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Der Reisende
„Wie im Fieberrausch“ habe Boschwitz den Roman in vier Wochen verfasst, schreibt Peter Graf im kenntnisreichen Nachwort. Er lektorierte das Manuskript mit Zustimmung der Angehörigen. Ulrich A. Boschwitz, geboren 1915 in Berlin, war Sohn eines jüdischen Kaufmanns. Seine Mutter stammte aus einer Lübecker Senatorenfamilie. 1935 wurde Boschwitz zur Emigration gezwungen, zunächst nach Skandinavien, wo sein Debüt erschien. Der Erfolg ermöglichte ihm ein Studium in Paris. Kurz vor Kriegsbeginn wurde er in England interniert und nach Australien gebracht, wo er bis 1942 in einem Camp lebte. Auf der Rückreise wurde sein Schiff von einem deutschen U-Boot torpediert und ging unter. Boschwitz starb im Alter von 27 Jahren.
„Der Reisende“ erschien unter dem Pseudonym John Grane vor dem Zweiten Weltkrieg in London als „The man who took trains“ und in den USA als „The fugitive“. Es ist eine ebenso spannende wie bedrückende und erhellende Lektüre über Deutschland nach der Machtübernahme der Nazis. Hauptfigur Otto Silbermann, ein jüdischer Kaufmann und Veteran des Ersten Weltkriegs, ist auf der demütigenden Flucht vor einer vom Antisemitismus vergifteten Gesellschaft. Boschwitz erzählt ein Moment der Geschichte, das selten mit einer solchen Intensität dargestellt worden ist. Er macht die Ära des Hasses, der Angst und der Gewalt erstaunlich lebendig und begreifbar. Hochaktuell!
Ulrich Alexander Boschwitz
Der Reisende
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 2018
ISBN 978-3608981230
303 Seiten
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