Mónika Cseresznyák empfiehlt
Krebs fühlen
Im Einführungskapitel des Buches ist ein Porträt zu sehen, das Ferdinand Hodler 1910 von seiner Geliebten, Valentine Godé-Darel, malte. Eine junge, gesunde Frau schaut uns in die Augen – sie ahnt noch nicht, dass sie unheilbar krank ist. Drei weitere Bilder aus den Jahren 1914 und 1915 folgen: erschütternde Porträts der schwer kranken, der sterbenden und der toten Valentine. Somit ist dies eine kurze Geschichte krebskranker Menschen am Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Krebs – ein amerikanischer Onkologe nannte ihn den „König aller Krankheiten“ – kannte keine Gnade. Hier, am Anfang des 20. Jahrhunderts, beginnt und bis Ende des 20. Jahrhundert geht die ausführliche und gründliche, die Krebskrankheit betreffende Kultur- und Emotionsgeschichte.
Liest man die Geschichte der krebsbezogenen Emotionen, so wird einem klar, dass die Hoffnung immer mehr an die Stelle der Angst treten sollte – zumindest in der Theorie. Im Allgemeinen ist dies gewiss auch der Fall – schließlich macht die Medizin Fortschritte, bieten die Krankenhäuser immer bessere Voraussetzungen, leben wir immer bewusster und können an immer mehr Informationen gelangen. Die gründliche, allumfassende Analyse Bettina Hitzers weist genau auf den Punkt hin, dass – bei all den möglichen Trends, erlösenden Methoden und Erkenntnissen – letztlich der Einzelne selbst mit seinen Gefühlen umgehen muss. Diese sind im Falle des „Königs aller Krankheiten“ auch weiterhin viel Angst und immer mehr Hoffnung auf Heilung.
Klett-Cotta-Verlag
Bettina Hitzer
Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts
Klett-Cotta, Stuttgart, 2020
ISBN 978-3-60896459-2
540 Seiten
E-Book in der Onleihe des Goethe-Instituts ausleihen
Rezensionen in den deutschen Medien:
Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung auf Bücher.de
Sendung auf SWR
Buchvorstellung bei MRD Kultur
Interview mit Bettina Hitzer auf Deutschlandfunk Kultur