Péter Csobó empfiehlt
Speichern und Strafen
In seinem Buch untersucht Adrian Lobe, wie sich unsere digitalen Fußabdrücke – jede unserer verschickten Nachrichten, die alltägliche und vermeintlich harmlose Benutzung der Suchmaschinen, die biometrische Erkennung oder die Ortungsdienste des Smartphones in unserer Tasche – zugleich auf mannigfaltige Weise in je eine „Mikro-Festnahme“ verwandeln und wie sich der Mensch im digitalen Zeitalter freiwillig in Gefangenschaft begibt. Lobe registriert Phänomene unserer Zeit, und seine der digitalen Lebenswirklichkeit der „programmierten Gesellschaft“ entnommenen Beispiele wirbeln die Rahmensetzungen der großen theoretischen Narrative von Rechtsstaatlichkeit und Humanismus meist kräftig durcheinander und schreiben selbige neu. Unterdessen richtet sich Lobes Interesse auf die das Leben der Individuen und Gemeinschaften beeinflussende institutionalisierte Machtausübung und auf deren Rationalität – somit schließt sich der Autor dem Philosophen Michel Foucault an, was auch schon der Titel andeutet.
„Es gibt irgendwann keine Möglichkeit mehr, außerhalb seiner digitalen Repräsentationen zu leben. Man ist gefangen in seinem Datenkörper.“ Dem sich im Datengefängnis windenden Subjekt wird gewahr, dass sein Recht auf Intimität und Selbstbestimmung beschädigt wird oder ihm gar abhandenkommt. Vielleicht als ein Zeichen für den Verlust der Selbstbestimmung nennt der Autor dieses neue Zeitalter „Datapozän“ statt Anthropozän. Lobe geht in seiner Analyse induktiv vor; er formuliert allgemeinere philosophische, rechtstheoretische, politologische und machttheoretische oder ethische Fragen anhand der Beschreibung konkreter Fälle. Dabei werden diese Probleme jedoch nicht in fachwissenschaftlicher Tiefe herausgearbeitet – Lobe schreibt keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern vielmehr im Stil eines gehobenen Journalismus und einer Art Populärphilosophie. Das macht sein Buch leicht verständlich und angenehm lesbar.
Verlag C.H. Beck
Adrian Lobe
Speichern und Strafen. Die Gesellschaft im Datengefängnis
C.H. Beck, München, 2019
ISBN 978-3-406-74179-1
256 Seiten, mit 10 Abbildungen
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Rezensionen in den deutschen Medien:
ZDF Kulturzeit
Spektrum.de