A Digital City?
Kinshasa 2050
Ein interdisziplinäres Festival in der Hauptstadt des Kongo lud Künstlerinnen und Künstler ein, sich mit der digitalen Zukunft von Kinshasa zu beschäftigen. Nadine Siegert war als Kuratorin der Ausstellung „Kinshasa 2050“ dabei.
Achille Mbembe sagt, dass die Welt nach Afrika schauen muss, um die Zukunft zu erblicken. Doch wie sieht diese Zukunft aus? Ist es eine utopische Zukunft, in der die digitale Revolution dazu führt, dass die Menschen einfacher und besser miteinander kommunizieren? Welche Rolle spielen die Kulturschaffenden in diesen Prozessen des Zukunftsdenkens und -gestaltens? Wie imaginieren Künstlerinnen und Künstler die digitale Zukunft Afrikas? Auch das Goethe-Institut Kinshasa stellt sich diese Fragen und entwickelte gemeinsam mit dem Institut Français „Kinshasa 2050: A Digital City?". Künstlerinnen und Künstler, Designer und Designerinnen wurden aufgerufen, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.
Vom Nkisi zur omnipräsenten Kommunikation
Als Antwort wurden über 60 Projektideen eingereicht: Apps für Kinshasa, selbstgebaute Software, die sowohl das öffentliche als auch das private Leben in der Millionenstadt vereinfachen und Orientierung bieten sollen. Was die Projektentwürfe inhaltlich verbindet, ist ein pragmatischer Blick in die Zukunft.Eine sowohl lokal als auch international besetzte Jury wählte die besten Arbeiten aus, die dann von den Künstlerinnen und Künstler in einer Ausstellung umgesetzt wurden. Die Produktdesigner Iviart Izamba und Jean-Jacques Tankwey entwarfen zum Beispiel Möbelstücke für den privaten und den öffentlichen Raum, die zum einen Anschluss- und Auflademöglichkeiten für digitale Geräte bieten, zugleich aber auch einen durchaus kritischen Blick auf ein posthumanes Zeitalter wagen, in dem der Mensch beinah mit der digitalen Welt zu verschmelzen scheint und in der Geräte und Maschinen schon zu einem viel selbstverständlicheren Teil unseres Lebens geworden sind.
Wilfried Luzele Vuvus retro-futuristische Videobox zeigte ein für die Ausstellung konzipiertes Musikvideo. Hier wird auf humorvolle Weise das Motiv des Labors als Experimentierraum für zukünftige Lebensformen thematisiert. Zu sehen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an der Verflüssigung des Menschen arbeiten. Spermien und Eizellen – unsere materiellen Urformen als Lebensformen der Zukunft. Die Arbeiten von Hilary Kuyangiko Balu und Michel Ekeba alias „Kongo Astronauts“ schließlich fragten, inwiefern lokale spirituelle Systeme, zum Beispiel Orakel oder Fetischfiguren wie der Nkisi, in der Zukunft produktiv eingesetzt werden können.
Afrika wird von innen heraus imaginiert
Begleitet wurde die Ausstellung von einem Rahmenprogramm mit Gesprächsrunden, Filmen und einem Konzert mit dem senegalesischen Musiker Ibaaku, der sowohl musikalisch als auch visuell einen Trip in die Zukunft unternahm.Eine Retrospektive des Kameruner Regisseurs Jean-Pierre Bekolo zeigte eine Großzahl seiner Filme, die nicht nur inhaltlich, sondern auch filmästhetisch das Thema Zukunft befragen. So gilt sein futuristischer Thriller „Les Saignantes“ als der erste afrikanische Sci-Fi Film überhaupt. Nicht nur in diesem Film, auch in seiner neuesten Produktion „Naked Reality“, liegt die Zukunft in den Händen starker Frauen, die sich in zugleich utopischen wie auch dystopischen Zukunftsszenarien unliebsamer Männer entledigen. Doch für Bekolo ist auch die Philosophie zukunftsträchtig, hat er doch dem kongolesischen Intellektuellen Valentin-Yves Mudimbe ein filmisches Porträt gewidmet. Mudimbe hat in seinen Büchern „The Invention of Africa“ und „The Idea of Africa“ bereits vor über 20 Jahren gefragt, wie sich vor allem der globale Norden sein „Afrika“ erfunden hat. Auch wenn es hier um die Vergangenheit geht, ist der Film in einem Zukunftsfestival genau an der richtigen Stelle, denn die künstlerischen Beiträge zeigen, dass Afrika zunehmend von innen heraus gedacht und imaginiert wird.