbashi im Alter von 31 Jahren. Christ Mukenge und Lydia Schellhammer erinnern sich an ihre*n Kolleg*in und Freund*in...

Dorine Mokha war ein*e Reisende*r: Er/Sie bewegte sich von einem Land der Welt ins andere, aber auch zwischen den Geschlechtern. Die Herausforderung einer Reise besteht darin, sich nicht zu verlieren und trotz der Veränderungen, die jede Reise mit sich bringt, sich weiter zu spüren. Dorine hat es verstanden, schwierige Grenzen zu überwinden, Grenzen, die durch Gesellschaft, Kolonialgeschichte, Religion und Politik definiert sind. Er/Sie hat diese Grenzen überwunden, ohne sich zu verlieren und hat sich auf diese Weise den Respekt der kongolesischen und internationalen Künstlergemeinschaft erworben. Ein kongolesische*r Künstler*in, der/die auf internationaler Ebene arbeitet, gerät unweigerlich in einen Kampf. Es ist der Kampf sich von dem Wirkungsfeld, das mit seiner/ihrer geografischen Herkunft verknüpft ist, zu lösen: der Kampf um ein Visum, der Kampf gegen den inneren Drang in ein Land zu fliehen, welches vielleicht weniger gefährlich ist als der Kongo… Und dann der Kampf, der nach der Rückkehr in den Kongo (wieder) losbricht: die Konfrontation mit den Phantasievorstellungen der Kongolesen über diese vielgerühmte Reise, die sie selber nie machen werden. Die Eifersucht, das Unverständnis, die Erwartungen gegenüber dem/der Reisenden, der/die sie ein wenig an diesem „Honig“ teilhaben lässt, den er/sie womöglich anderswo schon einmal gekostet hat. Es geht hier nicht um einen individuellen Kampf. Es muss ihm kollektiv begegnet werden.

„Können afrikanische Künstler überhaupt nicht-politische Werke schaffen?“ Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Artikels, den die Akademie Schloss Solitude 2015 im Rahmen der Künstlerresidenz von Dorine Mokha auf Schloss Solitude veröffentlichte. Mit genau der derselben Fragestellung haben wir unsere künstlerische Residenz am selben Ort begonnen, fünf Jahre nach Dorine. Und wir haben schon davon geträumt, dass wir hier über Malerei, Technik, Linien, Formen sprechen könnten, so wie es andere Maler auch tun. Statt immer und immer wieder über den Kampf zu sprechen. Aber der Tod unseres/r Kolleg*in und Freund*in Dorine, der bei entsprechender medizinischer Behandlung vermutlich hätte vermieden werden können, hat uns wieder einmal klar gemacht, dass „in diesem Fall die existenziellen Notsituationen immer noch erdrückend sind und den Körper, wie auch den Geist buchstäblich erschüttern", wie Sinzo Aanza es sagte, und dass Kunst um der Kunst willen, eine gewisse Langeweile, typisch für die Verbürgerlichung, mit sich bringt und die in einem Kontext wie dem des Kongos nur schwer zu entwickeln ist.




Dorine Mokha ist im Alter von 31 Jahren am 8. Januar in Lubumbashi gestorben. Unser herzliches Mitgefühl gilt seiner/ihrer Familie, den Freunden und Angehörigen sowie der gesamten Künstlergemeinschaft. In einem der letzten Projekte Letter from Lubumbashi, einem Dokumentarfilm des Studios Kabako, schrieb Dorine: „Und wenn Sie diesen Brief erhalten, bedeutet das, dass ich überlebt habe…und meine Träume auch."

"Voyageur", Collage, Mukenge/Schellhammer 2021

Kunst und Tod sind Weltraumkapseln, die noch weiter reichen können als die Rakete. Sie lösen sich von ihr, um zu einem anderen Planeten, einer anderen Sphäre zu zu gelangen. Eine Sphäre des Seins, des Denkens, der Wahrnehmung der Welt und der Art und Weise, wie wir uns selbst betrachten. Wir haben gemeinsame Fantasien und Wünsche, dass sich die Dinge ändern, die Welt ändert und wir selbst uns ändern. Und oft werden diese Wunschvorstellungen an einen anderen Ort projiziert, einen weit entfernten Ort, ein fernes Land, ein fernes Paradies. Wir wollen hoffen, dass Du, Dorine, diesen Ort gefunden hast, endlich. Uns bleiben Deine Träume.

Wir möchten diese Hommage an den/die außergewöhnliche*n Künstler*in Dorine Mokha mit einem Ratschlag schließen, den er/sie seinem/ihrem Publikum gab.

Als Aktivist*in in der kongolesischen Homosexuellen-Bewegung, engagierte sich Dorine Mokha für die Anerkennung und Gleichberechtigung der LGBTQI*-Szene. Nach einem homophoben Angriff in seiner/ihrer Heimatstadt Lubumbashi im Jahr 2020 richtete er/sie sich in einem Video an seine/ihre Mitstreiter und übermittelte die folgende Botschaft:

„Passen Sie auf sich und Ihre Lieben auf. Sorgen Sie für eine Umgebung, in der sie ganz sie selbst sein können, ein Umfeld, in dem sie zumindest auf Sie zugehen und Ihnen sagen können, wer sie sind."

Gute Reise Dorine!

Von Mukenge/Schellhammer



 

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